Für eine vollständige Darm-Immunität reicht eine einzelne OPV-Dosis meiner Einschätzung nach nicht aus. Das würde sich auch mit dem aktuellen wissenschaftlichen Stand decken, dass es mindestens 3 OPV-Dosen bedarf. Ich vermute, dass auch 2 OPV-Dosen reichen (vor allem wenn man bereits eine vollständige IPV-Immunität hat oder parallel erwirbt) - das werden hoffentlich irgendwann die Daten aus Israel zeigen.
Die vorerst einmalige Dosis in 2013 war möglicherweise eine teilweise politisch motivierte Entscheidung: Von zwei zusätzlichen OPV-Dosen kann man Eltern vollständig IPV-geimpfter Kinder schwerer überzeugen als von einer. Und eine Dosis bringt vermutlich mehr als gar keine Dosis. Zumal bei einer Riegelungsimpfung ja auch nur eine Dosis gegeben und danach in Ruhe weitergeschaut wird. Jetzt greift man also nochmals auf diese Alterskohorte zurück, da fast 10 Jahre vergangen sind (üblich sind mindestens 10 Jahre Abstand bei der Polio-Auffrischimpfung).
Ich würde die Nachimpfung guten Gewissens sein lassen. Die Darm-Immunität deines Kindes wird nach einer Dosis voraussichtlich nicht vollständig sein, dein Kind hatte erst vor Kurzem (keine 10 Jahre Mindestabstand) eine Polio-Impfung und es ist 15 Jahre alt und somit in Sachen Hygiene besser sensibilisiert als ein Kindergartenkind, welches nach dem Toilettengang mit ungewaschenen Händen alle Spielzeuge betatscht oder auch ansabbert und andere Kinder diese dann in den Mund nehmen (fäkal-orale Infektion oder per Rachensekret). Es gibt interessanterweise anscheinend auch indirekte Übertragungen durch Fliegen. Deine Tochter dürfte also nicht die größte Gefahrenquelle für ungeimpfte Kinder, die von euch entfernt wohnen, darstellen. Ich würde hinsichtlich weiterer Polio-Impfüberlegungen mehr auf den Eigenschutz deiner Tochter und ihrer zukünftigen eigenen Kinder fokussieren, solange nicht bei euch vor Ort gehäuft Poliofälle auftauchen, wo man vielleicht alles nochmal einen Ticken genauer überdenkt und für ungeimpfte Kinder mitdenken muss/sollte/kann und die Nachteile eines zu kleinen Impfabstands eher in Kauf nimmt.
Die OPV-Impfung (Schluckimpfung mit abgeschwächten 'lebenden' Viren) ist besser wirksam als die IPV-Impfung (Totimpfstoff intramuskulär verabreicht). Im Gegenzug ist das Nebenwirkungsrisiko der OPV-Impfung höher als bei der IPV-Impfung, hinzu kommt, dass die abgeschwächten Viren mutieren können und man in der Regel für etwa 6 Wochen ansteckend ist (immunsupprimierte Menschen können jahrelang Impfpolio-Viren ausscheiden).
Ringelblume , bei Impfstoffen kann man in der Fachinformation nachlesen, welche Virenstämme und Bakterien(bestandteile) enthalten sind. Bei IPV-Impfungen kann man sich die Mühe des Heraussuchens jedoch sparen: die sind (zumindest in Deutschland und meines Wissens nach auch in Europa, wenn nicht sogar weltweit) alle trivalent. Bei OPV-Impfstoffen gibt es bivalente Impfstoffe (Typ 1 und 3) als auch monovalente Impfstoffe (entweder Typ 1 oder Typ 3). Typ 2 wurde vor einigen Jahren aus den OPV-Impfstoffen entfernt und darf auch nur noch in einigen wenigen Laboren aufgehoben werden, da offiziell ausgerottet. Deshalb ist für Typ 2 auch keine Titerbestimmung mehr möglich, außer im Speziallabor. Es ist in der Theorie nicht beabsichtigt, dass sich ungeimpfte Kinder bei OPV-geimpften Personen anstecken, aber in der Praxis lässt sich das nicht ausschließen.
