Übrigens empfinde ich es hier (im Saarland) beruflich als Nachteil, wenn jemand NICHT Dialekt spricht. Mein Mann als Vorgesetzter wird da schnell als arrogant angesehen. Meine Kurse hab ich anfangs hochdeutsch gehalten, bis mir klar wurde, dass das nur unnötig Distanz schafft.
Ja, das ist im Saarland so, das hat dann auch ein klein wenig mit Minderwertigkeitskomplexen zu tun - allerdings muss man nicht unbedingt den saarländischen Dialekt sprechen, es genügt nicht "perfekt" zu sein
Ich habe eine Frage:
hier und anderswo hieß es, im jeweiligen Dialekt ließen sich Gefühle besser ausdrücken.
Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Könnt ihr mir das erklären? oder Beispiele geben?
Im Saarland (wie auch im Französischen) gibt es den Ausdrück: "ich hann die Flemm", der beinhaltet Traurigkeit, depressiv sein, lustlos, antriebslos sein und wurde bei uns immer gefolgt von: "draa mich e stickelchen" oder "mandscht dau nit mai schmer esse" (na, ihr Saarländer kennt ihr das noch?). Da schwingt (für mich) so viel mehr mit als "es geht mir heute nicht so gut"
Witzigerweise sind viele "typischen Dialektausdrücke" hier in Sachsen in Wirklichkeit verhunzte französische Begriffe und gar nicht unbedingt "ganz ursprüngliches Saächsisch".
"Mache mer geene Fissematenden!" Mach mir keinen Unfug! aber auch: keine "unsittlichen" Dinge " - kommt zu.B. von "visiter ma tente" (also eigentlich mach mir kein "visiter ma tente"!, d.h. folge nicht der Einladung der (damals zumeist französisch sprachigenen) Soldaten in ihre Zelt), das Schesselong für Sofa und das Trottewar für den Bürgersteig erklärt sich selbst usw.
Was die Gefühle angeht... ich hatte nie das Gefühl, daß bei "Komm mal zu Mama kuscheln,.." wengier herzlich und tröstlich gewesen wäre als "Gomme ma bei die Mama guschln..." - was ich im alltag nienienie sagen würde. Es ist also nicht so als würde ich mir Dialekt verbiten, viele Sachen krieg ich einfach nicht über die Lippen. (Ja, man könnte noch vioel besser "zu mir" sagen, aber ich brauch ein Beispiel )
diese frz. Ausdrücke gibt es im Saarländischen auch, und auch die Wendung: "komm bei mich"
Ich hab lange damit gehadert, wie ich mit meinem Dialekt umgehen soll. Ich wohne im Saarland, da spricht jeder mehr oder weniger Dialekt, man kann oft bis auf einzelne Dörfer eingrenzen, woher jemand kommt ;). Mein Problem ist/war, dass ich mich außerordentlich schwer tue, Hochdeutsch zu reden. Nicht, weil ich es nicht kann, sondern weil ich mir so dermaßen dämlich vorkomme, wenn ich Hochdeutsch rede, vor allem mit Leuten, die ich kenne und von denen ich weiß, dass sie *eigentlich* auch Dialekt reden #weissnicht. Ich hab also beschlossen, ich rede Dialekt. Mit meinen Kindern, beim Einkauf, mit meiner Familie sowieso. Ich sorge dafür, dass meine Kinder zusätzlich "richtiges" Hochdeutsch beherrschen, fertig. Wir bauen das meistens ins Spiel ein: Spielen wir Rollenspiele, reden wir Hochdeutsch, CDs und Bücher tun ihr übriges - das funktioniert wirklich gut. Ich sehe es als Vorteil, meine Kinder wachsen zweisprachig auf ;), Dialekt ist ja kein "Hochdeutsch für Arme". Und mittlerweile bin ich mit meiner Entscheidung ziemlich im Reinen, denn mir ist es lieber, die Kinder können beides richtig - so einen "Halbhochdeutschaberdochnichtperfektmischmasch" finde ich da wesentlich gruseliger.
Edit: Vergessen: Die Chilischote ist in der zweiten Klasse und hat in Diktaten normalerweise nie mehr als einen Fehler.
Ich fühle mich da ähnlich , da wir aber nicht mehr im Saarland wohnen, sondern in Ba-Wü haben meine Kinder hochdeutsch gelernt (und es wurde in der Schule bei allen dreien hervorgehoben, wie gut sie sprechen - nur bei ihrer LRS hat es ihnen nicht geholfen ), denn den Umgebungsdialekt kann ich nicht. Ich selbst rede wohl hochdeutsch "mit striefen", komme mir aber auch seltsam gekünstelt vor, wenn ich es im alltäglichen Umgang versuche. Mein Saarländisch kommt allerdings heftig zum Ausbruch, wenn ich Freunde und Verwandte besuche.
Lustig finde ich, dass mein Großer, der jetzt in Kaiserslautern studiert und dort viele saarl. Kommilitonen hat, dort saarländisch spricht
Gruß
Annette