Alles Studium oder was?

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  • Hallo,


    in letzter Zeit stelle ich fest, dass es für diverse Berufe inzwischen Studiengänge gibt, die früher Ausbildungsberufe waren. Z. B. Hebammenwissenschaften, Gesundheitspflegewissenschaften, Polizeivollzugsdienstes. Früher waren das Ausbildungsberufe, die gibt es teilweise immer noch, teils nicht mehr.


    Ist das ein Trend? Mir erschließt sich der Sinn nicht so ganz. Somit ist aber auch logisch, dass immer mehr SuS versuchen auf Biegen und Brechen Abitur zu machen, die vorher vielleicht mit einem Realschulabschluss zufrieden gewesen wären. Doch wenn man für den Wunschberuf nun ein Studium braucht, wird es schwierig.


    Könnte mich jemand aufklären? :)

    Es ist unbedingt wichtig für kleine Kinder, ein geordnetes Leben zu haben.

    Besonders wenn sie es selbst ordnen dürfen.


    - Pippi Langstrumpf -

  • Das ist der Versuch die vielen Abiturienten in ehemalige Ausbildungsberufe zu bringen. Sie wirken dadurch aufgewerteter und sind somit attraktiver. Bei dem Nachwuchsmangel in vielen Bereichen ein weiterer Besuch diesen zu beheben.

    Es machen inzwischen einfach viel mehr Menschen Abitur als vor 30 Jahren.

  • Bei den Hebammenwissenschaften finde ich diese Seite erhellend: https://www.unsere-hebammen.de…akten-zur-akademisierung/


    Ich habe einige Jahre an einer Hebammenschule unterrichtet, vor der Abschaffung. Das, was ich curriculär habe unterrichten und prüfen müssen, war über Berufsschulniveau. Und ich denke, das was eine Hebamme macht und verantwortet (verantworten muss) rechtfertigt eine wissenschaftlich basierte Herangehensweise an den Beruf, und das wäre dann halt ein Bachelor.


    Es war auch vorher so, dass eigentlich alle Schülerinnen Abi hatten. Es sind auch jetzt noch 3 Jahre, und es gibt auch jetzt noch ausführliche Praxisphasen.

  • Aber es sind doch Berufe die unglaublich viel Praxis benötigen. Die zu studieren ist imho falsch.

    Und was bleibt dann für diejenigen, die kein Abitur machen (möchten)?

  • Hebammenwissenschaften werden an der Dualen Hochschule studiert, die haben viel Praxis.


    Und wenn ich mir überlege, wie oft ich völlig übermüdet Schülerinnen vor mir hatte, die dem Unterricht kaum folgen konnten, finde ich die neue Lösung eigentlich deutlich besser.


    Eine meiner Freundinnen ist ausgebildete Hebamme und hat jahrelang Hausgeburten gemacht in Karlsruhe. Sie studiert nun noch einmal, auch deshalb, weil sie studiert ein deutlich anderes Standing hat ggü Ärzten, denen gegenüber sie bei einer physiologischen Geburt NICHT weisungsgebunden ist. Aber sie wurde so behandelt.

  • Bei den Hebammenwissenschaften finde ich diese Seite erhellend: https://www.unsere-hebammen.de…akten-zur-akademisierung/


    Ich habe einige Jahre an einer Hebammenschule unterrichtet, vor der Abschaffung. Das, was ich curriculär habe unterrichten und prüfen müssen, war über Berufsschulniveau. Und ich denke, das was eine Hebamme macht und verantwortet (verantworten muss) rechtfertigt eine wissenschaftlich basierte Herangehensweise an den Beruf, und das wäre dann halt ein Bachelor.


    Es war auch vorher so, dass eigentlich alle Schülerinnen Abi hatten. Es sind auch jetzt noch 3 Jahre, und es gibt auch jetzt noch ausführliche Praxisphasen.

    Die Praxiserfahrung nahm deutlich ab gegenüber der ursprünglichen Ausbildung.

    Die bachelor arbeiten sind meist ein witz. Da werden oft Umfragen gemacht und ausgewertet, Rücklauf von ca. 20 bis 40 Fragebögen.

    Das ist statistisch völlig unbrauchbar.


    Ich habe neben der Hebammen Ausbildung auch medizinische Dokumentation und Informatik studiert.

    Eine Diplomarbeit ist natürlich umfangreicher als Bachelor, aber wenn der Unterschied so groß ist, ist das Studium Augenwischerei.


    Und mehr zahlen kannst den Berufsanfängerinnen mit Studium auch nicht. Das ist absolut nicht gerechtfertigt gegenüber Kolleginnen mit jahrelanger Erfahrung.


    Wem soll das was bringen?


    Ich sehe echt schwarz für den Beruf.

