Artikel in der "Presse" zum Thema Gewalt in der Erziehung - ich bin entsetzt!

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  • Sorry, ich noch mal (nerve ich euch???), aber ich bin gerade über einen Artikel von Matthias Völchert gestolpert, der perfekt zu unserer letzten Diskussion hier passt. Er hat das, was ich irgendwie im Kopf hatte aber nicht sortiert zu Papier zu bringen vermochte, wunderbar in Worte gefasst, wie ich finde:


    Willensstark oder schlecht erzogen?


    Schöner Artikel. Gefällt mir, diese Ansichten und entspricht in etwa unserem Umgang mit den Kindern.
    Ich wünschte mir nur, dass andere, am Leben meiner Kinder beteiligte Leute das mal zu lesen bekämen.....*seufz*

  • Danke Kiwi!
    Ich habe gerade unseren täglichen Wahnsinn von dir in sehr schöne Worte gefasst gelesen.
    Ich hatte auch ganz andere Vorstellungen, aber mein großer Sohn hat mich vieles neu überdenken lassen. Und auch wir waren am Ende, haben uns Hilfe geholt und haben jetzt das Mobile wieder ausgerichtet.
    Das war echt schön formuliert.

    mamaraupe (*1973) mit paparaupe (*1969), großer raupe (*06/06), und kleiner raupe(*02/10)

  • Ich habe mir mein Familienleben GANZ ANDERS vorgestellt als es ist, viel lockerer, harmonischer, weniger stressig, mit mehr Aktionen und Ausflügen, die meinen Kinder selbstverständlich ganz toll finden würden und mich Abends beim (natürlich harmonischen) ins Bett bringen mit dankbaren augen anstrahlen würden und morgens mit einem fröhlichen Jodeln aus dem Bett springen würden, mein Mann und ich Hand in Hand mit seeligem Blick auf unsere uns unendlich glücklich machenden Kinder, unserer kleine Familie als unschlagbares Team...tja...und dann habe ich festgestellt, dass ich nicht in Bullerbü lebe und auch nicht "Connys" perfekte Mutter bin und der kerl eben auch nicht der perfekte Vater...sondern dass wir mit unseren Kindern einen ganz anderen weg gehen müssen, wir gehen den nicht immer gern und es gibt immer mal Abende wo ich mit Tränen in den Augen auf der Couch sitze und denke" Scheixxe, so hab ich mir das alles nicht vorgestellt"...aber meistens bin ich zufrieden, wir meistern das gut und legen so langsam unsere Unsicherheit ab, auch wenn es manchmal noch pieckst...

    Oh ja, diese Illusionen hatte ich auch mal. #augen Da macht man einen tollen Ausflug und erwartet so ein Fernsehwerbungsstrahlen und Schulterklopfen, was für eine tolle Mama man doch ist und welch' grandiose Idee der Ausflug ist. Und wie ich dann so Freude strahlend auf mein Lob des Tages warte, schaut mich mein Kind nach einer Minute missmutig an und fragt, wann wir denn wieder nach hause fahren.... :D .


    Meine Große ist ein sehr kooperatives Kind, meistens zumindest. Ich habe mir damals tatsächlich insgeheim auf die Schulter geklopft. #pfeif Tja, und dann kam die Hummel und hat mir ganz schnell beigebracht, dass dieses Pseudo-perfekte Erziehungsmodell ganz schnell und ganz einfach auszuhebeln ist. :D Und ich musste feststellen, dass nicht ich das bei der Großen so toll gemacht habe, sondern, dass sie es mir schlicht einfach gemacht hat.

  • Hallo,

    Zitat

    Dass man die Persönlichkeit seiner Kinder akzeptiert ist eines. Aber muss man selbst daran zerbrechen? Sich selbst aufgeben um nu ja die eigenen Kinder nicht zu verbiegen? Es klingt oft so unheimlich anstrengend.


    Nein, verbiegen muss man sich nicht. Aber man kann sich selber durchaus ändern. Wenn ich merke, daß ein Mensch, der untrennbar zu meinem Leben gehört, bestimmte Bedürfnisse hat, kann ich permanent dagegen ankämpfen - oder die Situation annehmen und schaun, wie wir für uns beide einen gehbaren Weg finden. Der wird - wie wohl bei allen Eltern und Kindern - mal aus Nachgeben, mal aus Verständnis haben, mal aus fest bleiben... bestehen. Nur oft an anderen Stellen als bei andren Familien.


    Simples Beispiel: Ich kann bestimmte Tischsitten bei 2-3-jährigen einfordern und darauf bestehen und einen permanenten Kamp führen, weil MEIN Kind nicht leisten kann, was "alle anderen" leisten können (stillsitzen, nicht kaspern, nicht in die Butter beißen z.B.) oder ich kann den Tisch entsprechend gestalten, den Hochstuhl so umbauen, daß mein Kind alleine hoch und runter und auch im Stehen essen kann, ich kann die Butter abdecken, ich kann akzeptieren, daß es auch mit 3 meist auf meinem Schoß sitzt und so ein chaotisches, aber friedliches Essen haben.


    Für MICH wäre z.b. der Dauerkampf mehr "verbiegen" weil ich einfach von Grund auf kein Typ bin, der gerne mit Kindern "kämpft".


    Dafür bestand ich an anderen Stellen durchaus auch auf meinem Willen (z.b. wenn es um das Tragen von Fahrradhelmen ging)


    Ich kenne auch Familien, bei denen ich dazu neige zu denken, warum machen sie es sich und ihrem Kind so schwer? Erwartungen, die ich nicht für altersgerecht halte und die das Kind nicht erfüllen KANN, "Konsequenz, die aus meiner Sicht nur Härte ist usw.


    Andererseits, je älter ich werde, desto schwerer fällt es mir, mir aus dem was ich sehe, ein Urteil zu fällen. dann ich sehe ja nur einen Bruchteil der Wirklichkeit. So wie andere nur einen Bruchteil von dem sehen, was unsere Familie ausmacht. Ja, vermutlich haben sie dann öfter gedacht, unsere Kinder wären schlecht erzogen. ODER sie wären supergut erzogen, auch das gab es. Nur eben nichts dazwischen.


    Hm, ich hoffe nicht, daß es so rüberkommt, als hätte ich unter meinen Kindern gelitten. Ich fand - und finde! - sie eigentlich immer toll, es macht Spaß mit ihnen, ist herausfordernd und spannend.


    Es ist nur eben ... anders.


    Was die Vorstellungen vom Familienleben angeht - ich hatte mir z.B. immer so toll vorgestellt, wie sie nach einem harmonischen Abendritual glücklich im Bett liegen und ich erzähle Einschlafgeschichten. Oder wie wir abends zusammensitzen, ich lese vor, die Kinder hocken um mich rum und hören zu ...


    Ins Bett bringen? Meine Kinder haben mir recht schnell beigebracht, daß nur sie und kein anderer darüber zu bestimmen hat, wann sie ins Bett gehen. Nämlich dann, wenn sie müde sind und nicht dann, wenn die Uhr eine bestimmte Zeit zeigt.


    Nun ja, vorgelesen habe ich. Zugehört haben sie auch. DAS war´s aber auch schon an Ähnlichkeiten. Denn dabei saß das eine Kind bei mir auf dem Rücken und kletterte von da auch meine Schulter, das andere hing kopfüber vom Sofa, das dritte rollte sich durch die Stube, das vierte saß - vielmehr turnte auf meinem Schoß und ich musste Kind und Buch gleichzeitig jonglieren. So war das an einem ruhigen! Abend.


    Lag das nun an meiner fehlenden Kooperationsbereitschaft?
    Wenn ich aufhören wollte (weil ich dachte, sie möchten vielleicht gar nicht vorgelesen haben), war der Protest groß, wie kann ich nur auf so eine Idee kommen? Ja, keine Ahnung, wie...


    Und obwohl sie sich in dem Punkt "Autonomie" extrem ähnlich waren, war die "persönliche Umsetzung" bei jedem Kind anders. Erfahrungen von Kind 1 ließen sich nicht auf die anderen übertragen...


    Ein Kind konnte nur manches an Kleidung tragen und verweigerte standhaft welchem, die ihm nicht gut taten (ganz normale Kinderkleidung, an der aber irgendwas war, was sie nicht aushalten konnte). Es hätte sich tatsächlich lieber nackt in den Kiga bringen lassen, wenn alles tragbare in der Wäsche war, statt sich da reinzwingen zu lassen. (zum Glück war ich da noch zu Hause und konnte das Kind daheim behalten).


