Beim Klimastreik gab es auch kaum die Möglichkeit etwas verbotenes zu tun, oder?
Das sind zwei Demos die sich nicht vergleichen lassen, finde ich.
Wieso nicht? Die Möglichkeit, Polizisten gezielt zu beleidigen, die Möglichkeit der Sachbeschädigung an Ausrüstung der Polizei, und die Möglichkeit, Steine und Pyrotechnik zu werfen gibt es doch theoretisch auch beim Klimastreik
Das ist eher mit Demos rund um Hambi zu vergleichen und auch da gab es Durchbruch Versuche und Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Mehrheitlich von Seiten der Polizei. Diesmal auch.
Ja, sowas gab es auch schon früher. Mein Eindruck der Radikalisierung speist sich glaube ich vor allem daraus, dass meine Freunde, mit denen ich unterwegs war, diesmal vorab ganz klar gesagt haben, dass sie den Durchbruch nach Lützerath versuchen werden. Die haben auch schon 2018 gegen die Rodung des Hambacher Waldes protestiert und an unzähligen Aktionen teilgenommen. Aber bis gestern noch nie so gezielt die Konfrontation mit der Polizei gesucht. Mein Eindruck ist, dass es bisher immer eher nur so ein paar Dutzend Aktivisten waren, die Absperrungen überrannt haben. Gestern aber waren es mehr als 1000 Personen. Ich selbst bin in einer Gruppe von ca. 500 Personen durch die Polizeikette gerannt, vorher und hinterher haben es 2 ähnlich große Gruppen geschafft. Also ich habe schon den Eindruck, dass die Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten, zunimmt.
Dass die Gewalt mehrheitlich von der Polizei ausging, kann ich nicht bestätigen. Von Schlagstöcken habe ich hinterher erst gelesen, ich selbst habe nichts davon mitbekommen, obwohl ich sogar mit über den Erdwall gerannt bin. Auch meine Freunde, die sogar noch weiter gegangen sind und länger Widerstand leisteten, haben davon nichts mitbekommen. Ich vermute, dass solche Maßnahmen eher nur gegen Randalierer eingesetzt wurden, die Fahrzeuge demoliert haben oder so.
Allerdings sagen meine Freunde ganz klar, dass sie schon allein die Tatsache, dass die Polizei sich in Ketten um Lützerath aufgestellt hat um ein Näherkommen der Demonstranten zu verhindern, als Provokation empfunden haben. Und diese Sichtweise kann ich schon auch nachvollziehen. Denn was wäre denn so schlimm daran gewesen, wenn wirklich ein paar Tausend Demonstranten nach Lützerath reingegangen wären? Von dem Ort steht sowieso fast gar nichts mehr. Es gab gestern dort schon fast keine Häuser mehr, wo Leute sich hätten verschanzen können. Und die allermeisten Demonstrierenden hatten meiner Einschätzung nach auch gar nicht das Ziel, geschweige denn die Ausrüstung, sich längerfristig in Lützerath festzusetzen. Ich glaube, viele wollten auch einfach nur mal gucken und vielleicht ein Zeichen setzen, mehr nicht. Also ungefähr die gleiche Motivation, wie an die Abbruchkante zu gehen. Und wenn dann tatsächlich 100 oder 200 Leute über Nacht in Lützerath in den Sitzstreik gegangen wären. Ja mei. Dann hätte die Polizei sie halt am nächsten Morgen wieder rausgetragen. DAS wäre eine wahrhaft deeskalierende Polizeistrategie gewesen. Ich weiß nicht, ob die Einsatzleitung eine solche Strategie überhaupt ernsthaft in Erwägung gezogen hat, und wieso man sich stattdessen dafür entschieden hat, die Wälle zu errichten und zu verteidigen. Aber das war ja auf jeden Fall die Entscheidung der Einsatzleitung und nicht die der einzelnen Polizist:innen, die dann die gewählte Strategie umsetzen sollten.