huehnchen69 , in Deutschland konnte man sich in den letzten Jahrzehnten gut darauf ausruhen, dass es Polio nur noch in einzelnen, meist entfernten Regionen der Welt gab und die Ausbrüche auch dort vor Ort geblieben sind. Ich habe von dieser Tatsache selbst Gebrauch gemacht. Nachdem aber im Zuge der Globalisierung die Welt immer enger zusammenrückt (heutzutage gehen selbst Urlaubsreisen nicht mehr nur in die Nachbarländer) und nun zusätzlich Polio-ungeimpfte ukrainische Kinder ins Land kommen, kann man jetzt an eine Polio-Impfung doch wieder ein paar Gedanken verschwenden und die persönliche Situation neu eruieren. Die Polio-Impfquote bei Säuglingen in der Ukraine betrug in 2015 nur 14 Prozent. Durch nachfolgende
Impfkampagnen dürfte dies aber hoffentlich wieder
ein Stückweit aufgefangen worden sein. Ende 2021 gab es in der Westukraine einen Impfpolioausbruch mit 20 infizierten Personen (Impfpolio Typ 2).
Das Risiko ist heutzutage zumindest etwas höher als vor 10 - 15 Jahren und bei Polio muss man langfristig denken, denn es ist ja nicht nur mit einer einzigen Impfdosis kurz vor knapp getan bis ein guter Schutz aufgebaut ist. Offiziell empfohlen sind auch bei der IPV-Impfung mindestens 3 Impfdosen (bei Frühchen und immunsupprimierten Kindern 4 Dosen), wovon die letzte Impfung einen Abstand von mindestens 6 Monaten zur vorherigen Impfung benötigt, noch besser sind ein paar Monate mehr. Und nach weiteren 10 Jahren ist eine Auffrischimpfung für den Langzeitschutz vorgesehen. Kleiner Tipp: Nur 2 Impfdosen mit mindestens 8 Wochen Abstand reichten bei den Grundschulkindern von Bekannten für ein sehr guten Titer und damit Schutz für mindestens die nächsten paar Jahre, wenn nicht sogar länger. Und bei der Auffrischimpfung muss man sich auch nicht sklavisch an die 10 Jahre halten - da ist wie bei anderen Impfungen auch durchaus Potenzial für einen weitaus längeren Abstand vorhanden. Mithilfe von Titerbestimmungen kann man sich im Fall von Polio gut entlanghangeln, wenn man Impfungen einsparen möchte.
Man kann auch darauf spekulieren, dass man im Falle eines Ausbruchs vor Ort eine Riegelungsimpfung durchführen lässt. Man darf jedoch dabei nicht vergessen, dass der Schutz bei nur einer Impfdosis möglicherweise nicht ausreichen könnte bzw. sich erst aufbauen muss (Stichwort Antikörperreifung), dass die Impfdosis möglicherweise nicht anschlägt (Impfversager), dass ausreichend Impfdosen für alle Personen im Umfeld des Poliofalles bereitstehen müssen, weil auch Geimpfte eine Impfdosis bekommen sollen (ich erinnere an nicht vorhandene Masken zu Anfang der Corona-Pandemie) und am wichtigsten, dass man möglicherweise selbst der Indexfall und es somit zu spät zum Impfen ist (da keine Kreuzimmunität entsteht, müsste man wegen der 2 anderen Typen dennoch nachimpfen). Bis eine Lähmung bei einer von 100 ungeimpften Personen in einer ansonsten durchgeimpften Bevölkerung auftritt, kursiert das Virus in der Regel schon lang und stark verbreitet unter der gesamten Bevölkerung, sofern es sich nicht gerade um einen Impfgegner-Hotspot handelt.