Falls das Verlinken nicht klappt, das wär der Anfang der ewig langen Seite:
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Sinn kann man nicht machen
So gut wie alles kann man im Deutschen mit dem Verbum machen verknüpfen: Man kann Spaß oder Ernst machen, ein Vermögen oder Liebe machen, Urlaub oder Probleme machen. Zwei Schwalben können einen Sommer machen und zwei mal zwei können vier machen. Etwas kann einem nichts machen, ja, sogar Unsinn kann man im Deutschen machen. Nur eines anscheinend nicht: Sinn machen.
Dennoch hat sich in den letzten Jahren die Wendung Das macht (keinen) Sinn in die deutsche Sprache eingeschlichen:
Das macht betriebswirtschaftlich nur dann Sinn, wenn …
Vorbemerkung und Abstract: Dieses Tutorial ist seit seinem Erscheinen sehr eifrig verlinkt und diskutiert worden. Gelegenheitsbesuchern, die darüber ihre Meinung abgeben möchten, ohne weder das Video gesehen noch den Artikel genau gelesen zu haben, möchten wir die Sache erleichtern, indem wir klarstellen, daß es hier nicht darum geht, ob die Wendung Sinn machen richtig oder falsch ist oder ob man es sagen darf oder nicht. Sollte sich dieser Eindruck bei Ihnen ergeben, dann exisistiert er nur in Ihrer Vorstellung. Wir gehen hier der Frage nach, warum es Sinn machen bis vor kurzem im Deutschen nicht gab, das heißt warum die Kombination dieser beiden Wörter dem Deutschen aus eigenem Antrieb unmöglich war.
Bei den meisten Deutschsprechern stößt diese Wendung allerdings auf Ablehnung. Sinn kann sich im deutschen Sprachbewußtsein ergeben, selbst herstellen, produzieren, machen kann man ihn nicht. Mit Leichtigkeit identifizieren viele die Wendung als Anglizismus oder als Amerikanismus, denn gerade die Amerikaner scheinen richtige Machertypen zu sein. Was wird in den USA nicht alles gemacht: make money, make love, make sense.
Wahr ist an diesem Eindruck, daß Sinn machen ein Anglizismus ist. Er stammt jedoch nicht aus Amerika, sondern aus Großbritannien und ist dort etwa zweihundertfünfzig Jahre alt.
Unwahr ist allerdings der Eindruck, das Englische wäre einer Machersprache. Wer das englische make sense mit Sinn machen eindeutscht, übersetzt die Bedeutung der beiden Elemente der englischen Wendung falsch und unterstellt ihnen etwas, was sie im englischen Sprachbewußtsein nicht haben. Denn weder deckt sich die Bedeutung von to make mit dem deutschen machen noch sense mit dem deutschen Sinn. Diese Begriffe sind false friends, Übersetzungsfallen der perfiden Art.
to make & machen
Wesentlich ist der Bedeutungsunterschied zwischen dem englischen to make und dem deutschen machen.
Birektionalität von machen
Das englische Verbum to make stammt vom altniederdeutschen makōn, denn das Englische ist in seinem Ursprung ein Steckling des Deutschen, genauer gesagt des Altsächsischen, dem wichtigsten Dialekt des Altniederdeutschen. Erst in mittelenglischer Zeit gewinnt der anglische Dialekt die Oberhand über das Gesamtenglische. Zudem liegt das Englische auf einem latino-keltischen Substrat.
Viele Verben besaßen im Frühmittelalter noch mehrere Aspekte oder besser Richtungen, in die sich die Handlung vollziehen konnte. Das sieht man heute noch sehr schön an dem false friend bekommen und englisch to become.
Das althochdeutsche bequeman schildert die Annäherung zwischen dem Subjekt (meist eine Person) und etwas anderem. Dabei konnte sich sowohl das Subjekt dem anderen nähern als auch umgekehrt das andere auf das Subjekt zukommen. Beide Sprachen haben die Fähigkeit des Verbums aufgegeben, beide Richtungen ausdrücken. So kommt beim deutschen Verbum bekommen das andere auf einen zu: Man erhält also etwas. Im Englischen ist es umgekehrt. Hier bewegt sich das Subjekt auf etwas anderes zu. Das andere ist also das Ziel der Bewegung und meist abstrakt. So bedeutet to become die Bewegung des Subjekts in die Zukunft, also werden.
Beim Verbum schaffen hat das Deutsche nicht eine der beiden Richtungen getilgt, sondern das Verbum in zwei Verben aufgesplittet. Im Sinne von erschaffen wird schaffen stark gebeugt: ich schuf. Das schwache Verb bedeutet dagegen, daß man wohingelangt: Ich schaffte es nicht ans Ziel.
Auch das Verbum machen ist bidirektional. Wie beim Bekommen hat sich das Deutsche schon sehr früh für eine Seite entschieden: das Machen, das Fabrizieren, das Herstellen, das Durchführen und das Vollbringen.
Diese Bedeutung bestimmt das Verbum machen im Hochdeutschen, das heißt dem Deutsch des Südens, beinahe ausschließlich. Zudem hat sich machen im Laufe der Zeit immer weiter ausgebreitet und Verben mit einst ähnlicher Bedeutung, wie zum Beispiel tun und wirken, an den Rand gedrängt.
Altenglisch macian