    Ich hab´s letztens schon mal erzählt - einmal wollte ich es zum schneller anziehen motivieren, indem ich die Spieluhr aufgezogen habe und vorgeschlagen habe: "Wir schauen mal, wer schneller ist, die Spieluhr mit ihrem Lied oder du mit anziehen. Ich helfe dir!" Was antwortete dieses Kind: "Solse löden Spielsen leine spielen kannst!" (Solche blöden Spiele kannst du alleine spielen!)
    Da war das Kind 2 Jahre alt... und so ging das weiter.


    Und so weiter.


    Die Frage wäre, WENN es vorrangig an den Eltern liegt, dann - lag das an meiner mangelnden Kooperationsbereitschaft?


    Übrigens hat das bei uns nichts mit dem Sozialverhalten zu tun. So wie du das eine Mädchen beschreibst, daß keine Kompromisse beim Spielen eingehen will oder kann, sich die Ohren zuhält, wenn man mit ihr reden willusw. Du nennst sie "eins dieser gänzlich unkooperativen Kinder".


    Da kann ich meine Kinder überhaupt nicht wiederfinden. Bei ihnen schloss großes Autonomiebedürfnis was IHRE persönlichen Entscheidungen angeht gleichzeitig trotzdem ein sehr ausgeprägtes soziales Empfinden und eine große Kompromissfähigkeit ein. Dicht machten sie nur, wenn andere ihnen etwas aufzwingen wollten, wenn einer z.B. das komplette Spiel dominieren wollte. Da haben sie im wahrsten Sinne des Wortes "nicht mitgespielt".


    Den Artikel finde ich im Ganzen nicht schlecht. Lachen muss ich nur immer, wenn Stellen kommen wie "Kinder müssen aber auch lernen", "Eltern müssen aber auch vermitteln"... Wer solche Sachen schreibt, den würde ich mal gerne mit meinen Kindern als sie noch klein waren (jetzt sind sie ja schon groß) einkaufen schicken. Oder eine Arbeit für die Schule machen lassen, deren Sinn sie nicht einsehen. Oder mit einem 6-jährigen die deutsche Schulpflicht unter dem Aspekt der Menschenrechte zu diskutieren. Oder...


    Dann kann man mit hinterher gerne erklären, wie man das mit dem "Eltern müssen ihnen beibringen, dass ... "macht ;)



    Zitat

    Mir macht das immer ein bisschen Angst, wenn ich vom "täglichen Kampf" in anderen Familien lese und davon, wie viele Eltern regelmäßig bis an ihre Grenzen gehen. Sich aufzureiben zwischen zwei, drei oder vier Kindern, mit unterschiedlicher, teils starker, teils schwieriger Persönlichkeit, mit Lärm, Streit, Sorgen und Saustall im Haus und "nebenbei" auch noch den eigenen beruflichen Anforderungen. Das ist nicht meine Vorstellung von "Familienglück". Muss das so sein?


    Täglichen Kampf gab und gibt es hier.


    Aber nicht mit den Kindern sondern mit den Erfordernissen, die der Alltag so an uns alle stellt. Schon morgens pünktlich sein wenn 5/6 der Familie zur Gattung der Eulen gehört...
    Und ja, es sieht oft sehr Chaotisch aus. ABER - das war nicht anders als ich noch keine Kinder hatte. ICH bin von Grund auf chaotisch und habe ehrlich gesagt die Hoffnung aufgegeben, daß ich jemals mehr als eine "Alltagstaugliche Chaosminimierung" erreichen werde.


    Und meine Kinder sind sehr verschieden und oft war ich an meinen grenzen., Stimmt alles. wir sind also so ziemlich der Gegenentwurf zu dem, was DU dir unter glücklicher Familie vorstellst.


    Aber ich finde mein Leben die allermeiste Zeit trotz Anstrengung und gelegentlicher Verzweiflung wunderbar. Ich liebe meine Kinder so wie sie sind. Wenn ich sie mir anschaue, wen ich für ein ruhigeres und "glücklicheres" Leben hätte weglassen sollen, dann merke ich, daß da keines "zu viel" ist sondern ich lieber noch 2, 3 dazugehabt hätte. Nicht weil mir mit denen, die ich habe, etwas fehlt sondern weil sie so toll sind. Nicht toll im Sinne von brav, angepasst, ... ich weiß nicht, einfach so. Ohne Grund.


    Muss das so sein? Nein. Kann aber und kann trotzdem so und nicht anders "richtig" sein.

  • Trin, in sehr, sehr vielem, was du schreibst, kann ich mich auch selbst wiederfinden. Auch wir gehen so gut wie möglich auf die Bedürfnisse und die Persönlichkeit unserer Tochter ein - meist mit dem Ziel, es uns selbst leichter zu machen. Ich bin überhaupt nicht für das Austragen irgendwelcher Machtkämpfe gestrickt. Wenn ich täglich mit und gegen mein Kind kämpfen müsste, würde ich sicher sehr darunter leiden. Und vor allem, wenn ich das Gefühl hätte, dass mein Kind permanent meine eigenen Grenzen und Bedürfnisse ignoriert und verletzt. Ich behaupte aber, dass das schon alleine deshalb nicht passiert, weil ich "Ausweichmöglichkeiten" schaffe, Kompromisse und Alternative suche und anbiete, umgekehrt auch die Grenzen und Bedürfnisse meiner Tochter respektiere und erfülle und gleichzeitig aber auch da, wo es mir wichtig ist, deutlich meine Grenzen verteidige.


    Mal als Beispiel das von dir genannte Vorleseritual auf dem Sofa, bei dem mindestens eines deiner Kinder auf dir herumklettert: Ich turne und tobe durchaus gerne mit meiner Tochter, aber nicht immer. Ich bin auch mal müde, habe keine Kraft mehr, habe Rückenschmerzen, will eigentlich grad meine Ruhe oder kann mich schlicht nicht aufs Lesen konzentrieren, wenn jemand auf mir herumturnt. Und mein Kind wird ja auch immer größer und schwerer. Ich bin kein Packesel! Also kann es durchaus passieren, dass ich mich dagegen wehre, wenn mein Kind (ungefragt) auf mir herumklettert. Wenn ich das nicht will oder als unangenehm empfinde, mache ich das auch meiner Tochter deutlich klar. Das ist in dem Moment eine Grenze und ich will, dass sie diese Grenze einhält. Wenn sie dann beleidigt ist und mich für einen Spielverderber hält, bitte, soll sie. Wenn es mir wichtig ist, setze ich mich durch. An anderen Tagen wiederum lasse ich sie gewähren und halte gerne und geduldig als Kletterbaum her. Ich verbiete ihr das also nicht aus Prinzip und ich bin da auch nicht sehr konsequent und geradlinig. Das ist bei uns keine einheitliche Regelung ("Auf Mamas darf grundsätzlich nicht herum geklettert werden!") sondern eine höchst individuelle, von der jeweiligen Tagesform abhängige Entscheidung. Aber: Ich erlaube mir zu sagen, wenn ich gerade etwas nicht möchte! Das wäre etwas, was ich jetzt nicht grundsätzlich meinem Kind zuliebe "aushalten" würde, wenn ich merke, dass es mir selbst nicht gut tut.


    Bei vielen anderen Situationen bemühe ich mich um ähnlich kreative Lösungen wie du. Da muss man manchmal ein bisschen ausprobieren, bis man passende Wege gefunden hat, die das Kind auch annimmt. Beim Zähneputzen hatten wir irgendwann eine sprechende "Frau Zahnbürste" und ab da so gut wie nie mehr Diskussionen übers Zähneputzen sondern im Gegenteil viel Spaß zusammen. Beim Essen gibt es einige Tischmanieren, die mir wichtig sind (beide Hände auf dem Tisch, nicht "rumlümmeln", nicht schmatzen (ich reagiere total allergisch auf dieses Geräusch!)), dafür gibt es andere Regeln, bei denen ich problemlos großzügig sein kann (Kind muss nicht am Tisch sitzen bleiben, bis alle fertig sind, und ich helfe auch einer 6-jährigen gerne noch beim Schneiden, auch wenn ich weiß, dass sie es durchaus selber könnte, wenn sie denn wollte ...). Da ist mir der Frieden bei Tisch wichtiger als das Durchsetzen irgendwelcher Regeln. Bzw. diese Regeln hängen sehr stark davon ab, was mir (und meinem Mann) wirklich wichtig oder ein Bedürfnis ist. Mich stört es wie geschrieben tatsächlich sehr, wenn jemand schmatzt (ich reagiere auf nahezu alle Geräusche sehr empfindlich, auch z.B. auf Schnarchen oder Nase hochziehen), und ich kann es auch nicht leiden, wenn man mit dem Essen nicht auf mich wartet und finde das unhöflich. Wir fangen gemeinsam an zu essen, wenn ALLE am Tisch sitzen. Das sind Regeln, die mir - ganz persönlich - sehr wichtig waren, und die ich deshalb auch durchgesetzt habe. Anderen ist so etwas vielleicht nicht so wichtig. Menschen sind eben verschieden, Eltern auch.


