Dass auch Arme in Deutschland eine prima Gesundheitsversorgung (wenn auch keine teuren Extras) bekommen, glaubt man auch nur solange, bis man sie braucht.
Zahnarzt ist ganz klar ein Problem, aber auch Medikamente zum Beispiel. Da gilt zwar auch eine Vergünstigung für chronisch Kranke, aber das läuft so, dass man erstmal bis zum dreistelligen Grenzbetrag alles zahlen muss (auch hier: gilt nur für verschreibungspflichtige Medis, und wieviele sind das heutzutage schon noch) und dann alle Quittungen einreichen. Dann zahlt man für den Rest irgendwie nur noch die Hälfte der Gebühren. Natürlich muss man dazu psysisch auch erstmal in der Lage sein, und kein Problem damit haben, überall zum Bittsteller zu werden. Der Gedanke, mich für eine Klassenfahrt an den Schulverein zu wenden, damit dann auch wirklich jeder weiß, dass mein Kind arm ist, würde mir fiese Bauchkrämpfe und einen schönen Depressionsanfall verursachen, wenn nicht glücklicherweise (bisher) meine Eltern in der Lage und auch bereit wären, uns bei sowas zu helfen.
Thema Augen: Ich war sein 12!! Jahren nicht mehr beim Augenarzt. Trotzdem wurde ich letzte Woche nicht einfach so untersucht, nein, eine Maschine hat eine Minutenauswertung meiner Sehwerte gemacht, und für einen weiteren 2-Minuten Sehtest durch den studierten Herrn Doktor plus "Brillenberatung" (Ich empfehle Ihnen, eine Gleitsichtbrille zu besorgen. Das wars!) musste ich 15 Euro bezahlen. Die über 70 Euro!!! für eine echte korrekte Augenuntersuchung, die eine wirkliche Vorsorge gewesen wäre (den Rest hätte eine Optiker kostenlos gemacht, ich war in dem Irrglauben, dass ich nach der langen Zeit besser mal richtig checken lasse) konnte ich mir nicht leisten. Ehrlich gesagt, empfinde ich das auch als totale Abzocke. Ich kann jeden Monat mehrere Male der KK auf der Tasche liegen und zu meinem Hausarzt tigern, wenn mir langweilig wäre. Aber einmal in langer Zeit Augen? Nö. Folgekosten von Krankheiten scheinen in dem Spezialgebiet wohl nicht niedriger zu sein, wenn man früh genug nachschaut.
Falls ich tatsächlich eine Gleitsichtbrille bekomme, dann nur deshalb, weil ich eine großzügige Mutter habe, und bei den genannten Preisen (meine wäre auch 500 Euro plus Gestell) weiß ich noch gar nicht, ob ich das mit meinem Gewissen vereinbaren kann oder will. Ja, ich bin inzwischen auch kurzsichtig, aber naja, bisher ging es ja auch so. Die Kurzsichtigkeit ist dagegen wirklich nötig, weil ich dauernd Kopfweh habe und beim Autofahren auch nicht mehr gut genug sehe. So treffe ich dann halt Entscheidungen. Die 20-30 Euro im Monat, die ich für Treffen oder Theater oder... ausgebe, könnte ich natürlich auch noch einsparen, keine Frage. Da ich daheim aber (obwohl arm, huch) nicht mit einem tollen Familienleben gesegnet bin, würde ich dieser Verzicht sicher mehr treffen als jemanden, der zuhause gemütlich mit ihrem Mann auf dem Sofa (welches Sofa?) ein Buch aus der Bücherei liest (nur 10 Euro im Jahr).
Sollte ich jemals ernsthaft echten Zahnersatz benötigen, werde ich vermutlich einfach ohne auskommen. Mir fehlt jetzt schon 1 Zahn weiter hinten. So what, es gibt wichtigeres, oder jedenfalls Dinge, die ich zu der Zeit höher priorisiert habe.
Wenn ich solche Sprüche von Leuten höre (so pauschal sagen das nur Leute, die genug oder mehr als genug haben) dass Geld allein nicht glücklich macht etc blabla, könnte ich koxxen. Als ob Leute mit genug Geld (nicht mal Reiche) nie Familie, Gesundheit, Freunde und Zeit hätten. Jedenfalls haben sie einen Grund weniger, unglücklich zu sein, oder sich nett ablenken, wenn sie es sind.
Ich weiß, dass das jetzt alles total bitter klingt, und so ist mein ganzes Leben natürlich nicht. Auch ich bemühe mich, wie alle anderen hier, mich möglichst gut und wohlwollend weiter zu entwickeln, mein Kind zu lieben und zu stärken, und mit Sprüchen wie "Sein, nicht haben" in meine Mitte zu kommen. Aber es ist tatsächlich möglich, beides zu sein. Neugierig und geknickt, bitter und manchmal fröhlich.
Ohne Geldsorgen fällt es zumindest mir leichter, das mit der Fröhlichkeit.