Den Artikel vom Deutschlandfunk finde ich zu dem Thema sehr gut. Ich finde es wichtig, dieses Thema mitzudenken und da vieles kritisch zu hinterfragen. Insbesondere im kommerziellen Kontext. Im privaten Kontext finde ich das deutlich schwieriger, da es Menschen wie ja geschrieben ihrer Legitimation abspricht und Solidarisierung verhindert. Personen, die als weiß Gelesene Dreads tragen, tun das wohl in der absoluten Überzahl der Fälle nicht in kommerzieller Absicht, oder um sich über die dahinter stehende Kultur lustig zu machen. Ja, sie haben dennoch dass Privileg weiß zu sein, aber derart die persönliche Entfaltung vor allem junger und weltoffener Menschen zu kritisieren finde ich in der Sache nicht hilfreich.
Ich selbst empfinde das Leben in einer multikulturellen Umgebung als etwas ganz wunderbares, habe Freude daran, Gerichte aus anderen Kontinenten auszuprobieren und bestimmte nicht-europäische Kulturtechniken zu lernen. Daher finde ich den Umgang mit dem Begriff kultureller Aneignung wirklich schwierig, wenn er derart ins Private eingreift. Kulturen so klar zu trennen im alltäglichen Miteinander. Ich glaube das ist nicht förderlich. Ganz anders sehe ich das im kommerziellen Kontext, da ist es wichtig, das Profitieren von Konzernen durch andere Kulturen sehr kritisch zu begleiten und anzuprangern.
Ich finde mich in deinen Worten sehr wieder, es ist einfach unheimlich komplex.
Wenn man so weiterdenkt, wäre das nicht das Ende aller interkulturellen Beziehungen und Austausche? Dann dürfte jede:r nur noch sein eigenes Ding machen, so wie er/sie aufgewachsen ist...
Ja, das Problem sehe ich auch. Sollte es nicht eigentlich das Ziel sein Musiker*innen of Colour zu fördern, die ein klassisches, europäisches Instrument spielen, damit die Orchester diverser werden, als alles in "deine Kultur" - "meine Kultur" zu trennen und diese Grenzen zu bewachen?
Mein Mann sagt zu dieser Thematik gerne, das sei für ihn so 1950... Er dürfte als PoC Dreads tragen. Was ist mit unseren Kindern? Dürften die auch, weil sie ebenfalls eine schwarze Geschichte haben? Oder dürften sie nicht, weil man ihnen diese Geschichte nicht sofort ansieht?
Was ist mit der Frau, die mit einem Schwarzen zusammenlebt und gemeinsame Kinder hat? Darf sie die gleiche Frisur tragen, wie der Rest ihrer Familie?
Ich meine das überhaupt nicht polemisch, sondern finde einfach, dass diese Theorie in der Praxis über ziemlich viele Steine stolpert.
- eine sehr bekannte Frau mit Dreads ist ja z.B. Kapitänin Rackete. Ich habe echt ein Problem, wenn ich ihre Frisur jetzt einsortieren sollte als kulturelle Approbation oder als Statement oder ...
Carola Rackete trägt die Haare bewusst so, und zwar ebenso wie sie einst von den unterdrückten Schwarzen getragen wurden: Als Statement und Protest gegen die Unterdrückung Schwarzer durch Weiße.
Die Frage ist nun bloß: Darf sie dieses Statement setzen, auch wenn sie oder ihre direkten Vorfahren keine Betroffenen waren oder sie nicht aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert wird?
Oder anders: Braucht es eine bestimmte Hautfarbe und einen direkten familieren/ kulturellen Zusammenhang, um dieses politische Statement als Zeichen seiner Meinung zu setzen?
Da sind sich auch BIPOC absolut nicht einig und es gibt Stimmen in alle Richtungen.
Meine Schwarze Freundin regt sich darüber übrigens schrecklich auf und sagt etwas wie: "Die Rasta entstanden bei den Schwarzen daraus, dass sie ihre Haare nicht wie gewünscht tragen durften. Die Rasta waren ein Zeichen der Rebellion gegen die Unterdrückung. Wir können aber doch nun nicht eine Diskriminierung durch eine neue Unterdrückung auslöschen oder wieder gut machen, indem wir nun unsererseits Menschen vorschreiben, wie sie ihr Haar zu tragen oder nicht zu tragen haben. Das war doch früher falsch. Heute ist es genau so falsch!"
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So, Ohnezahn hat irgendwie schöner ausgedrückt, was mein Problem ist.
Und ich bin meilenweit davon entfernt, z.B. dir buntgrün deine Erfahrungen abzusprechen. Genau deine Wahrnehmung, dass auf die gleichen Frisuren bei verschiedenen Hautfarben unterschiedlich reagiert wird, kann ich bekräftigen. Ich frage mich nur, ob der Weg der Ächtung der richtige ist oder ob er nicht Unterschiede zementiert, die wir doch eigentlich unbedingt einreißen wollen.