  • Gerade Hebamme ist für mich der Beruf, bei dem die Ausbildung jetzt nur nachgeholt hat, was es vorher schon war, mehr als ein reiner Lehrberuf.


    Bei anderen Studiengängen bin ich hingegen oft auch skeptisch. Wenn jetzt auch gewisse Berufsausbildungen mit Bachelor/Master abschliessen wollen, komme ich mir mit meinem altmodischen Unistudium schon etwas veräppelt vor.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Ich finde es grundsätzlich gut, wenn Berufe aufgewertet werden. In der Ausbildung, in der Anerkennung, in der Bezahlung.

    Ich selber bin Erzieherin, meine Ausbildung vor über 20 Jahren, war inhaltlich eher ein Witz und deutlich komprimierbarer. Das hat sich jetzt geändert, hat aber immer noch Potenzial.

    Aber das meiste habe ich in der Praxis, von guten erfahrenen Fachkräften gelernt.


    Ich mache mir nur Sorgen, was denn noch für diejenigen bleibt, die einfach nicht gut in der Schule sind, ob sie es jetzt leistungstechnisch nicht schaffen oder das System Schule ablehnen. Für viele Menschen ist es wirklich schwer einen HA oder RS Abschluss zu schaffen. Was für Berufe bleiben dann noch für diejenigen? Es kann doch nicht alles studiert werden.

  • Ich mache mir nur Sorgen, was denn noch für diejenigen bleibt, die einfach nicht gut in der Schule sind, ob sie es jetzt leistungstechnisch nicht schaffen oder das System Schule ablehnen. Für viele Menschen ist es wirklich schwer einen HA oder RS Abschluss zu schaffen. Was für Berufe bleiben dann noch für diejenigen? Es kann doch nicht alles studiert werden.

    Ich bin mir nicht sicher, ob sich durch (duales) Studium statt Ausbildung daran was ändert.

    Wir bilden Fachinformatiker aus, schon seit Jahren. Es sind immer Abiturienten, oft mit abgebrochenem Studium (sprich, Interesse da, aber Studium war zu theoretisch). Unser Ausbilder bekommt jedes Jahr auch andere Bewerbungen und meint, das Niveau reicht halt schlicht nicht, um die Ausbildung zu schaffen. Zudem ist ein Abiturient im Schnitt 3-4 Jahre älter, somit etwas reifer und weiss hoffentlich besser, was er/sie will.

    Ich glaube, bei der Polizei war die Abiturientenquote auch nicht gerade niedrig (bei Hebammen weiss ich es nicht), je nach Bereich. Da geht mit einem Quali sicher auch schon seit zig Jahren nix mehr.

    Worauf ich hinaus will - diese Tendenz Richtung Studium gilt ziemlich sicher vor allem für die Berufe, die vorher schon eine sehr hohe Abiturientenquote hatten.

    Edit: anderes Thema, eine Ausbildung wird bezahlt (leider mit manchen Ausnahmen), ein Studium nicht. Das ist der Punkt, der mir an dem ganzen nicht gefällt.

    LG H. mit J. (volljährig) und S. (Teenie)

  • Das ist in der Pflege auch so

    Die Kolleginnen können zwar Studien lesen und auswerten, aber praktisch am Bett kann kaum jemand arbeiten.

    Außerdem ist es (zumindest bei uns) ganz oft so dass die Kolleginnen das Studium der Ausbildung vorziehen, um dann eben nicht mehr an Brett arbeiten zu müssen..

  • Jo. Man braucht aber Leute am Bett die was können und arbeiten und nicht noch mehr schreibtischtäter;innen

  • Einen großen Vorteil bei der akademisierten Ausbildung sehe ich darin dass die Lehre in Hände von Menschen gelegt wird die ausbilden können (sollen), also auch pädagogische Ausbildungen haben.

    Das was ich teilweise erlebe in der Ausbildung von krankenpflegeschülerInnen, HebammenschülerInnen etc. sollte es auf keinem Schiff geben.

    Da ist Ausbildung teilweise die Weitergabe von "das macht man halt so, haben wir immer schon so gemacht ".

    Schokojunkie mit Töchtern (5/07 und7/09)

  • Bei manchen beiden (Hebamme) mag das vielleicht sinnvoll sein. Wenn der Praxisbezug sichergestellt ist.


    Ich bestehe dennoch nicht, weshalb z.B. genau die von Susan Sto Helit erwähnten nun akademisiert werden?


    Mir erschließt sich der Sinn immer noch nicht. Teilweise wird dann ein Mangel an Bewerbern beklagt.


    Der Anteil der Abiturienten in Ausbildungsberufen steigt seit Jahren. Kein Wunder, da immer mehr Betriebe Abitur fordern.


