Ich fände es unter dem Teilhabeaspekt gerecht, wenn Menschen im H4 oder Wohngeldbezug ein kostenloses ÖPNV Ticket bekommen könnten. Nicht 9 €. Sondern einfach komplett kostenlos.
Aber das 9 € Ticket das nach dem Gießkannenprinzip alle Menschen, auch wohlhabende, kaufen konnten, das fand und finde ich nicht sozial gerecht. Denn das Geld das das kostet, fehlt ja an anderer Stelle. Zum Beispiel beim ÖPNV Ausbau. Denn der Ausbau des ÖPNV in strukturschwachen Regionen ist eben auch eine Frage der Teilhabe und der sozialen Gerechtigkeit. Sogar ganz massiv. Denn ärmere Menschen leben ja meistens gerade nicht in den teuren Innenstädten, wo die öffentliche Verkehrsanbindung super ist. Sondern die sind ja oft gerade gezwungen, in die schlecht angebundenen Randgebiete auszuweichen. Gute Verkehrsanbindung bedeutet immer auch: teure Wohngegend. Und da findet bei der Wohnungssuche ein ganz massiver Verdrängungswettbewerb statt. Ganz egal, ob ein Wohnviertel nominell zu einer Stadt gehört oder nicht.
Und was den Klimaschutz angeht, ist das 9 € Ticket sogar eher schädlich. Ja, sogar obwohl manche Autofahrten durch ÖPNV Fahrten ersetzt wurden. In der aktuellen Ausgabe der Mitgliederzeitung vom NABU wird Dr. Alexandra Millonig zitiert, die zum Thema Verkehrswende forscht. Sie sagt: "Das Ziel muss sein: so viel Mobilität wie nötig, so wenig wie möglich. Kernproblem ist nicht der Autoverkehr, sondern zu viel Verkehr. Mit Konzepten der Verkehrsverlagerung weg vom Auto oder der Effizienzsteigerung kommen wir nicht weiter. (...) Wir [müssen] Mobilität neu denken und auch eine gesamtheitliche, integrative Betrachtung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen mit anderen Sektoren einbeziehen." Gesamtheitlich bedeutet, dass die Infrastruktur auch auf dem Land so sein muss, dass die Wege einfach kurz sind. Ganz wichtig wären z.B. Dorfläden (und Landärzt:innen, Apotheken, Dorfschulen, Bolzplätze etc.). Außerdem fordert Millonig ein Mobilitätsbudget, das besonders diejenigen belohnt, die möglichst kurze/ wenige Wege zurück legen. Mit dem Mobilitätsbudget sollen Benzin und Strom für Autos, aber auch ÖPNV Tickets gekauft werden müssen. Je umweltschädlicher das Verkehrsmittel, desto teurer. ÖPNV wird nach diesem Konzept also durchaus bevorzugt. Aber auch je weiter die Strecke, desto teurer. Denn einmal 9 € zahlen und dann unbegrenzt durchs ganze Land fahren, ist eben gar nicht umweltfreundlich. Hier kann man sich bei Interesse tiefer in das Konzept einlesen: https://www.ait.ac.at/themen/i…ystems/projects/mobalance