Ganz so zurückhaltend empfinde ich dich nicht, wenn ich dir mal Feedback geben darf.
Vollkommen richtig. Hier im Forum will ich auch gar nicht zurückhaltend sein mit meiner Meinung. Ich sprach davon, dass ich in der Öffentlichkeit zurückhaltend bin (und das bezieht sich nicht nur auf das Stillen) mit Rücksicht auf meine Mitmenschen, aber zugegeben auch mit Rücksicht auf meine eigene Privatsphäre.
Dein Satz, dass du nicht verstündest, wenn andere sich zu fein seien um auf der Toilette zu stillen, enthielt für mich einen Angriff.
Korrekt. Das habe ich so formuliert, weil mir manche Argumente gegen diskretes Stillen ehrlich gesagt ziemlich fadenscheinig vorkommen. Es MUSS ja nicht die Toilette sein, wenn es andere Möglichkeiten gibt. Oder wenn die Toilette tatsächlich in einem unappetitlichen Zustand ist. Aber es gibt hier doch einige Verfechterinnen, die sich tatsächlich und egal unter welchen Umständen zu "fein" sind, um auch mal auf einer Toilette zu stillen. (Oder überhaupt nicht einsehen, sich zum Stillen zurück zu ziehen.) Das hinterlässt bei mir, die sich durchaus des öfteren mal auf's "Stille Örtchen" zurückgezogen hat, den Eindruck, als wäre ich vulgär und hätte keinen Stolz oder ein unterentwickeltes Ästhetikempfinden. Und was muss ich für ein Mutterbild abgeben, wenn ich es meinem Baby ungefragt zumute, seine Mahlzeiten auf einem Klo einnehmen zu müssen. Das ist in gewisser Weise auch ein Angriff, oder?
Vielleicht einigen wir uns einfach darauf, dass wir hier schlicht über zwei verschiedene Sichtweisen diskutieren, und ob oder von welchen Aussagen sich jemand persönlich angegriffen fühlt, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Dein Hinweis, dass DU halt nicht durch die Wand gingest mit dem Kopf und DIR die Gefühle anderer nicht egal seien, ebenso (er beinhaltet: die, die nicht auf dem Klo sondern so wirklich öffentlich stillen, nehmen keine Rücksicht auf die Gefühle anderer).
Ehrlich gesagt: Ja, so sehe ich das, oder empfinde es. Ich bin nicht päpstlicher als der Papst und fordere hier auch kein striktes Stillverbot in der Öffentlichkeit. Gott bewahre! Mir geht es eher um die grundsätzliche Einstellung wie wir über die Grenzen und Gefühle unserer Mitmenschen denken und reden. Wenn ich hier also als Argument anbringe, dass es eben durchaus einige Mitmenschen gibt, die sich durch den Anblick einer stillenden Mutter oder eines entblösten Busens peinlich berührt fühlen, denen diese Situation je nach Umständen vielleicht sogar unangenehm ist, dann erhalte ich erschreckend oft den für mein Empfinden egoistischen und aggressiven Hinweis: "Mir doch egal, ich darf das!". Oder "Sollen die halt weggucken". Sprich: ich erwarte von anderen, dass sie auf MICH Rücksicht nehmen, sehe aber nicht im Mindestens ein, dass ICH auf irgendwen Rücksicht nehmen sollte. Im Gegenteil, ich unterstelle durch meine Haltung anderen Menschen, dass sie kein Recht haben, sich pikiert oder peinlich berührt zu fühlen.
Ein bisschen riecht das für mich, als gälten für Mütter andere Regeln als für den Rest der Menschheit. Und dagegen wehre ich mich.
Und wirklich ärgern tut mich dein Abschnitt über Respekt und Empathie.
Mein Kind hat Respekt verdient.
Es muss nicht auf dem Klo essen.
Siehe oben: Mir erscheint dieses Argument eben ein bisschen fadenscheinig und abgegriffen. Es klingt zwar gut, aber bei genauerer Betrachtung hat es eigentlich keinen Bestand. Dein Kind isst nicht auf dem Klo, es isst an deiner Brust. Deinem Kind ist es im Prinzip völlig egal, wo du dich gerade befindest, Hauptsache es ist bei Mama. Denn da wo Mama ist, ist eh immer der schönste Ort der Welt. Ich HABE meine Tochter auf dem Klo gestillt. Aber nie und nimmer würde ich mir unterstellen lassen, ich würde meinem Kind keinen Respekt entgegen bringen. Über eine solche Aussage ärgere ICH mich!
