Da casa nicht dagegen zu haben scheint, schreib ich nochmal. Zu Syrien, nicht zu Indien..
Ich werd sooooo sentimental wenn ich das lese. Ich hab bis jetzt meistens die Erinnerungen verdrängt, weil es einfach zu weh tut. Da wird ein ganzes Land dem Erdboden gleich gemacht und der Aufschrei, ja nun der Aufschrei hält sich in Grenzen. Ich denke immer die Menschen ahnen ja nicht was da alles kaputt gemacht wurde.
Wobei man auch sagen muß, ich hab ja richtig alte Erinnerungen und auch die würden so nicht unbedingt wieder vorfindbar sein, hat doch die Zeit auch Syrien verändert, "moderner" gemacht, geprägt. Mein Syrien ist noch aus den 80er Jahren..
Dennoch sind die Erinnerungen noch so lebendig, war es doch eine sehr intensive Zeit die ich dort erlebt habe in einem sehr wichtigem Alter. Ich weiß rückwirkend gar nicht wie oft ich in Syrien war, meine längste Zeit waren wohl so 8 Monate.
Wenn ich Deine Zeilen oben lese, bin ich sofort wieder dort. Ich kenne jeden Ort von dem Du berichtest.
Wenn Du von Damaskus schreibst, denke ich sofort an Abu Shaker, den Cocktailmixer. Der war irgendwo Nähe Sham Palast. Wir sind dort jeden Mittag nach der Schule hin und haben uns dort statt Mittagessen Fruchsäfte reingezogen. Die besten Fruchtsäfte die ich jemals getrunken hat. Wenn wir dann doch irgendwie feste Nahrung brauchen, haben wir uns 3m weiter ein Falafel gekauft, ich glaub für umgerechnet 20 Pfennig oder so. Gewohnt hatte ich damals in Mezze.
Und in Bab Tuma war ich so gerne. Da waren wunderschöne Studenten-WGs, wohnten ganz viele Architekturstudenten.
Ma'lula, ich trau mich gar nicht zu googlen, ich ahne Schlimmstes.
Das erste Bild, das ich habe, ist das, wo wir in der Dämmerung draußen auf einem Hausdach gesessen sind und bis tief in die Nacht gegessen haben, Musik wurde gespielt, es wurden traurigste Liebeslieder gesungen... In meiner Erinnerung hab ich noch nie soo viele Katzen gesehen wie dort.
Und das Qalat al-Hosn haben sie wohl kaputt geschossen. ;(
Ach, ich war so gerne in Homs. Besonders Mittwoch....
Und ausgerechnet an einem Mittwoch bin ich dort mal im Gefängnis gelandet und nur weil ich kein Ausreisevisum von Syrien in meinem Paß hatte. Das werd ich auch nie vergessen. Ich hatte in Damaskus studiert und wollte mir in Beirut ein Wörterbuch kaufen (den Wehr, den es in D für 300 DM gab 8I ) und indonesische Diplomaten hatten mich mit ihrem Auto mitgenommen, über die Grenze, war ja denkbar unkompliziert. Außerdem war Krieg im Libanon und es ging es drunter und drüber. Nach Beirut bin ich nie gekommen, das brannte, aber stattdessen hab ich spontan einen einwöchige Reise im Libanon unternommen, mit einem guten Freund und keinem Reisegepäck, denn wir wollten ja am Abend wieder in Damaskus sein. Diese Reise werd ich nie, nie vergessen. Ich war in Chtoura als die Raketen über uns flogen und dann sind wir weiter nach Saida und Sur. Und auf dem Rückweg waren wir zwei Tage in Trablus (Tripoli) und ich hab das beste Kunafa bil-kischta gegessen.
Und an der Grenze zu Homs haben sie uns dann Probleme gemacht, eben weil der Ausreisestempel fehlte. Wobei sie in Damakus noch behauptet hatten, ich bräuchte keinen Stempel, denn es sei ja eh "Großsyrien", Syria kubra, oh Mann. Ich glaub ich hab dann in der Nacht im Gefängnis nie so viel Arabisch gelernt wie je wieder in meinem Leben. Kein Mensch konnte dort irgendeine Sprache und von daher war es wirklich eine Herausforderung.
Tadmor, da hab ich wenigstens keine Meldungen gehört.. Man ist ja schon froh, wenn man mal nichts hört über eventuelle Schäden.
Oder baden gehen in Latakia und dann sind wir hoch gefahren nach Kasab. Ich kannte eine Menge armenischer Familien in Kasab und hab auch dort wunderschöne Tage verbracht. Auch hier trau ich mich nicht zu googlen was ihnen wohl geschehen ist.
Oder unsere Ausflüge in die Weiße Wüste..
Oh, das kann ich mir vorstellen.
Ich bereue so, daß ich nicht mehr dort war.
Und als dann meine Tocher mehr als ungeplant auf der Welt war hatte ich mich darauf gefreut ihr mal mein Syrien zu zeigen, sobald sie so viel wie möglich davon mitnehmen kann.
Den hab ich desöfteren getroffen in den 80ern. Da hat er noch unentgeltlich in diversen Buchhandlungen Deutschlands gelesen und es war immer eine sehr schöne Stimmung. Dann wurder er bekannter und hat angefangen sehr viel Geld für seine Lesungen zu nehmen und die kleinen Buchhandlungen konnten es sich nicht mehr leisten ihn einzuladen.
Ach, ich bin gerade schon wieder in Aleppo mit meinen Gedanken. Es war eine so unbeschwerte Zeit damals. Wir sind ganz oft in den Ingenieurs Club am Abend oder haben, wenn wir keine Lust auf Fasten hatten, im Ramadan im Café Saj gesessen beim Essen. Oder war das Al-Kuuch? Es ist so lange her. Es gab eine Zeit, da kannte ich in Aleppo jede Straßenecke. Ramadan war immer ein Erlebnis. Wenn dann am Morgen der Trommler durch die Straßén ging und die Leute nochmal geweckt hat, damit sie vor Sonnenaufgang noch etwas essen.
So, jetzt bin ich endgültig sentimental.