Huhu,
Digitalisierung und deutsches Schulsystem sind zwei Dinge, die leider, leider wenig miteinander zu tun haben. Natürlich gibt es Schulen, die ganz ganz weit vorne sind - aber eben auch sehr viele Nachzügler. Und das ist ein Trauerspiel. Ich habs es hier schon oft geschreiben: Das KMK-Strategiepapierist seit Ende 2016 veröffentlicht. Der Katalog der zu vermittelnden und einzuübenden digitalen Kompetenzen ist einsehbar.
Genauso einsehbar sind Sätze wie "Ziel ist dabei, dass alle Schülerinnen und Schüler, die zum Schuljahr 2018/19 in die Grundschule eingeschult werden oder in die Sekundarstufe I eintreten, bis zum Ende der Pflichtschulzeit die in diesem Rahmen formulierten Kompetenzen erwerben sollen. Diese für die Strategie zentrale Maßnahme soll somit ab 2026 umgesetzt sein." Da ist kein Spielraum. Das Geld des Digitalpaktes fließt in die Schulen, die per Konzept nachweisen können, diese digitalen Kompetenzen zu vermitteln. Und das NICHT in Informatik, sondern in jedem Fach: "Dies wird nicht über ein eigenes Curriculum für ein eigenes Fach umgesetzt, sondern wird integrativer Teil der Fachcurricula aller Fächer. Jedes Fach beinhaltet spezifische Zugänge zu den Kompetenzen in der digitalen Welt durch seine Sach- und Handlungszugänge." Das bedeutet, dass jeder Lehrer/jede Lehrerin in der Lage sein sollte, seinen SuS Zugang zu einer digitalen Lernumgebung zu geben.
Kleines Beispiel: Unsere AbschlussschülerInnen kriegen nach allen Methodentagen und der wie gesagt doch recht üblichen PC-Arbeit in der Schule eine Doppelstunde pro Woche (!) um unter Anleitung der Klassenleitung (!) an ihren Facharbeiten zu arbeiten. Sie dürfen in Pausen, Freistunden und nach der Schule ins Selbstlernbüro (!) und dort unter Anleitung der dort eingesetzten pädagogischen Kraft (!) daran weitermachen. Natürlich auch zuhause. Sie dürfen jederzeit zu den betreuenden FachlehrerInnen kommen, denen Leseproben schicken und Rückmeldung dazu bekommen (!). Und trotzdem ziehe ich jedes Jahr wieder nicht nur Punkte, sondern in Summe ganze Noten ab für Sachen wie falsche Seitenränder, fehlende Seitenzahlen, falsche Schriftgröße- oder -art, falsche oder fehlende Inhaltsverzeichnisse, Fußnoten oder Quellenverzeichnisse. Und wir haben jedes Jahr mindestens ein oder zwei Leute (von etwa 90 bis 100 SchülerInnen insgesamt), die gar nichts oder nur Bruchstücke abgeben, weil die Datei "plötzlich weg" war, oder da "plötzlich Seiten fehlten" oder so.
Das ist echt desolat. Und wir erklären uns den Mund fusselig, wirklich.
Wenn man das vor dem Hintergrund des Strategiepapiers liest, ist eine Doppelstunde(!) lächerlich wenig. Und funktioniert ja offensichtlich auch nicht. Angedacht ist, dass das Lernen - genau wie unser Arbeiten letztendlich auch - digital stattfindet. In allen Fächern, in allen Unterrichtsstunden. Natürlich erfordert das für viele den Verlust der Komfortzone. Aber es birgt auch viele neue Möglichkeiten für individualisiertes und selbstverantwortliches Lernen (Siehe S. 13 des Strategiepapiers) - und das ist auch ausdrücklich so gewollt, damit sich das System Schule grundlegend wandelt.
Achso, und noch eine schlechte Nachricht - ohne jeden Zynismus : Die Gelder des Digitalpaktes sind nicht für digitale Endgeräte gedacht. Dafür wird es kein Geld geben. Punkt. Das ist einfach Fakt. Das muss ich nicht gut finden, aber es ist die Datenlage, auf der ich mein Haus bauen muss: Damit kann jetzt jede Schule machen, was sie will: Die einen jammern und wehklagen und machen dann eben gar keine Digitalisierung und haben dann eben auch gar kein Medienkonzept und bekommen dann eben auch gar kein Geld für den Ausbau von Glasfaserkabel und Fortbildungen, die anderen versuchen zu ermöglichen, was irgendwie geht und fangen mit dem an, was sie haben. Ich halte das Letztere für zielführender, wenn wir unsere Kids auf eine digitalisierte Welt mit allen Vor- und Nachteilen vorbereiten wollen.
lg roma