Im Handwerk sagt man: Sicherheitshinweise sind in Blut geschrieben. Und so ist es mit der Angst oft auch.
Ich hatte nie Angst, allein auf dem Schulweg, bis mir jemand mit dem Auto gefolgt ist, auf den Bürgersteig vor mir geparkt hat und mich zum Auto gewunken hat, achtjährig. Ich bin ins nächste Kiosk bis er weg war.
Ich hatte nie Angst, allein im dunkeln oder im Wald. Bis mir mal jemand, zwar tagsüber, auf einem abgelegenen Friedhof gefolgt ist, bis ich glücklicherweise bei einem dort arbeitenden Steinmetz Hilfe finden konnte.
Ich hatte nie Angst abends allein beim Spazieren, bis jemand mit herunter gelassener Hose, onanierend, plötzlich neben mir auf dem Weg aufgetaucht ist und mich angestarrt hat. Ich bin gerannt und habe nach Freunden gerufen, die in der Nähe waren.
Ich hatte nie Angst im Zug, bis ich einmal aufgewacht und jemand auf dem Gang dass und mich angestarrt hat, mit 50cm Abstand.
Ich hatte nie Angst im Nachtzug allein, bis jemand nicht von meiner Seite gewichen ist, sobald ich das Abteil verlassen habe.
Ich hatte nie Angst im Auto mitfzuahren, bis jemand in ein ruhiges Feldweg eingebogen ist, und gescherzt hat, dass ich nicht wegkommen würde.
Ich hatte nie Angst mit neuen Freunden nach Hause zu gehen, bis einer hinter uns abgeschlossen hat, den Schlüssel in die Tasche gesteckt hat, und mich angegrinst hat, ob das nicht gefährlich sei, so nur wir zwei, und sonst niemand im Haus.
Ich hatte nie Angst in der U-Bahn, bis mich zwei Männer angegrapscht haben. Meine schallende Ohrfeige haben sie quittiert, dass sie auf mich los gegangen sind, zu zweit. Die öffnenden Türen an der nächsten Station und ein Mann, der neherzt dazwischen gegangen ist, haben mich vor schlimmeren bewahrt.
Ich hatte nie Angst abends allein im Büro, Glaskasten wie oben, bis jemand abends durch die Tür gekommen ist, als ich im Nebenraum war und weg gerannt ist, als ich gerufen habe.
Ich hatte nie Angst vor einem Partner, bis sich jemand in einem Streit gross vor mir aufgebaut hat, mich nicht hat aus der Tür gehen lassen und mich angeschrien hat, dass ich das noch bereuen werde.
Trotzdem mach ich das alles noch. Angst heisst ja nicht, dass man es sein lässt. Angst heisst für mich genau das: vorbereitet sein. Immer wissen, wo die nächste Hilfe ist: belebte Gegend, Kiosk, Tankstelle etc. Welche Nachbarn um die Uhrzeit am schnellsten an der Tür sind. Ort und Nummern an Freundinnen weitergeben. Alarmpfeife beim Joggen. Wissen, wie ich selber heimkomme etc. Schliesse mich auf der Arbeit ein. Achte auf meine Umgebung. Ziehe schnell die Tür hinter mir zu beim Heimkommen.
Dieser jemand war in allen Fällen ein Mann.
Und vor Bären habe ich auch Respekt, zumindest in den USA im Wald, im "Bear Country". Da reichen für meine Angst allerdings zwei Dinge: Lärm machen beim Laufen, kleines Glöckchen am Schuh, und kein Essen im Zelt haben. Bären sind scheu. Bären suchen das Essen, nicht mich. Und, ich kann mein Leben ohne grosse Einschränkungen Leben, ohne jemals in das Revier der Bären zu gehen.