Ich versuche zwar möglichst konsequent "Kind" anstatt Junge oder Mädchen zu sagen, stelle aber fest, dass das in der Praxis ständig von den Kindern korrigiert wird - egal ob in der Kita, in der Schule oder auf dem Spielplatz.
Ich finde das sehr schwierig - ich wünsche mir sehr eine genderneutralere Gesellschaft, aber in meinem Alltag legen gerade Kinder zwischen zwei und 16 im Durchschnitt enorm viel Wert auf ihr Geschlecht und sehen das durchaus als Teil ihrer Identität. Da kann ich natürlich vorsichtig immer wieder darauf hinweisen, dass die damit verbundenen Einschränkungen vermeidbar sind, aber ich kann auch nicht gegen die Erziehung der Eltern bzw den Einfluss der Umwelt anreden. Ich glaube aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen auch, dass eine kritische Auseinandersetzung damit auch zumindest teilweise mit dem Bildungsstand (der Eltern) zusammenhängt. Anders ausgedrückt: Als ich meinen Kids in der Schule erzählt habe, dass ich auch männliche Freunde habe, waren sie völlig fassungslos. Und dass ich trotz meiner kleinen Tochter arbeiten gehe, ist für sie völlig außerhalb ihrer Lebenswelt. Das heißt nicht, dass ich mich nicht trotzdem weiterhin um eine möglichst gendergerechte Sprache bemühe, aber ich sage auch ganz ehrlich, dass ich seit meinem Berufseinstieg besser verstehe, woher die Leute kommen, für die das Thema Gender einfach nur "Gedöns" ist. Und so wichtig mir selbst das Thema ist, so weit ist das Thema von der Lebenswelt meiner Schüler*innen entfernt. Und klar hab ich den Anspruch, das zu verändern, aber vorrangig bin ich im Alltag damit beschäftigt, "schwul", "behindert" oder "Hurensohn" als Beleidigungen zu verhindern. (Grundschule, Alter 8 bis 12) Und wenn ich dann am Nachmittag mit meinem eigenen Kind auf dem Spielplatz bin, rutscht mir mittlerweile öfter als früher ein "Junge" oder "Mädchen" raus. Nicht aus böser Absicht, aber weil gendergerechte Sprache leider außerhalb des Forums seit dem Abschluss meines Studiums überhaupt keine Rolle spielt. Und doch, ich glaube ganz klar, dass Sprache einen großen Einfluss auf unser Denken hat. Aber angesichts der ganz praktischen Probleme bzgl. Gleichberechtigung, mit denen ich täglich kämpfe, fällt das irgendwie langsam hintenüber, weil ich sonst ehrlich gesagt nur noch frustriert wäre...