    Und Anziehen: Auch hier haben wir festgestellt, dass es bei unserer Tochter wunderbar funktioniert, wenn wir uns um die Wette anziehen. Ihr ist es auch furchtbar wichtig, dabei möglichst immer zu gewinnen. Und für mich ist es kein Beinbruch, bei diesem Spiel mitzumachen - und sie von mir aus auch gewinnen zu lassen. #augen


    Das meinte ich mit "kooperativen Eltern". Man sollte nicht nur von den Kindern Entgegenkommen verlangen (aber auch!), sondern umgekehrt auch seinen Kindern entgegen kommen. An welchen Stellen die Eltern sich "durchsetzen" und auf ihre eigenen Regeln pochen und an welchen Stellen sie Kompromisse eingehen und dem Kind zuliebe auch mal Fünfe grade sein lassen, das muss jede Familie ganz individuell für sich selbst aushandeln. Und das hängt in großem Maße natürlich auch von der jeweiligen Persönlichkeit des Kindes (aber auch der der Eltern) ab. Je autonomer und willensstärker mein Kind ist, desto mehr muss ich ihm vielleicht entgegen kommen. Und umgekehrt: Desto mehr Kraft und Stabilität benötige ich auch selbst, um meine eigenen Grenzen zu wahren und die (wenigen) Regeln durchzusetzen, die mir wichtig sind.


    Leider gelingt es beileibe nicht allen Eltern, da ein gesundes Gleichgewicht hinzubekommen. Und ich bin auch ganz ehrlich: Ich weiß nicht, ob ich es bei mehr als einem Kind genauso gut hinbekommen würde, ein solches Gleichgewicht zu finden, wie wir es aktuell in unserer Familie haben. Das ist eine Angst, die mich immer wieder umtreibt ... und mich bislang auch davon abgehalten hat, ein zweites Kind in die Welt zu setzen ... #schäm #angst :S

    Es gibt nichts das höher, stärker,
    gesünder und nützlicher für das Leben ist,
    als eine gute Erinnerung aus der Kindheit.

    - Fjodor M. Dostojewskij -


  • Entschuldige Manna, aber all das was du beschreibst geht vielleicht super mit 1 (kooperativen) !! Kind bei 2 oder wie bei Trin 4 Kindern oder einen wirklich unkooperativen Kind , ist das schlicht nicht drin.


    Um beim Bsp. des Vorlesens zu bleiben, wäre mein erster Impuls auch ok wenn ich nicht möchte das auf mir herum geturnt wird mache ich eben die Ansage, dass ich nicht lese wenn geturnt wird...logische Konsequenz für das Kind...aber das sind noch mehr Kinder die gerne Vorgelesen bekommen, entferne ich nun nur das eine wird es bei einem unkooperativen Kind AUF JEDEN FALL Theater geben und das Vorlesen ist für alle anderen auch hin. Daher ist man da ganz sicher bei mehreren Kindern eher bereit eine persönliche grenze ein wenig auszuweiten als wenn sich die Konsequenz nur auf eines beziehen würde.


    Du kannst dich auch nicht mit einem Kind um die Wette anziehen, wenn du gleichzeitig noch 1-3 andere Kinder hast um die Du dich kümmern musst...nebst der tatsache das meine Große (die hatte ich ja nun 4 Jahre allein, also ohne die Schwester) sich darauf nie eingelassen hätte...wenn sie keine Lust hatte sich anzuziehen konnte man sie nicht mit noch so kreativen Spielchen herausfordern.


    Das sind alles die tollen Ideen die man in der Kita gerne von selbst kinderlosen Erzieherinnen bekommt oder Bekannten (in unserem Fall gerne die kinderlosen Onkels und Tanten, oder meine beste freundin mit ihrem süßen Sohn) die man gerne mal in solchen Alltagssituationen alleine lassen würde mit den Kindern.


    Das alles funzt einfach bei wirklich autonomen (ich mag gerne mal von dem eher negativ konotierten begriff unkooperativ weg) nicht oder nur in sehr geringem Maße, dass hast du ja auch slbst schon angemerkt...es ist einfach eine andere Nummer und wenn man solche Kinder hat ist das alles deutlich zäher, selbst wenn man versucht kooperativ und kreativ zu sein.


    Zitat

    Je autonomer und willensstärker mein Kind ist, desto mehr muss ich ihm vielleicht entgegen kommen. Und umgekehrt: Desto mehr Kraft und Stabilität benötige ich auch selbst, um meine eigenen Grenzen zu wahren und die (wenigen) Regeln durchzusetzen, die mir wichtig sind.

    das ist ne heisse Nummer und extrem schwierig, denn oftmals heisst stabil die eigenen Grenzen zu wahren genau das was Du als unkooperativ bezeichnest.


    Ich kann meine Tochter nicht einmal beim Vorlesen auf mir klettern lassen und beim nächsten mal eben nicht...das wird sofort hintergfragt und wenn diese Grenze einmal durchbrochen ist...tja, dann wird das ja wohl auch noch ein zweites mal gelingen, d.h. für uns, dass es tatsächlich rel. starre Regeln gibt, es gibt nicht so wahnsinnig viele, denn ich muss mir, wie Trin schon sagte, sehr deutlich überlegen welche Regeln wirklich wichtig sind und wo ich evtl schlicht Vermeidungsstrategien fahre aber eine Regel muss dann auch eine bleiben. Denn selbst jahrelang bestehende Regeln werden von meiner Tochter immer wieder hinterfragt und es wird mit einer unglaublichen Hartnäckigkeit immer und immer wieder versucht (teils auf unglaublich raffinierte Weise) diese Regeln zu umgehen.


    Ich glaube es ist schwierig sowas zu erklären...vielleicht kann man das nur verstehen wenn man ein solches Kind hat (ist gar nicht böse gemeint)...aber die meisten Strategien, die bei entgegenkommenderen Kindern funktionieren funktionieren bei solch autonomen Kindern nicht.


    Trins Spieluhr-Wettkampf-Bsp. beim anziehen, würde bei unserer Kleinen sofort funktionieren, da hätte sie Spass dran, ebenso die "Frau Zahnbürste". Bei der Großen hätte das nicht geklappt. Der habe ich das wundervolle Bilderbuch "Auch Drachen müssen Zähne putzen" vorgelesen als sie mit 2,5 eine "Ich will nicht Zähneputzen Phase hatte"...fand sie toll, das Buch...aber danach wollte sie dennoch nicht Zähne putzen und hat mich darauf hingewiesen , dass ich doch sicher wisse, das das nur eine Geschichte sei und es Drachen gar nicht in echt gäbe und die daher auch nicht Zähne putzen müssen....dem Zahnarzt (ihr Onkel) (wir dachten vielleicht wenn er ihr erklärt wie wichtig es sei, glaubt sie es) hat sie gar nichts geglaubt :" Mama der S. ist verrückt, der putzt einem Plastikkrokodil die Zähne"...


    Kiwi


    Kiwi

  • Hallo,,


    Zitat

    Ich turne und tobe durchaus gerne mit meiner Tochter, aber nicht immer. Ich bin auch mal müde, habe keine Kraft mehr, habe Rückenschmerzen, will eigentlich grad meine Ruhe oder kann mich schlicht nicht aufs Lesen konzentrieren, wenn jemand auf mir herumturnt. Und mein Kind wird ja auch immer größer und schwerer. Ich bin kein Packesel! Also kann es durchaus passieren, dass ich mich dagegen wehre, wenn mein Kind (ungefragt) auf mir herumklettert. Wenn ich das nicht will oder als unangenehm empfinde, mache ich das auch meiner Tochter deutlich klar. Das ist in dem Moment eine Grenze und ich will, dass sie diese Grenze einhält. Wenn sie dann beleidigt ist und mich für einen Spielverderber hält, bitte, soll sie. Wenn es mir wichtig ist, setze ich mich durch.


