Ich finde solche ach so tiefgründigen Fragen auch doof. Was soll das bringen, da drüber nachzudenken, ich glaube, so eine Situation gehört zu den Dingen im Leben, wo es einen riesengroßen Unterschied macht, "von außen" als Nichtbetroffener darüber nachzudenken oder so etwas wirklich erleben zu müssen.
Klar, man soll auf die üblichen Antworten kommen, nochmal Zeit mit seinen Liebsten verbringen, nur das machen, was einem selbst und den allernächsten Personen wirklich wichtig ist, alles Unwichtige rausschmeißen aus dem unendlich wertvollen, weil so begrenztem Restleben. Und dann soll man daraus lernen, das jetzt schon zu machen, ein wenig so zu leben, als wäre die restliche Zeit absolut begrenzt. Ist sie ja auch, aber keiner von uns, weiß, wie lange. Ja, stimmt schon, was hilft es, zu weit vorauszuplanen und dabei die Gegenwart, in der man doch jetzt gerade lebt, aus den Augen zu verlieren. Aber das Umgekehrte halte ich eben auch fatal, was bin ich denn noch, wenn ich nur in der Gegenwart lebe, ohne Pläne für die Zukunft? Ohne Ziele, die ich erreichen will? Ohne Wünsche, für die ich vielleicht auch mal längere Durststrecken in Kauf nehmen muß?
Aber über diese Balance kann man auch mit ganz anderen, viel lebensnäheren und auch offeneren Fragen nachdenken. Bin ich jetzt gerade glücklich im Leben? Warum, oder warum nicht? Was kann ich ändern, um glücklicher zu sein? Bin ich, wenn alles ungefähr so weiterläuft, auch in einem Jahr noch so glücklich wie jetzt, oder fehlt eine Weiterentwicklung? Wie sieht es in 5 Jahren aus oder in 10? Und so weiter...finde ich viel sympathischere Fragen, weil sie nicht einfach eine "gute" Antwort vorgeben, sondern viel mehr Raum für ganz verschiedene gedanken lassen.
Klar, meine allerersten Gedanken bei dieser 24-Stunden-Frage waren auch solche: Einen Brief schreiben. Mit meiner Familie einen letzten, wunderschönen Tag verbringen. Einmal etwas ausprobieren, was ich sonst aus diversen Gründen aufschiebe oder ganz vermeide. Aber ist das realistisch? Wie toll wäre dieses Ausprobier-Erlebnis denn noch, wenn ich wirklich wüßte, daß das eins der letzten Dinge ist, die ich tue? Ich könnte mich doch eh nie mehr daran erinnern...wenn ich nach so einer Hiobsbotschaft überhaupt noch Lust darauf hätte, mal was ganze Verrücktes zu machen. Vielleicht würde ich auch einfach nur in Panik geraten und die letzten 24 Stunden heulen, verzweifeln und wütend sein.
Einen Brief schreiben? Mein ältestes Kind ist jetzt 4. Es gibt so viele Dinge, die ich ihr in ihrem Leben noch mitgeben möchte. Noch mehr wären es, wenn ich wüßte, daß sie mich nie mehr sehen kann, ich nie von mir erzählen kann, sie irgendwann gar nicht weiß, was ich eigentlich für ein Mensch war. Ich könnte die ganzen 24 Stunden schreiben und wäre mir nicht sicher, ob es wirklich genug "ich" ist, damit es meinen Kindern ein Leben lang reicht. Mehr könnten sie von mir selbst nie bekommen, nur von anderen Personen, die aber alle ja ihre eigenen Sichtweisen haben.
Einen schönen Tag mit der Familie machen? Könnte ich das wirklich? Würde es nicht unendlich weh tun, alles zum allerletzten Mal zu sehen und das genau zu wissen? Das letzte Mal mit meinen Kindern aufwachen, das letzte Mal "Mama" hören, das letzte Mal ihr Lachen oder Weinen, die allerletzte Umarmung...wie könnte ich unter solchen Umständen einen schönen Tag erleben? Oder eben meiner Familie bereiten? Im Grunde wäre es doch grauenvoll, nicht schön. Und wie endet der Tag dann? Einfach sterben, Mama ist plötzlich weg und niemals wieder da, ohne Vorbereitung? Oder sollte ich meine Kinder vorbereiten? Wie könnte ich einer Vierjährigen und einem Zweijährigen erklären, daß ich in wenigen Stunden sterben muß, daß wir nur noch ganz kurze Zeit zusammen haben und dann nie wieder?
Eine furchtbare Frage. Es gibt bessere Fragen, um herauszufinden, ob man glücklich ist und was einem wichtig ist im Leben.