Alles anzeigenAlles anzeigenWir haben unser Auto abgeschafft. Niemand in der Familie konnte das verstehen. Aber wir sind seitdem um ein ganzes Stück freier und zufriedener geworden. Und das sehen sie. Dass es nicht "schwer und unlösbar" ist, sondern uns glücklich macht.
dass man ein Auto abschafft kann ich gerade noch verstehen
Aber wie wird man dadurch freier und zufriedener? Macht euch glücklich?
Das finde ich jetzt doch schwer nachvollziehbar. Magst Du das mal erklären? Ich messe "unserem" Auto da einfach keine so große Bedeutung zu.
Bzw. müsste ich auch auf viel verzichten, was definitiv nicht zu meinem Glück beitragen würde....
Neugierig bin...
was Katja Diehl schreibt ist ganz spannend - greift in manchen Dingen aber zu kurz finde ich
bzw. halt wie immer - schöne Vision und an den Details happert es dann
" kann ich gerade noch verstehen."
Dann sind wir doch zumindest schon irgendwie auf einer Basis.
Um meinen persönlichen Rahmen abzustecken: Ich war vor 5 Jahren dick und unsportlich, habe die Ganzjahresradler*innen und Radaktivist*innen mit einem Augenrollen in ihrem Tun beobachtet und war völlig überzeugt davon, dass das für mich niemals in Frage kommt.
Ich wohne in der Stadt, meine Kinder sind in einem Alter, in dem sie weitgehend selbstständig mobil sein können, ich habe ein ÖPNV Abo, das Carsharing beinhaltet und eine Bahncard.
Vor bald drei Jahren ist ein Lastenrad in unseren Haushalt gezogen und damit fing alles an. Ich fuhr so gerne mit diesem Rad, dass das Auto bald gänzlich stehen blieb. Es wurde manchmal bewegt, weil wir weitere Strecken zurücklegen mussten oder, weil es halt gerade da war. Das Lastenrad hat wirklich extrem viele Einsatzmöglichkeiten des Autos unnötig gemacht. Meine Kids können selbst fahren, wurden von uns auch dahingehend erzogen. Strecken im Umkreis von 10-12 km sind für sie normal.
Das war so, bevor der Gedanke daran, das Auto abzugeben, überhaupt im Raum stand. Radfahren ist eine wichtige Mobilitätsquelle für Kinder und Jugendliche.
Jedenfalls war es dann so, dass unser Auto ungefähr 165 Stunden in der Woche am Straßenrand stand. Da mich als Radfahrende die parkenden Autos aber eigentlich ziemlich nervten, kam irgendwann die Einsicht, dass es bei meinem Auto nicht anders ist. Es wird nicht genutzt, es steht herum.
Und damit kam die Frage: Ist das wirklich nötig?
Für mich nicht. Also kam das Auto weg.
Natürlich ist das nicht nur Sonnenschein und zugegeben, es gibt schon einzelne Momente, da bin ich genervt. Aber das war ich mit Auto auch. Da hat mich dann der Stau oder die Verkehrssituation genervt. Irgendwas ist immer.
Aber was ich gewonnen habe und wie es mich glücklich macht: Ich bewege mich jeden Tag an der frischen Luft. Ich komme in Kontakt mit Menschen, was in einer Fahrgastzelle nicht der Fall ist. Ich entdecke beinahe jeden Tag etwas Neues. Neue Wege, neue Läden, neue Ecken und Winkel, die mir mit dem Auto verborgen geblieben wären. Da wäre ich sicher nicht vorbeigekommen, geschweige denn, ich hätte einen Parkplatz gefunden.
Ich stehe nicht mehr im Stau, kann vor jedem Laden direkt vor der Tür parken, zahle keine Parkgebühren (das war das Zugargument für meine Kids damals - Keine Parkgebühren heißt für jeden mindestens eine Kugel Eis mehr!) und ab dem Moment, in dem ich auf dem Rad sitze, fängt der Kopf an abzuschalten. Einzig und alleine das laut Musikhören und Mitsingen im Auto vermisse ich manchmal.
Vom absoluten Sportmuffel, habe ich mich zu einer Person entwickelt, die sich gerne bewegt.
Nicht zuletzt spare ich Geld, das ich anderweitig investieren kann.
Ich behaupte nicht, dass es für alle passend ist und auch nicht, dass es niemals Situationen oder Lebensumstände gibt, in denen ein Auto gebraucht wird.
Ich habe, für mich, die Erfahrung gemacht, dass es weniger dramatisch ist, als ich gedacht hatte. Und ja, ich hatte im Vorfeld ganz schön Respekt vor dem, was wir uns da als Familie "aufhalsen" würden.
Die ersten vier Wochen mussten wir uns auch daran gewöhnen, dass die Dinge nun einfach anders laufen. Aber es geht. Es macht uns sogar Spaß.
Und nochmal ganz klar: Ich habe kein PRIVAT Auto mehr. Ich habe sehr wohl jederzeit Zugriff auf eine Carsharingflotte. Alle paar Wochen oder wenn ich auswärts arbeiten muss, komme ich darauf zurück.
Ich will damit auch nicht sagen, dass ihr jetzt alle euer Auto stehen lassen sollt. Es ist wie mit allem: Jede:r tut, was er kann. Wir haben ein strukturelles Problem, das wir nicht als Einzelpersonen lösen können.
Mir ist es dennoch wichtig, diese Erfahrung auch immer wieder zu teilen, weil es für mich damals wichtig war, immer wieder solche Berichte zu hören.
Das ist jetzt sehr lang geworden. Sorry dafür. Wenn du noch Fragen hast, stell sie gerne.
Wow, wie wundervoll geschrieben!
Solltest du auf Twitter oä sein, bitte unbedingt veröffentlichen!!