    Das ist ein schönes Beispiel. Das was du von dir schreibst, trifft im Grunde genau die Meinung, die meine Mutter immer wieder äußerte: "Da musst du eben mal ein Machtwort sprechen!" (Sprich, dich durchsetzen). Es legt nur an mir/ uns.

    WARUM um alles in der Welt denkt jeder, daß man nicht auch diesen Weg ausprobiert hätte? Und grandios gescheitert ist und DARUM nach anderen Wegen sucht...???


    Weil eben DOCH die Eltern prinzipiell schuld sind, wenn Kinder anders sind als man erwartet? Weil es nur daran liegen kann, daß die Eltern nicht dir richtigen Ideen haben, nicht konsequent genug sind - oder zu konsequent?


    Dann stehst du nämlich vor der Tatsache,: ENTWEDER kämpfe ich permanent - ICH hätte ja dann keinen Bock mehr auf Vorlesen, die Kinder auch nicht, ODER Du lässt das Vorlesen gleich ganz.
    Oder du akzeptierst, daß dein Kind sein Bestes tut, daß es nicht anders KANN - und liest trotzdem vor. Weil du gerne vorliest und dein Kind es auch liebt. Und weil du DARUM das herumklettert gar nicht mehr soo schlimm findest. Weil andere Dinge wichtiger sind.


    Was das Zähneputzen angeht - glaub mir, ich habe eine lange Liste von Ideen und Spielchen, sprechende Zahnbürsten sind da nur eins unter vielen. Und trotzdem gab es Tage, an denen nichts half und ich vor der Frage stand: Gewalt anwenden (richtig massive wäre nötig gewesen) oder heute mal lassen.


    Und natürlich gab es beim Essen auch Regeln - beim Essen rumspringen hätte es bei uns z.B. nicht gegeben, jeder blieb am Tisch so lange die Tischkerze brennt - WENN er vom Entwicklungsstand her dazu in der Lage war. WO (Stuhl, Schoß, ... war zweitrangig)


    Wenn Ansziehspiele bei euch klappen - wunderbar. MEINE Kinder hätten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Manipulationsversuch dahinter gerochen - und dann recht frei und selbstbewusst darüber entschieden, ob sie mitmachen wollten. Manchmal ja - das waren die Tage, an denen es wohl auch ohne problemlos gegangen, manchmal Nein - und dann?
    (Die Klamotten reden und wollen einen "warmen Bauch zum kuscheln"o.ä. hat einem Kind Spaß gemacht, ein anderes hätte mich vermutlich schon mit 2 angeguckt als wäre ich deppert. )


    Und so weiter.


    Für mich klingt es so, als müsse man nur "richtig wollen" und die richtigen Wege finden und alles ist easy. Daß es also doch an den Eltern liegt, die sind nur nicht kreativ genug, nicht ausreichend "kooperativ" im Sinne von "Mittel und Wege finden, das Kind "hintenrum spielerisch" doch zu dem zu bringen, was ICH will. Klappt bei den meisten Kindern die meiste Zeit sicher auch.


    Aber eben nicht bei allen. Bei manchen Kindern muss man lernen, daß "Kinder ernst nehmen und respektieren" eben nicht immer mit mit "nicht schimpfen sondern spielerisch zu meinem Ziel manipulieren und zur Not mal eine klare Ansage machen" zu ersetzen ist.


    Aber genau DAS sind die Momente, wo ich mich früher sch.... gefühlt hätte. Zum einen, weil mein Kind nicht tickt wie andere - und zum anderen, weil andere das als MEIN Versagen sehen. Egal, was sie behaupten und das Gegenteil behaupten., spätestens wenn Erklärungen kommen, wie man eine Situation "meistern" könnte oder daß man sich auch mal durchsetzen müsse... ist doch klar, daß sie innerlich denken, ich wäre zu blöd, selber auf solche Ideen zu kommen bzw. sie "funktionierend" umzusetzen.


    Daß es ganz oft anders war, ruhig, harmonisch, kreativ, liebevoll unter den Geschwistern.... sahen die anderen ja nicht, sie sahen nur Momentaufnahmen, in denen meine Kinder mit einer Situation überfordert waren und nicht leisten KONNTEN - auch nicht mit einem "Machtwort" - was erwartet wurde. Dann ist es leicht, sich zu denken "Also ICH würde XY tun und schon liefe das".


    DAS war eigentlich immer das Schlimmste daran. Ich brauchte keine Pseudo-Bewunderung ala "Toll daß du aushältst, (unterschwellig mitzuhören: was ICH mir nie von meinen Kindern bieten lassen würde, denn ICH mache YX, setze mich durch...".
    Und das hat dazu geführt, daß ich immer wieder von MEINEM Weg abgekommen bin und versucht habe, sie "passender" zu machen. Und jedes Mal wurde es unschön für uns alle.


    Vielleicht ist es gut, daß meine ersten beiden Kinder so vehement waren. So war es irgendwqann für mich normal, daß Kinder eben doch nicht so manipulierbar sind, wie ich bis dahin dachte. Ich bin nämlich Erzieherin und habe freundlich ohne zu Meckern eine Gruppe von 21 Dreijährigen leicht dazu gebracht, zu tun, was dran war und konnte die Erziehungsprobleme mancher Eltern nicht mal ansatzweise nachvollziehen - zu Hause wurde das mit einem Kind zur Herausforderung. Aber dadurch hatte ich eben auch nie Angst vor der eventuellen Persönlichkeit eines nächsten Kindes, weil ich es völlig normal fand, daß ich darauf eingehen muss.


    Das war für mich anstrengend, aber nichts beängstigendes oder schlimmes. Denn die Kinder sind wie sie sind ganz wunderbar, bereichernd,... Auf keins würde ich verzichten wollen, nur weil es stark ist und ich gezwungen bin, mich weiterzuentwickeln.
    Und sie sind die besten Lehrmeister, die man haben kann, wenn es um die Akzeptanz anderer Meinungen, die Wahrnehmung der eigenen Grenzen und den Umgang damit, Selbstkontrolle... geht.


    Dieser Thread ist mMn ein wunderschönes Beispiel dafür, wie es einem im "realen Leben" geht, wenn die Kinder etwas ... speziell sind. Selbst die Leute, die einem prinzipiell wohlwollend gegenüberstehen und auch Verständnis für sagen wir mal ETWAS wildere und willenstärkere Kinder haben, denken trotzdem, in den Ausschnitten, die sie mitbekommen dann daß es doch an mangelnden Erziehungsfähigkeiten/Ideen liegt und können im Grunde nicht glauben, daß so etwas einfach nicht funktioniert. #ja Das ist überhaupt nicht böse gemeint. Wie gesagt, nach meinem 3. Kind war ich ja für ein Jahr oder so ähnlicher Meinung ... ;)

  • Danke Kiwi, danke Trin -ihr schreibt mir aus der Seele.


    aber ich habe mir unser Familienleben nie so rosa-rot ausgemalt - ich kann mich noch erinnern, wie oft meine Mutter gesagt hat, sie wünscht mir auch solche Kinder wie ich es bin. #pfeif (so viel zu den kooperativen Eltern)
    und ich habe auch einen deutlich jüngeren Bruder - der genauso ein Dickkkopf war wir meine Kinder jetzt sind.


    Manna du nervst nicht, aber vielleicht darf ich dir für einen Tag meine Schuhe leihen.
    Einer Kiga-Bekannten wäre ich aber beinahe ins Gesicht gesprungen. Sie schildert voll Verständnis die Anzieh-Trotz-Anfälle ihrer Tochter (nach dem meine grad eine bühnenreife Vorstellung davon geliefert hatten und mit dem Bus abgefahren waren), und dass sie sich kaum noch aus dem Haus traute mit ihr ... Und die Geschichte abgeschlossen hat mit dem Satz "Das waren die schlimmsten 2 Wochen meines Leben!" #kreischen #kreischen #kreischen


    dass sie zu zweit sind macht es natürlich nicht direkt einfacher, aber meistens bin ich froh, dass sie beide (auf ihre eigene Art) autonome Kinder sind, und ich nicht eins vorm anderen "schützen" muss.
    Ich liebe meine Kinder UND manchmal treiben sie mich in den Wahnsinn - Ihr Dickkopft bzw. ihr Jähzorn ist einfach ein Teil von ihnen, den ich manchmal mit mehr manchmal mit weniger Geduld annehmen kann. ich kann diesen Teil nicht "wegerziehen" noch so tun, als wär er nicht da.

