Das, finde ich, erklärt einiges:
"Bei einem faszinierenden Experiment in Schweden wurden Wähler gebeten, auf einem Fragebogen anzugeben, wie sie zu politisch umstrittenen Fragen stehen: mehr Steuern oder weniger, mehr Migranten oder weniger – solcherlei Fragen. Durch einen Trick wurde ihnen unmittelbar nach dem Ausfüllen ein gefälschter Fragebogen zurückgegeben, der vielen ihrer ursprünglichen Antworten widersprach. Und? Die meisten Wähler haben die Widersprüche nicht bemerkt! Mehr noch: Sie haben sogar fließend die Positionen, die sie wenige Minuten zuvor noch abgelehnt hatten, erklärt und verteidigt."
Gerade diesen Absatz fand ich beim verlinkten Artikel besonders wenig überzeugend. Für mich klang die daraus abgeleitete Erkenntnis so, als wäre unsere Meinung quasi ein Zufallsprodukt und könnte sich jederzeit beliebig ändern, ohne dass wir das merken.
In meinen Augen ist das aber Kokolores, deshalb stimme ich Nachtkerze zu, dass ich über diese Studie gerne mehr wüsste.
Denn in meinen Augen ist so etwas eher Ausdruck davon, dass wir oft verschiedene Aspekte abwägen und zu manchen Themen vielleicht zu wenig wissen, bei manchem vielleicht mal einen kurzen Gedankenblitz haben, der uns eher in eine Richtung neigt, und beim nächsten Nachdenken über die Frage vielleicht einen anderen Aspekt als dominant empfinden und in eine andere Richtung neigen, insbesondere vielleicht bei Themen, mit denen wir uns nicht so oft beschäftigen.
Wenn ich an meine Erlebnisse mit dem Wahl-O-Maten denke, könnte man mit mir sicherlich genau so ein Ergebnis erzeugen. Aber nicht mit Fragen wie "sollte in Deutschland die Todesstrafe wieder eingeführt werden", "sollte die Zahl der in Deutschland aufgenommenen Asylbewerber stärker beschränkt werden", oder "sollte der Verkauf von Alkohol verboten werden".
Wenn es aber (willkürlich aus dem 2022er NRW-Wahl-O-Maten rausgepickt) beispielsweise um eine Frage wie "Soll die Polizei mehr Befugnisse für die Verfolgung von Hasskriminalität im Internet bekommen?" geht, wäre meine Antwort nicht so eindeutig. Die schwankt zwischen "klar ist Hasskriminalität Scheiße und strafbar, mehr Möglichkeiten, die Täter*innen zu identifizieren, sind gut" und "die Polizei hat doch schon einige Befugnisse - was genau bedeuten "mehr Befugnisse" dann - die Berechtigung, sich willkürlich in irgendwelche Fremdrechner reinhacken zu dürfen? Nein, will ich nicht", und noch irgendwelchen Positionen dazwischen.
Und bei sowas könnte es gut sein, dass ich letztlich bei einem Ergebnis rauskomme, und wenn mir jemand später sagt, ich hätte das andere angekreuzt, würde ich das ggf. für plausibel halten und die Begründung, die für mich dafür sprach, als Grund nennen, und nicht merken, dass ich eigentlich bei einem anderen Endergebnis angekommen war.
Wenn mich aber jemand fragen würde, weshalb ich dafür bin, die Todesstrafe wieder einzuführen, wäre meine einzige Idee dazu, dass ich mich verklickt haben muss. Und nicht, wieso ich die Todesstrafe klasse finde.
Dementsprechend halte ich die Schlussfolgerung, dass Meinungen quasi beliebig seien, nicht für zutreffend.