    In meinem Job kommen auch nur noch Abiturienten zum Zuge. Und nein, das heißt nicht, dass sie das besser können oder die Ausbildung inhaltlich schwerer geworden wäre.


    Erzieher:in - auch ein Ausbildungsberuf, mit beginnender akademisierung.


    Ich verstehe nicht, was man damit erreichen will.

    Bei dem Trend werden irgendwann die Hälfte der Berufe (vielleicht außer Handwerk) akademisiert sein.

    Es ist unbedingt wichtig für kleine Kinder, ein geordnetes Leben zu haben.

    Besonders wenn sie es selbst ordnen dürfen.


    - Pippi Langstrumpf -

  • Ich kenne mich da nicht genau aus, aber so ganz am Rande war das hier mal Thema und zumindest in Hessen ist Erzieherin eine schulische Ausbildung? 🤔 Es hiess, dauert lange und null Einkommen. War zumindest vor 5 Jahren so, da hat J. Ein Praktikum gemacht.

    LG H. mit J. (volljährig) und S. (Teenie)

  • Ich verstehe nicht, was man damit erreichen will.

    Bei dem Trend werden irgendwann die Hälfte der Berufe (vielleicht außer Handwerk) akademisiert sein.

    Ein Erklärungsansatz könnte die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie sein.


    In einem der Ziele (ich glaube, es ist 4.1 oder so) geht es nämlich um genau das: 55 % der 30 bis 34-jährigen sollen bis 2030 einen tertiären oder postsekundären nicht tertiären Abschluss haben. Was auch immer das genau bedeutet. Ich habe ja den Verdacht, das versteht kein Mensch so ganz genau, und ein Hochschulstudium ist ein tertiärer Abschluss, also schubst man pauschal mal alle in die Richtung.

  • Meine eigene Erfahrung sagt, dass ein Beruf nicht nur dadurch aufgewertet wird, dass er akademisiert wird. Die Bezahlung der AbsolventInnen mit Studienabschluss ist genauso mies wie der mit Ausbildungsabschluss und wer nicht wissenschaftlich, sondern praktisch arbeiten will, der hat vom Studienabschluss rein gar nichts außer viel Zeit, Geld und Energie investiert. Für mich hat es sich als Fehlentscheidung herausgestellt einen ehemaligen Ausbildungsberuf zu studieren und ich arbeite letztlich in dem Beruf, den ich zuvor in einer stinknormalen dualen Ausbildung gelernt habe und verdiene damit weit mehr.

  • Ich denke bei vielen Ausbildungen ist es durchaus gerechtfertigt, dass die sie auf akademische Ebene gehoben werden, bzw. die Ausbildung ausgeweitet wird – es gibt ja auch immer wieder neue Erkenntnisse. Allerdings habe ich seit dem Bologna-Prozess (der meiner Meinung nach ganz und gar nicht zu einer internationalen Vergleichbarkeit beigetragen hat) den Eindruck, dass die Akademikerquote einfach auf Biegen und Brecher erhöht werden soll – warum auch immer. Mein Cousin zum Beispiel hat eine HTL – (technische berufsbildende Schule mit Abitur) gemacht und hat schon 5 Jahre lang gearbeitet und dann bekam er auf einmal einen Bescheid zugeschickt, dass er jetzt einen Bachelor Grad hat… Weil man den anscheinend mit HTL und mind. 3 Jahren Berufserfahrung bekommt… Wenn ich das mit den Lehrern vergleiche: Die brauchen Abitur und müssen hier dann mindestens 4 Jahre Vollzeit studieren, um ihren Bachelor zu bekommen. Ich erkenne die Sinnhaftigkeit dahinter einfach nicht.

  • Nun ja, ich frage mich, wie aufgewertet sich Leute durch einen Studienabschluss fühlen, wenn irgendwann mehr als jede:r 2. einen hat. Dann ist das doch auch nichts Besonderes mehr. Es gibt ja jetzt auch schon Studiengänge, die eher belächelt werden. Dann werden das eben noch ein paar mehr, die nicht ernst genommen werden. Und dass die Qualität des Studienabschlusses deutlich besser ist als die der (ehemaligen) Ausbildung wage ich zu bezweifeln. Zumindest jetzt. So schnell kann man doch keine. qualifizierten Lehrer:innen finden, die unterrichten


    Ähnlich sehe ich das mit der Abiturquote. Die liegt jetzt schon bei 51% und soll geschätzt in 20 Jahren bei 70% liegen.


    Ich nehme eher an, dass man das Leistungsniveau absenkt, damit die Quoten, die man erreichen will, auch erreichen kann.

    Es ist unbedingt wichtig für kleine Kinder, ein geordnetes Leben zu haben.

    Besonders wenn sie es selbst ordnen dürfen.


    - Pippi Langstrumpf -