  • Zunächst mal: Ich will und wollte niemanden kritisieren oder behaupten, ihr würdet es falsch machen und ich mache alles besser. Ich schrieb ja: Das ist MEIN individueller Weg, der zu MEINEM Kind und zu mir passt. Und ich hab mein Kind auch nicht mit Bedienungsanleitung geliefert bekommen und musste erst suchen und probieren, was denn bei uns funktioniert und was nicht. Und nur, weil solche Spiele oft oder meistens gut klappen, heißt das nicht, dass das IMMER so ist. Selbst bei meiner kooperativen Tochter gibt es Tage, an denen sie nur auf Widerstand gepolt ist. Und wie bei Trin: Ja, auch ich würde dann nicht mit massiver Gewalt aufs Zähneputzen bestehen, sondern es dann in dreiherrgottsnamen eben mal ausfallen lassen. Solche Momente, in denen meine Tochter größtmöglichen Widerstand geleistet hat, haben mir aber immer wieder auch gezeigt, dass es wichtig ist, sein Kind auch ernst zu nehmen. ich kann wieder nur für MEIN Kind sprechen (nach wie vor ohne Vergleichsmöglichkeiten), aber wenn die mal ihre Kooperation verweigert, dann gibt es fast immer auch einen Grund dafür. Etwa wenn sie partout nicht zum Schwimm- oder Turntraining oder in den Kindergarten wollte, Zeter und Mordio geschrien und sogar geheult hat. Da hätte ich selbst mit aller Konsequenzen und Härte nichts ausrichten können, auch wenn ich im ersten Impuls oft erst mal etwas verzweifelt und wütend ob der plötzlichen und außerplanmäßigen Weigerung war. Aber wenn ICH es dann geschafft habe, mich wieder zu beruhigen, meinem Kind nicht mit Widerstand sondern mit Verständnis zu begegnen, sie zu trösten und ernst zu nehmen, statt sie unter Druck zu setzen, und wenn irgend möglich auf ihre Forderung einzugehen - sprich Kindergarten oder Training an diesem Tag dann eben mal ausfallen zu lassen (dieses Privileg hatte ich gsd meistens), dann hat sie da so unglaublich dankbar und erleichtert drauf reagiert und sich umgekehrt sofort wieder mit größtmöglicher Kooperationsbereitschaft bedankt. Weil sie WIRKLICH einen Grund hatte, warum sie nicht wollte. Und weil es ihr gut tat zu sehen, dass ich sie ernst nehmen und im Zweifelsfall auf IHRER Seite stehe.


    Und was das Beispiel mit dem Klettern betrifft: Ich rede von MEINEN persönlichen Grenzen, die freilich ganz woanders liegen als bei anderen Müttern. Wenn mein Kind mich ohne Vorwarnung von hinten anspringt, mit inzwischen über 20 Kilo auf mir rumklettert, mir dabei in die diversen Weichteile tritt, ich mich kaum noch aufrecht halten kann und vor Kreuzschmerzen losheulen möchte, dann KANN ich da keine Rücksicht auf mein Kind nehmen. Das ist ein Moment in dem sie auf MICH Rücksicht nehmen muss. Ja muss! ich bin auch nur ein Mensch. Und in dem genannten Beispiel geht es um sehr konkrete, körperliche Grenzen, darum dass sie mir weh tut und meine Kraft nicht ausreicht (wir hatten schon ein paar solcher Situationen, deshalb erwähne ich das hier). Da reagiere ich dann auch einfach nur noch, ganz ohne pädagogischen Hintergedanken, und lasse einen lauten und deutlichen Brüller fahren, dass sie SOFORT von mir runter soll! Wenn mir jemand mit dem Absatz auf die Zehen tritt, "erdulde" ich das ja ganz sicher auch nicht!


    Aber Trin, wenn an dir ein vielleicht etwas kleineres und leichteres Kind herumklettert und du dabei sogar noch in der Lage bist, weiter zu lesen, dann ist das doch ok. Wenn du für dich entscheidest, dass du das grad akzeptieren kannst, dann tu es. Ich unterstelle niemandem, dass er zu schwach wäre, notwendige Grenzen zu ziehen und ich sage auch nicht, dass alle Eltern die gleichen Grenzen ziehen müssen. Ich rede davon, die eigenen Grenzen wahr und ernst zu nehmen. Und es ist dein gutes Recht dich zu wehren, wenn deine Kinder zu weit gehen. Nicht mehr und nicht weniger. Ich habe z.B. überhaupt nichts dagegen, wenn meine Tochter auf dem Sofa hüpft. Andere Eltern kriegen da die Krise. Ich werde allerdings nervös, wenn meine Tochter beim Spielen ständig gegen die Wand donnert (das dröhnt durchs ganze Haus) und gehe dazwischen. Für andere Eltern ist das normaler "Kinderlärm", die nehmen das schon gar nicht erst zur Kenntnis.


    Wie gesagt, menschen sind verschieden, Eltern auch. Jeder hat andere Grenzen, andere Dinge die ihm wichtig sind oder ihn stören. Im Zusammenleben mit den eigenen Kindern gilt es, diese Grenzen - die eigenen und die des Kindes! - herauszufinden, auszuloten ob und welche Grenzen evtl. verschiebbar sind (das was Trin mit "weiterentwickeln" meinte) und Wege zu finden, wie alle Beteiligten die Grenzen des jeweils anderen möglichst wahren können.


    Und ja, Kiwi, du hast recht, ich kann mich in das Zusammenleben mit einem autonomen Kind wirklich nur schwer hinein versetzen. Mir begegnen solche autonomen Menschen (Erwachsene) auch im Alltag manchmal und ich komme meist nur schwer bis gar nicht mit ihnen zurecht. Für mich wäre es wohl die größtmögliche Herausforderung - oder die größtmögliche Katastrophe - wenn ich ein solches Kind hätte.


    So wie du deine Große beschreibst, klingt sie nach einem unglaublich pfiffigen, klugen, starken Kind, was ich absolut positiv finde. Ich wäre stolz auf ihre Argumentationsfähigkeit und die Fähigkeit, Dinge zu durchschauen und zu hinterfragen. So weit, so toll. Sobald diese Autonomie aber in Egoismus und Rücksichtslosigkeit umschlägt, bekomme ich allerdings Probleme. Erst recht wenn noch andere Familienmitglieder vorhanden sind, die darunter leiden.


    Im Alltag mit einem solchen Kind würde ich aber wohl sicher sehr schnell ein Gespür dafür bekommen, wie viel Kooperation, Entgegenkommen und Rücksichtnahme sie zu leisten in der Lage ist - und das auch entsprechend honorieren. Sie wird wohl kaum 24/7 mit dem Kopf durch die Wand wollen (oder doch???), sondern auch "nachgiebigere" Momente haben.


    Mir sind Fähigkeiten wie Empathie, Rücksichtnahme, Respekt und Toleranz anderen gegenüber sehr wichtig. Wichtiger sogar als Durchsetzungsvermögen, um ehrlich zu sein. Ich bin auch selbst ein eher nachgiebiger, harmoniebedürftiger und konfliktscheuer Mensch. Deshalb sage ich ja, dass ich mit einem sehr willensstarken, autonomen Kind, das regelmäßig meine Grenzen und die der anderen verletzt, große Probleme hätte. Aber sofern sie von Haus aus mit einem Frontallappen im Gehirn ausgestattet ist (das Empathiezentrum im Gehirn), sehe ich durchaus Möglichkeiten, auch einem autonomen Kind so etwas wie Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen und Teamfähigkeit zu vermitteln. Auf welche Weise das allerdings gelingen kann, da gibt es sicher kein Pauschalrezept.


