Ich finde nicht, dass ein gentrifizierter Stadtteil unbedingt die höchste Attraktivität hat, aber gut, das ist mein persönliches Empfinden. Es gibt hier auch Stadtteile, die sind noch durchmischter vom Wohnklientel her und den Mietpreisen und trotzdem (?) sehr attraktiv in meinen Augen. Ich selbst wohne in einer solchen Lage, hier stehen Hochhäuser neben Altbauten und Neubauten und es gibt keine "hippen" Läden, aber Einkaufsmöglichkeiten inklusive Biosupermarkt genug, ich bin fußläufig in der Innenstadt und habe dazu noch Wasser und Grünanlagen direkt nebenan. Es ist aber einfach nicht hip und trendy hier zu wohnen und der erste Kommentar der o.g. Freunde beim Einzug hier war: "oh, das ist ja viel schöner hier als ich gedacht habe"!
Diese Vorurteile gehen halt mit der Gentrifizierung einher. Ein Stadtteil wird durch Künstler und Studenten hip, dann wird der aufpoliert, es zieht reichere Klientel zu bzw. die ehemaligen Studenten sind nun gutverdienende Akademiker und was der Bauer (hier: Akademiker) nicht kennt, das will er nicht. Das geht soweit, bis sich die Jungen, Unangepassten einen neuen Stadtteil suchen, auf den die Akademiker vorurteilsbeladen runterschauen solange bis dieser gentrifiziert wird and round and round and round. Das ist die gleiche Spirale wie bei neuer Technik...
Hmm, vielleicht ist die Frage eher, was man unter gentrifiziert versteht? Weil, "oh, das ist ja viel schöner hier als ich gedacht hätte" habe ich auch schon oft gehört. Bei uns liegt das tatsächlich daran, dass eben viel renoviert und neu gemacht wird und es jetzt schöner ist. Vor zehn Jahren hätte ich hier auch nicht unbedingt wohnen wollen. Aber es gibt eben durchaus eine große ethnische Vielfalt bei uns, auch einhergehend mit einer Menge marokkanischen und türkischen Döner-Bude-cum-Shisha-Lounge-meets-Teehaus-Einrichtungen. Und das ist ganz eindeutig etwas, dass ich an diesem Stadtteil mag! Eben das Bunte und Unterschiedliche. Aber gäbe Aber die Gentrifizierung merkt man halt daran, dass die sich weniger halten können und stattdessen Design-Lichtläden und Antiquitätenshops aufmachen. Und Cafés. Wie du schon schreibst, wir sind hier auch noch durchmischt, die Frage ist eben wie lange noch...Aber auf der anderen Seite: gäbe es all das nicht, was durch die Gentrifizierung gekommen ist, wahrscheinlich würde ich hier nicht wohnen.
Ist das so klarer?
Ja, viel klarer. Mir war irgendwie nur der Sprung von Gentrifizierung zu Solidarität im ersten Anlauf nicht so klar. Ich bin aber noch nicht so sicher - einerseits stimme ich dir zu, was die Solidarität angeht, und mich nervt es oft furchtbar wenn ich merke, dass ich manche Situationen oder Lebensumstände auch nicht so wirklich nachvollziehen kann, weil ich eben schon hauptsächlich mit Menschen in einer ähnlichen Lebenssituation (sprich Mittelstands-Akademiker) Beziehungen habe.
Andererseits bin ich mir unsicher, was man im Fall der Gentrifizierung nun machen sollte, auch wieder nicht sicher. Man kann natürlich von staatlicher Seite viel mehr eingreifen, wie das z.B. in den Niederlanden der Fall ist, um eine Durchmischung zu fördern. Das hat halt dann andere Nachteile und Konsequenzen. So die offensichtliche Konsequenz fällt mir nicht ein. (Aber das Problem sehe ich in ganz vielen Bereichen, gerade auch in der Frage "schicke ich mein Kind nun auf die tolle alternative Schule mit Mittelstandsklientel oder doch in die Grundschule um die Ecke mit hoher Ausländerquote?" z.B.