Alles anzeigenIch möchte nochmal ein paar Überlegungen zum Thema "Verzicht" äußern.
Wir besitzen weder ein Häuschen im Grünen (wir besitzen garkein Wohneigentum) noch ein Auto. Ich übe mich darin, soweit als möglich, gebraucht zu kaufen. Ansonsten kaufen wir nachhaltig im Sinne von langlebig. Ich habe Schuhe, die sind 27 Jahre alt (DocMartens), eine (!) (teure) zeitlose Mehrlagenjacke, die ich seit 8 Jahren trage, ich wüsste nicht, wann ich das letzte Mal eine andere Jacke anhatte. Mein Mann hat Funktionskleidung (fürs Radfahren, er fährt täglich 13km zur Arbeit und zurück), die er länger trägt, als wir uns kennen. Unser Kleidung hat einen zeitlosen Stil.
Wir fliegen nicht und sind trotzdem reisefreudig innerhalb Deutschland und Europas. Unseren Haupturlaub verbringen wir im Zelt.
Gerade arbeiten wir daran, unsere Ernährung auf vegetarisch umzustellen (wir lieben alle Fleisch, es geht uns um Tier- und Klimaschutz). Wir essen möglichst regional und saisonal - ganz sicher nicht zu 100%, es gibt im Winter durchaus Gurken und Paprika, vieles z.B. das allermeisten Obst (also alles außer Bananen und im Winter Orangen und Mandarinen und natürlich Zitronen) gibt es aber halt nur, wenn es aus Deutschland erhältlich ist.
Unser Stromverbrauch liegt bei 2500kwh im Jahr.
All diese Dinge sind recht unabhängig von unserem Einkommen, wir könnten sie uns auch mit deutlich weniger Geld leisten.
Unser dann doch recht hohes Familieneinkommen erlaubt es uns, uns fast komplett bio zu ernähren und trotz Leben in der Stadt auf (für die Stadt) relativ viel Platz in gut isoliertem Wohnraum sogar mit150qm Garten zu wohnen. Für das Land wäre es eher klein. Wenn die Kinder ausziehen, werden wir auch ausziehen und in eine kleinere Wohnung ziehen (wird sonst auch zu teuer )
Wir leisten uns 100% Ökostrom und teilweise Biogas.
Unser Geld legen wir mit einer Ausnahme nur bei Firmen an, deren Nachhaltigkeit uns überzeugt.
Diese Dinge können wir uns tatsächlich nur durch das gute Einkommen leisten.
Ich empfinde unseren nachhaltigen Lebensstil als luxuriös. Ich habe an fast keiner Stelle das Gefühl des Verzichten, obwohl vieles unseres nachhaltigen Lebensstils wenig kostet.
Der einzige Punkt, den wir als Verzicht empfinden, ist der (partielle) Fleischverzicht und der Verzicht auf eine Katze als Haustier.
Und nein, nicht jeder muss so leben. Wenn jemand gerne auf dem Land lebt und deshalb mit dem Auto zur Arbeit fällt, aber vielleicht dafür vegan lebt oder nur im nahen Umfeld Urlaub macht, kommt das aufs Gleiche raus. Und ein Anderer fliegt vielleicht zu seiner Familie und isst deshalb noch saisonaler oder lebt zu viert auf 80 qm oder in einer Hausgemeinschaft.
Ich bin ein tendenziell bequemer Mensch, der es sich gerne gut gehen lässt. Ich bin das Gegenteil von Asket. Ich habe früher nicht nachhaltig gelebt, ich bin über meinen Mann (Umweltschutzingenieur) dazu gekommen. Für mich war das ein Prozess über mittlerweile 13 Jahre. Ich habe jedoch festgestellt, dass Wege beim Gehen entstehen, das der ach so bedrohliche Verzicht garkein Verzicht, sondern Freiheit ist.
Und ich will mit diesen Überlegungen garnicht sagen, dass das alles kein Problem ist und jeder zur gleichen Lösung und zum gleichen Weg kommen muss. Ich möchte jedoch dafür werben, dass der für den Klimadchutz notwendig Verzicht sich zwangsläufig einschränkend anfühlen muss und dass Nachhaltigkeit auch nach und nach wachsen kann.
(Und jetzt traue ich mich fast nicht, das abzuschicken, denn es soll tatsächlich weder missionarische noch arrogant rüberkommen, ich weiß jedoch, dass es so aufgefasst werden könnte - ich stolpere nur immer und immer wieder über das Wort "Verzicht", das ich so nicht empfinde)
Ich finde mich in vielem des Geschriebenen wieder. Möchte noch einen Punkt anmerken: Bis zu einem gewissen Grad kann man sich den "Verzicht" auch schmackhaft machen indem man sich bewusst die Vorteile aufzählt:
So kann ich z.B. mit der aktuellen Mode nix anfangen und bin immer sehr glücklich über Second Hand - Funde weil die mir viel besser passen.
Das nicht vorhandene Auto ist in Innenstädten ggf. eher Erleichterung da Parkplatzsuche und Bürokratie um TÜV, KfZ-Versicherung usw. wegfällt.
Beim Verzicht auf Flüge entfallen so unangenehme Wartezeiten am Gate, Reiseübelkeit, dafür gewinnt man mehr zeitliche Flexibilität beim Reisezeitpunkt.
Das passt natürlich nicht immer (z.B. bei Landbewohnern ohne ÖPNV), aber bei Einzelaspekten sicherlich.