    Ich persönlich neige dazu, sehr vieles zu verbalisieren. Auch das funktioniert garantiert nicht bei jedem Kind und schon gar nicht immer. Ich darf auch keine unmittelbare Reaktion oder "Erfolg" erwarten. Aber im Normalfall sind Kindern ihre Eltern wichtig und sie interessieren sich auch für deren Meinung. Dass, was Eltern zu ihren Kindern sagen, kommt fast immer auch an, und wird auf die eine oder andere Art auch "verarbeitet".


    Wie gesagt: Jede Familie hat ihre ganz eigenen Herausforderungen und ihre ganz eigenen Wege, damit umzugehen. Wenn sich euer Weg für euch und für eure Kinder gut und richtig anfühlt, dann seid ihr zu beglückwünschen, egal was Außenstehende sagen oder denken oder vermeintlich anders bzw. besser machen würden. Wenn aber das Gefühl überwiegt, dass das Gleichgewicht in der Familie nicht mehr funktioniert und dass einer oder mehrere beteiligte Familienmitglieder leiden, dann muss man zwangsläufig darüber nachdenken, was man ändern kann, damit es allen Beteiligten wieder besser geht.


    Übrigens, weil supergreen was von "Jähzorn" schrieb: Ich war selbst so ein jähzorniges Kind, hatte als kleines Kind teilweise üble Aussetzer, wenn ich in Rage (oder besser gesagt: an meine Grenzen) geriet. Bei mir war das aber nicht Teil meiner Persönlichkeit oder Ausdruck meiner eigenen Autonomie. Ich war nie ein übermäßig willensstarkes Kind. Oder vielleicht wäre ich eines gewesen, aber mein Vater lies das nicht zu. Bei mir waren diese Ausbrüche Ausdruck purer Verzweiflung und Hilflosigkeit gegenüber der extremen Willensstärke meines Vaters. Das Gefühl "falsch" zu sein und nicht verstanden zu werden hat in mir eine Art "Selbsthass" ausgelöst, die sich in massiven Wutanfällen und aggressivem, teilweise gewalttätigem Jähzorn und sogar Selbstverletzungen geäußert hat. Wenn man es mit einem solchen Kind zu tun hat, sollte man einen derartigen Hilferuf tunlichst ernst nehmen und nach Hilfe suchen bzw. das eigene Verhalten überdenken. Was ich DRINGEND gebraucht hätte, wäre ein kooperativer und einfühlsamer Vater gewesen. Vielleicht reagiere ich auch deshalb so sensibel auf dieses Thema ...

    Es gibt nichts das höher, stärker,
    gesünder und nützlicher für das Leben ist,
    als eine gute Erinnerung aus der Kindheit.

    - Fjodor M. Dostojewskij -

  • Eine Freundin von mir z.B. ist oft nur am Maulen und Stöhnen über ihre beiden vermeintlich anstrengenden und unkooperativen Kinder. Ich denke schon, dass sie sich manchmal einfach etwas seelisch-moralischen Beistand von mir wünscht, dass ich ihr einfach mal zustimme und signalisiere, dass ich ihre Probleme verstehe und sowas auch kenne. Dass Eltern sich auch mal gegenseitig ausjammern wollen, ist ja legitim und nachvollziehbar. Aber leider kann ich vieles von dem, was sie mir berichtet, tatsächlich nicht nachvollziehen. Das mag z.B. einen daran liegen, dass ich ein Einzelkind habe und somit schon mal die typischen und nervenaufreibenden Geschwisterstreitigkeiten bzw. die Doppelbelastung im Alltag durch zwei noch relativ kleine und sehr unterschiedliche Kinder wegfallen. Das gebe ich zu und da maße ich mir auch gar keine Vergleiche an. Zum anderen glaube ich aber tatsächlich, dass viele ihrer Probleme "hausgemacht" sind und eine Frage der eigenen Einstellung dem Kind gegenüber. Ich kenne ihre beiden Kinder ja auch und habe sie schon oft in den verschiedensten Situationen erlebt. Und auch Streit und Knatsch habe ich miterlebt. Ich sehe ihre Kinder dennoch ganz anders als sie. Ich finde, sie hat zwei zauberhafte, wundervolle, sozial kompetente und durchaus kooperationswillige Kinder, die sich einfach nur viel zu oft missverstanden oder überfordert fühlen, und dagegen dann - verständlicherweise - rebellieren. Nur leider kann ich ihr diesen "anderen" Blick auf ihre Kinder irgendwie nicht vermitteln. Es ist aber auch furchtbar schwer, andere Mütter zu "kritisieren" oder zu "beraten", ohne ihnen auf die Füße zu treten. Und das steht mir ja auch eigentlich gar nicht zu ... :S


    (Übrigens, was mir auch schon oft aufgefallen ist: Wenn Mütter sich über die Sturheit und Dickköpfigkeit ihrer Kinder beschweren, sind sie meist selbst genauso stur und trotzig, merken es aber nur vielleicht nicht oder fühlen sich damit im Recht ...)


    So, genug Hypothesen für heute, ich muss wieder was arbeiten (so viel zum Thema "Disziplin" ... #schäm ).


    Ich muss hier mal reingrätschen, echt.


    Weißt du, ich hatte auch mal eine Freundin mit drei Kindern, die auch über diese "ablästerte" wegen ständigem Streit etc. Als ich kein Kind hatte konnte ich es nicht nachvollziehen, als ich eines hatte auch nicht. Hab sie nicht ernst genommen. Habe ihre Kinder auch nicht so wahrgenommen...


    Tjaaaa, bis jetzt! Ich schäme mich dafür dass ich sie nicht ernst genommen habe denn ich habe hier genau das gleiche. Natürlich sind die Kinder anders wenn Besuch da ist oder man irgendwo zu Besuch ist. ABER: ich kann die beiden großen kaum 5 min allein lassen bis sie auch ärgern, schubsen oä. Und weißt du was das schlimmste ist? Kommentare wie "ach komm, kann doch nicht so schlimm sein!" Gab ehrlich, zum Kotzen ist das #sauer


    Mit meinem Erstgeborenen wäre hier auch alles easy. Aber in Kombi mit seinem Bruder #kreischen
    Ins Gesicht beißt man nicht, man beißt auch nicht durch Shirt, Body und Strumpfhose BLUTIG! Der kleinere dem großen. Und ja, dass man das nicht macht, damit fühle ich mich im Recht.

    Unsere Boygroup: Flitzekind 09/2011, Flitzebaby 02/2013 und Robinson Freitag 08/2014 #herz

  • Hallo,


    Ich denke, man kann bestimmte Dinge nicht vermitteln. Es reicht auch nicht, wenn man sie (bei andren) mal ERlebt hat. Man muss sie leben, um sie zu verstehen.


    Ich musste z.B. selber erst erleben, DASS es Kinder gibt, mit denen alles weitestgehend easy ist und bis auf ein paar kleine Spielerein alles einfach so läuft. Vorhaer habe ich nämlich aus MEINER Erfahrung ganz ernsthaft geglaubt, Eltern mit solchen "gefügigen" Kindern müssen zu Hause ganz harte Maßnahmen anwenden, damit die Kinder so brav sind. Ich gebe zu, mir taten die Kinder teilweise sogar leid, weil ich dachte, sie dürften einfach nicht Kind sein... #schäm


    Andersrum kann man eben auch nicht vermitteln, daß es Kinder gibt, bei denen ein ein paar nette Spielerein alle Probleme lösen können.


    Was mir auffällt - du hast in deinen Postings oft "Kooperation" verwendet, wo ich eher Manipulation sehe.
    Nämlich immer dann, wenn es darum geht, daß dein Kind das tut, was DU (bzw. irgend ein Erwachsener) möchte.


    Kooperation wäre für mich: Man findet einen gemeinsamen Weg, einen Kompromiss. Man sucht gemeinsam andere Sachen raus, schaut wo wann nackt sein möglich ist, damit man "Weil ich es eben will"-Kämpfe ausschließen kann. Man macht ein Anziehspiel, weil man weiß, dem kind machen solche Spiele Freude...


    "Ich mache ein Anziehspiel, damit das Kind sich anzieht weil ICH es will und in der Geschwindigkeit, die ICH will" - ist in meinen Augen keine Kooperation, auch nicht von Elternseite aus, sondern Manipulation und manipuliert werden.


    Das lässt sich im Leben mit Kindern nicht immer vermeiden, aber dann sollte man schon ehrlich zu sich sein und sich eingestehen, daß man echte Kooperation an der Stelle gar nicht will sondern nur einen möglichst kampffreien Weg SEINEN Willen (den des Erwachsenen) durchzusetzen.


