vivalavida, prinzipiell gehe ich mit dir gut zusammen, was die notwendigkeit einer kompletten umstrukturierung des gesellschafts- und wirtschaftssystems betrifft.
auch "stärke des privaten wirtschaftsgefüges vs. ausbeutung" kann funktionieren. wenn ich einen mann hätte, würde ich mich sehr freuen, wenn der mir (salopp) ein paar monate den arsch versilbern könnte, während ich mir was neues suche oder mich komplett neu orientiere beruflich. damit würde dann ein ausbeuter blöd aus der wäsche kucken, denn sooooooo leicht ersetzbar sind mitarbeiterinnen nach 10 jahren nicht.
und ich gebe dir im fall deiner freundin recht - sie verdient SO wenig, dass es sich für sie besser darstellen würde, wenn sie NICHT arbeiten ginge und sich stattdessen auf ihre 3 kinder konzentrieren könnte.
allerdings hinkt das gewaltig.
a) private wirtschaftliche verbände SIND heutzutage nicht mehr so tragfähig wie früher und selbst früher waren sie das nur zu einem manchmal schrecklichen preis. frauen, die von den männern wirtschaftlich abhängig waren/sind, sich nicht scheiden lassen konnten aus x gründen, fremdgehen und gewalt erdulden mussten. kinder/jugendliche, die den von den eltern (meist vom "vater") vorgeschriebenen beruf erlernen mussten und auch sonst die fresse zu halten hatten (solange du deine füße...). das mag zwar vom kapital begrüßt und gewollt werden, ist aber NICHT vom kapital initiiert. das hat andere gründe. aber es ist einfach so. heute sind also sehr viele frauen alleinerziehend. gerade, wenn diese eben schon vorab (!), bei der berufswahl, und später bei der arbeitsaufteilung in der noch intakten familie NICHT bedacht haben, dass sie ggf. irgendwann mal sich selbst und 3 kinder durchbringen müssen, dann entstehen so situationen wie bei deiner freundin. die verlässlichkeit ist eben im moment nicht da. man muss sich daher in diesem moment auch nach den gegebenen umständen richten.
b) es gibt doch ein erwerbsleben für frauen jenseits der armutsgrenze. ich selber verdiene in teilzeit wirklich erheblich mehr als deine freundin und habe auch aussicht auf mehr rente als grundsicherung. das deshalb, weil ich einen (sehr guten) ma-abschluss habe, direkt in meinem bereich arbeiten konnte schon während des studiums und bald auf 20 jahre lückenlose berufstätigkeit zurückblicke. ganz ehrlich, die annehmlichkeiten, die mir dieses einkommen bietet, möchte ich NICHT missen. es ist für mich, gerade da ich alleine bin, ein bisschen lebensqualität, in den urlaub fahren zu können. wie im anderen thread geschrieben, leider muss jeder persönlich die waage zwischen seinem geldbedarf und dem willen, sich ausbeuten zu lassen, finden. das ist leichter, wenn man beruflich handlungsfähiger ist. dies führt mich zu
c) alg II ist nun mal leider KEIN bge. die umstände, die mit dem bezug einhergehen, sind oft schrecklichst. ich würde an den demütigungen schneller zerbrechen als an den arbeitsbedingungen hier. es existiert eben nicht die wahlfreiheit, lieber zu einem minimalsatz an geld zu hause zu bleiben, wer alg II bezieht, wird früher oder später vom amt behelligt und muss dann ran. nicht selbstbestimmt... nicht handlungsfähig.
das sind die umstände, wie wir sie momentan haben.
und auch wenn wir mit unseren handlungen und entscheidungen dem kapital in die hände spielen (müssen) - dem einzelnen ist kein vorwurf zu machen. ich kann sogar das bedürfnis nach einlullung irgendwo nachvollziehen. was ich mir wünschen würde, sind politiker arsch in der bux, die per brechstange was ändern. ich versuche auch immer, entsprechend zu wählen, aber viel erfolg hat das nie.
lg patrick