9-jährige schreibt an die Zeit (Rassismus in Kinderbüchern)

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  • Ich denke, man muss das sehr genau differenzieren:
    Ist es wirklich Thema in dem Buch, dass Schwarze als "Wilde im Busch mit Baströckchen" oder als "Negersklaven" wahrgenommen werden? Dann hat diese Darstellung durchaus Berechtigung und ist wichtig! Das sind dann aber keine Bücher für ganz kleine Kinder (KiGa-Alter), sondern für größere, mit denen man darüber reden muss: "Schau, früher dachten die Menschen, dass ..., weil sie z.B. noch keine Menschen kannten, die anders aussahen. Was für ein Glück, dass sich das geändert hat."
    Ähnlich sehe ich das mit den Rollenklischees.


    Indizieren oder ändern wäre hier fatal, denn damit bereinigen wir eine Vergangenheit, die dadurch vergessen wird.


    In der kleinen Hexe ist das aber kein Thema. da wird nur beiläufig das Neger-Wort erwähnt und als vollkommen normal betrachtet und damit im kindlichen Wortschatz verankert. Es hat keinerlei Funktion im Text und kann ohne inhaltliche Veränderung in "Tiger", "Hund" oder "Polizistin" umgeschrieben werden. Das sollte dann auch so geschehen.

    Es gibt überall auch Gutes in der Welt.
    Selbst RTL hat Ninja Warrior!

  • Ich finde das ist genau der Knackpunkt: SOLL ein schwarzer Mensch in einer bestimmten Rolle dargestellt werden? - Dann hat die Begrifflichkeit und meinetwegen auch das Baströckchen seine Berechtigung, das würde ich aber keinem kleinen Kind unkommentiert vorlesen (s.a. Tom Sawyer etc.).
    Aber der gedankenlose allseits verbreitete Rassismus der aus völliger Selbstverständlichkeit nebenher in die Kinderbücher aufgenommen wurde - den finde ich weder schützenswert noch literarisch wertvoll.


    Es geht hier ja nicht darum, alte Ausgaben zu verbieten (und zu verbrennen, Zustände die von den Hütern der Literatur schon vorhergesagt werden nur damit man das Argument mit dem 3. Reich anbringen kann). Es geht darum aktuelle Neuauflagen vom gedankenlosen Rassismus vergangener Zeiten zu erleichtern.

  • Gedankenloser Sexismus - keine Ahnung. Dem bin ich aber auch noch nicht so oft begegnet.. denn der ist ja meist umfassender als nur ein leicht zu änderndes Wort. Es geht ja nicht darum, Bücher komplett umzuschreiben. Da sehe ich es wie Heterocephalus (wenn ich das richtig interpretiere) - Rollenklischees drin lassen und als vorlesende begleiten und kommentieren.


    Meine Mutter fand es früher ganz schrecklich dass ich gerne Hanni und Nanni und so einen Kram gelesen hab - steckt ja voller Rollenklischees. Aber mir war da schon klar, dass das Bücher einer anderen Zeit und einer anderen Gesellschaft sind - denn mein Leben war ja anders.


    Dass man aber "Neger" oder "Zigeuner" nicht benutzt ist meinem 3jährigen beim Vorlesen wohl eher nicht automatisch klar.

  • Genau, und was ist mit gedankenlosem Sexismus?
    LG
    Liesmie

    Siehe oben.
    Ab einem gewissen Alter/ Verständnis/ Fähigkeit zur Reflexion mit dem Hinweis, dass das früher üblich war.
    Wobei die Grenze da auch individuell ist: Manche betrachten es ja schon als sexistisch, wenn die Buchmutter Hausfrau ist und der Vater arbeiten geht.


    Grundsätzlich denke ich nicht, dass Kinder durch Literatur geprägt werden, sie nehmen das Gelesene nicht auf und eifern es nach.
    Das Problem ist auch sicher nicht, dass Kinder Rassisten werden, wenn sie "Neger" lesen. Das Problem ist, dass schwarze Kinder (Leser) ganz nebenbei beleidigt werden.

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  • Dass man aber "Neger" oder "Zigeuner" nicht benutzt ist meinem 3jährigen beim Vorlesen wohl eher nicht automatisch klar.

    Vor allem: Lies das mal einem Vorschulkind vor und erkläre dann: Aber das Wort sagen wir heute nicht mehr, früher war das üblich, aber heute ist das eine Beleidigung.


    Ich kenne auf Anhieb das neue Lieblingswort von 9 aus 10 Kindern #haare

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  • Muss doch gar nicht kompliziert sein, man kann doch einfach Maedchen- gegen Jungennamen umtauschen (aus Tom wird Annika und umgekehrt)? Wieso sind Rollenklischees ok und koennen beim Vorlesen kommentiert werden (oder eben nicht: DA sehe ich das Problem! Denn dann haengt es ja vom Vorlenden ab, ob eine Korrektur vernommen wird oder nicht), aber keine "Rassenklischees"? Warum ist es nicht genauso wichtig, dass sexistische Sichtweisen aus der Literatur verschwinden?
    LG
    Liesmie

    Your beliefs don't make you a better person, your behaviour does.

    • Offizieller Beitrag

    Grundsätzlich denke ich nicht, dass Kinder durch Literatur geprägt werden, sie nehmen das Gelesene nicht auf und eifern es nach.