    Den meisten Kindern wird das völlig egal sein. Meine haben solche bewussten oder auch unbewussten Manipulationsversuche sofort erkannt (oft sogar eher als ich selbst) und entsprechend reagiert. Ja, cih habe tatsächlich mal versucht, mit Belohnungssysthemen zu arbeiten, weil mir alle Welt einredete, Kinder wie meine bräuchten das. Das Ergebnis? "Gut, dann will ich eben XY (das eigentlich erwünschte versprochene) gar nicht mehr haben. Also muss ich jetzt auch nie mehr (mich abends schnell umziehen, XY tun ..." Und das dann auch durchgezogen. Wie gesagt, schon mit 2 oder 3. Da hab ich es schnell wieder gelassen. Meine Mutter )eigentlich eine wirklich tolle Oma!!!), die meinte Kinder müssten doch manipulierbar sein, hat es wieder und wieder versucht und ist jedes einzelne Mal auf die oben beschriebene Weise gescheitert - in dem Falle war sie irgendwie lernressistent ;o)


    Die Vorstellung, daß sich ein kleines Kind mit größtmöglicher Kooperationsbereitschaft für Verständnis bedankt ist für mich z.B. recht befremdlich.


    Zitat

    Ich persönlich neige dazu, sehr vieles zu verbalisieren. Auch das funktioniert garantiert nicht bei jedem Kind und schon gar nicht immer. Ich darf auch keine unmittelbare Reaktion oder "Erfolg" erwarten. Aber im Normalfall sind Kindern ihre Eltern wichtig und sie interessieren sich auch für deren Meinung. Dass, was Eltern zu ihren Kindern sagen, kommt fast immer auch an, und wird auf die eine oder andere Art auch "verarbeitet".


    Glaubst du, das tun andere nicht? Ja, klar, daß was ich sage kam in ruhigen Situationan an und wurde "verarbeitet". Aber - es gibt offenbar Kinder, die in der Lage sind, daraus ihre ganz eigene Meinung zu bilden, die NICHT mit der der Eltern übereinstimmen muss.


    "Lauf hier nicht barfuß, ich finde es zu kalt und es könnten Scherben herumliegen". "- kommt an, klar. Das Kind darauf: "DU findest es kalt und hast darum Schuhe an und mir IST es nicht kalt. Und ich habe Augen und wenn ich doch in eine Scherbe trete, dann ist es mein Fuß der weh tut.".
    das Kind zu bitten, nicht bei Tisch herumzuhibbeln wäre ähnlich erfolgversprechend gewesen wie das Kind zu bitten, nur noch einmal pro Minute zu Atmen. Es KONNTE eine solche Bitte nciht erfüllen, auch wenn es das gerne getan hätte.


    Und warum meinst du, daß ich mir alles gefallen lasse? Was lässt dich annehmen, daß ich meinem Kind NICHT sage, wenn es mir weh tut und mich entsprechend schütze?
    Und wer sagt denn, daß meine Kinder NICHT emphatisch, sozial respektvoll und tolerant wären? #confused
    Empatisch sein und bei einer Art Praktikum bei eisigem Wetter einem frierenden Schulkameraden die Handschuhe zu geben und selber mit eiskalten Händen weiterarbeiten ist eine Sache - sich vehement zu weigern, eine Jacke und Schuhe anziehen, weil ANDERE es zu kalt finden aber doch eine völlig andere.
    Andere mit ihren Besonderheiten annehmen und bewusst sozial außenstehende aus der Klasse einzubeziehen (einzuladen z.B.) ist die eine Sache, sich "pädagogischen Maßnahmen" wie Belohnungen zu verweigern eganz ine andere.


    Wenn ein Kind seinen starken Willen darauf verwendet, Jugend musiziert-reif ein Instrument zu spielen einen Sport auf Leistungssportniveau zu betreiben. dann finden die meisten Rundrum toll. Und haben Verständnis dafür, daß die Eltern einen Teil ihres Lebens darauf ausrichten, dieses Kind zu begleiten. Sie bekommen sogar noch Anerkennung dafür.


    Verwendet ein Kind die gleiche Willenskraft darauf, seine persönliche Autonomie zu wahren und sich nicht manipulieren zu lassen, dann finden die meisten das negativ und es wird doch immer irgendwie ein Grund gesucht, WARUM sie so sind und ob man es nicht doch anders hinkriegen kann.


    Ach, ich merke, daß ich schon wieder in den alten "Ich verteidige mich und meine Kinder"-Modus rutsche. Dabei habe ich mir irgendwann mal vorgenommen, daß ich das gar nicht mehr nötig habe. Denn meine Mokkasins habe ich bisher immer selber getragen und mein Mann die seinen...

  • Flitzpiepe, du hast aber auch noch drei sehr kleine Kinder. Dass mit dem Hauen, Schubsen, Beißen würde ich da noch als "alterstypisch" einstufen. In dem Alter ist es noch schwer, mit Geschwistern klar zu kommen, ganz besonders wenn man a) die Eltern eigentlich am liebsten noch für sich selbst beanspruchen würde und b) die Möglichkeiten zur Kommunikation bzw. geeignete Konfliktlösungsmöglichkeiten noch gar nicht vorhanden sind.


    Und mit einem "Ach komm, so schlimm wird es schon nicht sein." würde ich das auch niemals abtun. Im Gegenteil: Drei so kleine Jungs mit relativ geringem Altersabstand (wenn ich das deiner Sig richtig entnehme), das ist Herausforderung PUR, selbst wenn die Kinder an sich (einzeln betrachtet) eigentlich durchaus "handzahm" sind. Da geht es einfach drum, dass die Bedürfnisse von allen dreien altersbedingt noch so stark sind, dass man ihnen gar nicht immer allen gerecht werden KANN. Da hilft denke ich nur Zähne zusammen beißen und durchhalten, bis sie etwas größer sind. #taetschel


    Was das mit meiner Freundin betrifft: Ich bin da recht häufig zu Besuch und bekomme keineswegs nur die Sonntagsgesichter der Kinder zu sehen. Solche Sachen, dass es z.B. keine klaren Regeln, Zeiten oder Absprachen bezüglich Fernsehkonsum gibt. Die Eltern schalten das Gerät nach Gusto ein (und auch wieder aus), nutzen die Flimmerkiste auch gerne mal, um die Kinder zu "parken", wenn sie grad ein paar Minuten Ruhe brauchen. Gut, das finde ich sogar in Maßen durchaus legitim, ich habe den Fernseher schon auch mal als "Babysitter" missbraucht. Aber wenn die Kinder gerade gebannt vor der Glotze hocken und die Eltern plötzlich entscheiden, dass es jetzt genug ist und mitten in der Sendung, ohne Absprache oder Vorankündigung einfach den Fernseher ausschalten, dann müssen die sich aber auch nicht wundern, wenn die Kinder mit einem Tobsuchtsanfall reagieren. Nur dass sie dann ihre Kinder für deren Reaktion schlecht macht!


    Oder der kleine Bruder reißt seiner Schwester ein Spielzeug aus der Hand, woraufhin diese sich natürlich wehrt und das Spielzeug versucht zurück zu bekommen bzw. mit ihrem Bruder anfängt zu streiten. Und die Reaktion der Eltern? "Stille Treppe" für die Tochter, weil sie ihren Bruder "angegriffen" hat, statt ihm "wehrlos" das Spielzeug zu überlassen. Und die Stille Treppe (eine Erziehungsmethode, von der ich so rein gar nichts halte) auch noch im Beisein von Gästen (nämlich mir)! Wie demütigend, beschämend und ungerecht sich das für das Mädchen angefühlt haben muss, mag ich mir kaum vorstellen. Und dann beklagt sich die Mutter, dass die Tochter sich weigert, mit ihr zu reden und so "stur" wäre. Ja bitte, aber wie soll man denn bei so einer Mutter reagieren? Sie sagt auch ganz konkret, dass sie in solchen Streitsituationen gar keine Lust hat, mit ihren Kindern zu diskutieren oder zwischen ihnen zu vermitteln, sondern dass es ihr einfach nur darum geht, die Streithähne zu trennen und für Ruhe zu sorgen. Sie hilft ihren Kindern kein Stück dabei, "bessere" Lösungen zu finden, miteinander zu reden, sich zu einigen, zu teilen, abzuwechseln, gemeinsam zu spielen, Kompromisse zu finden, ... das sind alles soziale Kompetenzen, die man nirgends so gut üben und trainieren kann, wie mit Geschwistern. Aber dafür brauchen Kinder auch ein bisschen Anleitung und Hilfestellung. Und gerechte Eltern!