Und es schwingt mit, dass die Kinder von oeffentlichstillenden keine Empathie mit auf den Weg gegeben bekommen, und kein Gefühl für Rücksicht.
Das macht mich wütend, ich empfinde das als selbstgerecht.
Noch mal: Siehe oben! Es geht um unsere grundsätzliche Einstellung, wie wir über die Gefühle und Grenzen anderer Menschen denken, ob wir unsere eigenen Bedürfnisse über die Bedürfnisse unserer Mitmenschen überordnen und wie wir uns im Alltag im Umgang mit unseren Mitmenschen verhalten. Also ob und in welcher Form wir Rücksicht nehmen, wie diskret oder im umgekehrten Fall wie selbstbewusst (egoistisch?) wir uns verhalten, welchen Standpunkt wir vertreten, etc. Unser grundsätzliche innere Einstellung und Haltung zu einem Thema oder zu unseren Mitmenschen geben wir unbewusst und indirekt auch an unsere Kinder weiter. Ja. Da braucht man sich auch nicht angegriffen fühlen. Eigentlich zeichnen sich doch gerade die Raben durch die Fähigkeit zur Selbstreflexion aus, oder? Also stellt sich die Frage: Was will ich meinem Kind mitgeben? Selbstbewusstsein? Sich für die eigenen Rechte und Überzeugungen einzusetzen? Zur Not auch mal in Kauf nehmen, dass man als "unbequem" empfunden wird? Oder will ich meinem Kind vermitteln, sensibel auf Signale von außen zu reagieren, ein hohes Maß an Empathie zu entwickeln, also nicht einfach nur den eigenen Standpunkt zu sehen, sondern eben auch die Empfindungen anderer zu berücksichtigen. Verständnis dafür zu entwickeln, dass andere Menschen eben anders ticken als wir und andere Sichtweisen haben - z.B. auf das Stillen. Wie viel "dickes Fell" ist mir wichtig versus Rücksichtnahme und Empathie.
Ich habe eben - nicht nur in Bezug auf das Stillen - schon seit langem den Eindruck, dass wir uns zu einer "Ellebogengesellschaft" entwickeln, in der jeder mit gefletschten Zähnen für seine eigenen Rechte kämpft. Platz für Rücksichtnahme ist da wenig, denn das wäre gleichbedeutend mit "sich selbst zurück nehmen", und das will ja keiner mehr. Erst recht nicht, wenn es um die eigenen Kinder geht, die stehen schließlich an aller erster Stelle. Womit wir wieder beim Anfang wären: Lieber nehme ich in Kauf, dass sich jemand gestört oder peinlich berührt fühlt, soll der doch weggucken wenn es ihm nicht passt, als dass ich meinem Kind zumute, auf einer Toilette stillen zu müssen.
Ja, da STECKT eine ganz klar Haltung gegenüber anderen Menschen drin. Und ja, diese Haltung vermittle ich auch meinem Kind. Und genau darauf habe ich hingewiesen. Ich glaube, da hat sich nämlich keiner der Öffentlichkeits-Stiller bisher Gedanken drüber gemacht, was für eine Grund-Haltung eigentlich hinter dieser Meinung steckt. Rücksichtnahme ist nämlich out. Wir sind nur noch ganz selten wirklich bereit, unsere eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Interessen zurück zu stellen aus Rücksicht auf unsere Mitmenschen.
Mir persönlich gefällt diese Entwicklung nicht besonders. Und deshalb kreide ich das auch immer wieder mal an - so wie jetzt eben hier in diesem Thread. Nicht weil ich jemanden persönlich angreifen will - ich kenne eh keinen von euch persönlich und es liegt mir fern, vom Stillverhalten auf die Persönlichkeit eines Menschen zu schließen. Aber ich gebe zu, ich würde mich freuen, wenn der eine oder andere vielleicht tatsächlich mal über seine grundsätzliche Haltung nachdenken würde. Selbst reflektieren: Bin ich wirklich so rücksichtsvoll, wie ich von mir denke?