janos, @möve: woher weiss meine Tochter, dass es kein freundliches Interesse ist?
- es ist ihr Gefühl. Wir vorher nie darüber gesprochen. Mit freundlichen Leuten ist sie durchaus bereit, von ihrer Verwandschaft aus einem anderen Land zu sprechen. Aber sie hat seit sie ganz klein ist, ein sehr feines Gespür dafür, von wem sie sich lieber distanzieren möchte.
Die konkrete Situation: alte Schule, neues Schuljahr, neue Klassenzusammensetzung. Die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe kennen sich mindestens ungefähr und wissen, welche Freundesclique aus welchem der umliegenden Dörfer kommt. Es gibt viele Themen, über die 12-jährige Kinder einen Gesprächseinstieg finden könnten, so offensichtliche wie welche Musik/youtouber/Filme/Sportarten/ whatever mag. Meine Tochter ist künstlerisch begabt, sie spielt Theater, macht Musik, macht Sport, zieht sich gern mal auffällig an. Tausend Dinge, über die sich normale Kinder gerne austauschen und kennenlernen. Und dann die Frage wo sie EIGENTLICH herkommt. Und auf die Antwort, dass es diejenige Person nichts angeht, kommt der Nachsatz "aber du bist doch Ausländerin!". Es ist tatsächlich so, dass auch ohne diesen Nachsatz, und selbst bei freundlicher Neugier der Hintergrund mitschwingt: "Ich habe jedes Recht hier zu sein, und auch das Recht, dich in frage zu stellen". Und ehrlich gesagt, war ich überrascht, wie deutlich meine Tochter das wahrgenommen hat. Sie ist nämlich eine sehr offene Person, schließt leicht Freundschaft und passt sich an sehr unterschiedliche Freundeskreise an.
Ich werfe niemandem, der vielleicht diese Fragen freundlich interessiert stellt, direkten Rassissmus vor. Aber ich erläutere gerne, dass auch das freundliche Interesse durchaus einen Hintergrund hat, den es wert ist, sich bewußt zu machen. Und es ist durchaus eine sehr andere Situation, wenn jemand aufgrund einer Dialekteinfärbung nach dem Herkunftsort gefragt wird. Und sogar, wenn der/die Fragende die allerpositivsten Gedanken mit der Herkunft aus Afrika/Lateinamerika/Asien verbindet, weiss jede Person of Colour, dass hier in Deutschland, wie in vielen Ländern auch, sehr viele Menschen Vorurteile haben, dass Nicht-Weisse in der Vergangenheit übelst und auf entwürdigendste Weise diskriminiert wurden. Und all das kann bei einer Person, die vielleicht sehr oft von Fremden nach ihrer "eigentlichen" Herkunft gefragt wird, als Unterton mit ankommen.
Mir tut es weh, dass meine Tochter sich wahrscheinlich ihr Leben lang damit auseinandersetzen müssen wird, dass viele ihrer Mitmenschen NICHT zuerst wahrnehmen, was sie tut, denkt, redet, sondern erstmal ihre eigenen Klischees auf sie projizieren, egal ob positiv oder negativ.
Und meine Bitte an alle: Zeigt doch euer freundliches Interesse an einer Person, indem ihr nach anderen Dingen fragt. Auch "exotisch" aussehende Personen haben einen Beruf, Hobbies, Begabungen, Spass an den angesagten Netflix-Serien, eine Meinung zur Unpünklichkeit der deutschen Bahn - whatever!
lg martita