    Oder anderes Beispiel: Die Tochter ist unheimlich hilfsbereit und nimmt sich z.B. in der Schule gerne Schwächeren an oder versucht dort zwischen zwei streitenden Mitschülern zu schlichten und zu vermitteln. Was ich enorm bewundernswert finde, zumal für dieses Alter und augenscheinlich ohne entsprechendes Vorbild durch die Eltern (kann mich aber auch täuschen). Und auch um ihren Bruder kümmert sie sich oft liebevoll oder beschützt ihn, wenn er gerade Hilfe braucht und alleine ist. Es ist also nicht so, dass die beiden unentwegt nur streiten und sich nicht leiden können. Ich habe meine Freundin versucht darauf aufmerksam zu machen, wie verantwortungsvoll ihre Tochter mit dem kleinen Bruder umgeht, dass sie bemerkenswerte soziale Eigenschaften besitzt und dass sie da ein ganz tolles Mädchen hätte. Ich würde so gerne mal von ihr hören, dass sie ihre Tochter genauso toll findet und stolz auf sie ist. Mehr noch: Die Tochter SELBST würde das so gerne mal von ihr hören. Aber statt dessen widerspricht sie mir: "Ach ja? Na, davon merke ich hier zuhause aber nicht viel! Hier ist sie die reinste Kratzbürste und Zicke." Schon das tat mir weh. Nicht nur, dass sie die positiven Eigenschaften ihres Kindes abstreitet, sondern dieses auch noch beleidigt. :(


    Ja, sicher gibt es auch andere Momente. Es gibt auch durchaus vieles, was ich an meiner Freundin als Mutter bewundere (sie bleibt z.B. oft erstaunlich ruhig und gelassen, kann im größten Chaos einen kühlen Kopf bewahren und ist ein wahres Organisationstalent). Und sicher gibt es auch viele Situationen, in denen ihre Kinder und ihr Alltag wirklich einfach nur anstrengend sind und sie selbst einfach mal ein bisschen Zuspruch bräuchte. Aber so insgesamt fehlt mir bei ihr einfach ganz oft der liebevolle und positive Blick auf ihre Kinder. Viele guten Eigenschaften (etwa dass der kleine Bruder sich stundenlang ohne Quängeln alleine beschäftigen kann) werden oft als selbstverständlich betrachtet. Ich glaube manchmal wirklich, sie weiß gar nicht zu schätzen, was für tolle Kinder sie eigentlich hat. So ist zumindest mein subjektiver Eindruck von außen.


    Auf der anderen Seite sehe ich natürlich auch, dass die Eltern sich sehr viel Mühe geben, oft lustig sind und vieles mitmachen, den Kindern viel Freiraum und viel gesunde Förderung angedeihen lassen und ihnen auch viel Zeit widmen, und dass beide - Vater und Mutter - super als Team funktionieren. Wahrscheinlich ist es auch einfach eine Typsache, dass meine Freundin lieber meckert als lobt. Typisch Schwabe eben: "Net g'schumpfe is gnuag g'lobt." :D

    Es gibt nichts das höher, stärker,
    gesünder und nützlicher für das Leben ist,
    als eine gute Erinnerung aus der Kindheit.

    - Fjodor M. Dostojewskij -

  • Ja, habe ich. Aber der Mini macht ja noch nix #freu und sonst sind die Jungs wie jedes Geschwisterpaar.


    Und in einem Tobsuchtsanfall stecke ich auch denjenigen ins Kinderzimmer wenn ich mit Worten nicht mehr zu ihm durchdringe. Das ist eigentlich nur beim mittleren und so war er schon immer. Nur das er sich jetzt natürlich auch selbst verletzt oder andere verletzen will.


    Das beißen war nicht aus einem Streit raus, er hat einfach gebissen. Ich dass daneben 8I


    Sorry, ich wollte nicht so angreifend rüberkommen aber im Moment ist es zum #kreischen

    Unsere Boygroup: Flitzekind 09/2011, Flitzebaby 02/2013 und Robinson Freitag 08/2014 #herz

  • Ganz ohne böse zu wollen, manna, wirklich , aber ich fürchte man kann das Leben mit einem autowomen Kind glaub ich wirklich, wirklich nur verstehen wenn man eines hat.


    Es sind rund herum tolle Kinder, ganz häufig mit einem tollen Sozialverhalten, argumentativ sehr stark und unglaublich integer, aber Du machst Dir keine Vorstellung davon WIE anstrengend der ganz normale Alltag mit diesen Kindern ist. Der ganze Tag ist eine Achterbahn der Gefühle (nicht nur auf Seiten der Kinder) und man selbst immer in Verteidigungsstellung, bereit das eigene Verhalten zu verteidigen, bereit die Kinder zu verteidigen, bereit seine eigenen Grenzen zu verteidigen...und ja, ich muss manchmal echt mit mir kämpfen wenn ich zum 100mal erklären muss dass 3°C Jackenwetter ist, auch wenn P. Nicht friert.


    Natürlich kann das auch mal witzig sein, wenn P. z.B. ihrer Lehrer in eine von allen Schülern ihrer Klasse unterschriebene Petition vorlegt, dass die Schule eine Stunde später starten soll...Nicht witzig ist der Wutabfall darüber dass die Schule trotzdem nicht später startet....


    Und ja, ich gestehe, wenn ich selber eine anstrengende Woche im Job hatte und auch noch fiel auffangen muss weil der Joe auch noch zu irgendwelchen Auswärtsterminen mehrere Tage weg ist, da wünsche ich mir manchmal einfach nur das P. funktioniert und ich nicht All es ausdiskutieren muss. Da entfleucht mir auch mal ein “ich wünschte zu Hause wär sie aber weniger zickig“ wenn die Nachmittagslehrerin mich darauf hinweist dass sie ihrer Klassenkametading bei den Hausaufgaben geholfen hat...


    Kiwi

  • Nur kurz, aber ich wollte zumindest auf deinen letzten Beitrag noch mal antworten, Kiwi: Ja, ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Und ich denke, dass du und Trin und supergreen genauso wie vermutlich die meisten Eltern autonomer Kinder durchaus mit euren Kindern kooperiert. Eben auf ihre ganz persönliche Weise, so wie es diese Kinder brauchen.


    Wenn ich noch mal kurz das Beispiel mit dem Anziehen aufgreifen darf (was Trin als "Manipulation" bezeichnete): Meiner Tochter geht es in dem Moment nicht darum, dass sie sich nicht anziehen will, sondern sie hat vielmehr ein anderes, aus ihrer Sicht wichtigeres Bedürfnis: Sie will lieber spielen! Das Anziehen ist lästig und kostet wertvolle Spielzeit. Muss aber trotzdem sein. Ergo versuchen wir einen Weg zu finden, wie wir dem Bedürfnis unserer Tochter entgegen kommen und sie trotzdem rechtzeitig und vollständig bekleidet aus dem Haus befördern können. Z.B. indem wir etwas früher aufstehen und zusätzliche Spielzeit einplanen und/oder indem wir aus dem Anziehen selbst ein Spiel machen. Bei meiner Tochter funktioniert das (meistens), weil wir auf diese Weise ihrem Wunsch und ihrer Persönlichkeit entgegen kommen (im Übrigen schlägt SIE immer das Wett-Anziehen vor, ich sehe darin tatsächlich keine Manipulationen sondern einfach nur einen sehr gelungenen Konsens). Wenn deine Tochter auf solche Spielchen aber keinen Bock hat, dann liegt bei ihr offenbar ein anderer Grund bzw. ein anderes Bedürfnis zugrunde. Ergo muss man ihr auch eine andere Lösung anbieten. (Dass es nicht einfach ist, immer eine passende Lösung zu finden, das bezweifle ich gar nicht).


    Aber egal - mich hat diese Diskussion hier jedenfalls sehr bereichert und ich wollte mich dafür noch mal bedanken.


    Gute Nacht! :)

    Es gibt nichts das höher, stärker,
    gesünder und nützlicher für das Leben ist,
    als eine gute Erinnerung aus der Kindheit.

    - Fjodor M. Dostojewskij -