    Meinst Du? Ich denke schon, dass auch Gelesenes einen Einfluss hat, ob vorgelesen oder selbst gelesen - dann womöglich illustriert...


    Ich habe mich mal beruflich etwas mit dem Thema auseinander gesetzt - wie Sprache, wie Bilder unser Bewusstsein prägen. Und bin seither vor allem bei Bilderbüchern wahnsinnig kritisch geworden.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Weil es die Vergangenheit verklärt, wenn wir Literatur ideologisch verschönern.


    Deshalb muss es immer absolute Nutzen-/Nachteilabwägung sein, Rassismus aus Büchern zu tilgen.
    Wenn ein Buch (selbst im Nachhinein) die Funktion erfüllt, auf den Rassismus einer Zeit/ Region hinzudeuten, dann wäre es fatal, dieses zu "bereinigen".

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  • Rollenklischees sind nicht "ok" und ich als Vorlesende steuer da natürlich (vor allem durch die Auswahl). Aber grundsätzlich stehe ich der "Umschreibung" bestehender Literatur schon kritisch gegenüber. Wenn es also allumfassend wird (wie bei Rollenverteilungen) dann finde ich NICHT dass man das im nachhinein "korrigieren" kann oder sollte (denn mal ehrlich, dann wird es ein anderes Buch. Dann kann man auch eine literarische "Neuverfilmung" machen). Aber beleidigende Ausdrücke die man früher "eben so benutzt hat" gehören für mich eben nicht in ein Kinderbuch #weissnicht

  • Meinst Du? Ich denke schon, dass auch Gelesenes einen Einfluss hat, ob vorgelesen oder selbst gelesen - dann womöglich illustriert...

    Es kommt vermutlich auf die Vielfalt an.
    Ich habe neulich noch mit einer Kollegin über eine Buchreihe gesprochen, die wir beide als Kinder geliebt haben.
    "Goldköpfchen" In den gefühlten 100 Bänden geht es nur darum, wie sehr das Mädchen vom Heiraten eines "guten Mannes" träumt und vom Kinderkriegen usw. Du schlägst die Hände überm Kopf zusammen - es war das reine Grauen!
    Wir aber waren komplett fasziniert und sind tief in diese verklärte Rolle eingetaucht. (Vielleicht auch, weil es so fremd war und mit unserer Realität so wenig zu tun hatte.)
    Ebenso aber in die von Buchfigur Britta, die Pferdemikst schaufelt und die Jungs im Turnier schlägt, oder in die wilde freche Pipi Langstrumpf, oder oder ...


    Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder, die vielfältige literarische Vorbilder haben, differenzieren können, was fiktiv ist, was einfach Vergangenheit ist und was reales Leben bedeutet. Und sie können früh erkennen: Das, was die Figur macht/ will/ entscheidet, muss nicht immer richtig sein. Dazu braucht es natürlich auch unperfekte Figuren - solche, über die man reden und streiten kann.
    Sonst wäre Erziehung einfach: Wir würden ihnen einfach nur noch von perfekten Kindern vorlesen und sie würden genau so werden. #pfeif

    • Offizieller Beitrag

    Oh, so Zeugs habe ich auch gelesen und geliebt - aber meine Eltern haben da auch gegengesteuert, mit anderen Büchern, mit einem komplett anderen Rollenverständniss im Alltag...


    Wie gesagt, bei alten Büchern stört es mich auch nicht - aber was mich wirklich nervt und manchmal auch beängstigt, ist, wie Rollenklischees auch in modernen Büchern völlig selbstverständlich übernommen werden... #haare Und das summiert sich einfach: es ist nicht das eine Bilderbuch, in dem nur Männer in den Baggern sitzen, es sind die Hunderten von Bildern, Sprachgebräuchen (DER Arzt, DIE Krankenschwester)...


    Aber eben, ich bin da beruflich etwas vorgeschädigt und daher besonders empfindlich.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • edit - ich habe da was verwechselt.
    Es war "Pucki", die so extrem war.
    Goldköpfchen ging noch - die musste allein klarkommen, weil der "gute Ehemann" gestorben ist #gruebel

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  • Talpa, ja, das kenne ich auch alles.


    ber auch da muss man abwägen zwischen: Auflösung von Rollenbildern, indem man sie nicht als solche darstellt - und - Verklärung einer Gesellschaft, indem man sie emanzipierter darstellt, als sie wirklich ist.

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    • Offizieller Beitrag

    Ich denke, das Abwägen ist da dann abhängig davon, was man/frau stärker wertet: den Einfluss dieser Zementierung auf unser Bewusstsein und das zukünftiger Generationen - oder die Realität.


    Oder auch: was ist das Ziel? Schreibe ich einen realistischen Roman? Oder ein Schulbuch? Das sind unterschiedliche Ziele, die erreicht werden sollen - und das beeinflusst meiner Meinung nach dann auch massiv die Auswahl solcher "Klischees".


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Ich krieg mich gerade nicht mehr ein :D


    Eine FB-Freundin, die sich in den letzten Wochen ständig dieser "Wir bestehen darauf, dass der Neger im Kinderbuch bleibt!"-Front gegenüber sieht, hat gerade sinngemäß diesen Text veröffentlicht:


    "Eine Frage an die Eltern: Was
    würdet ihr denken, wenn euer 9 bis 10 jähriges Kind ein Buch liest, in
    dem sich Kinder zu Fasching als "Arier" verkleiden? Dies würde in
    einem neuzeitlichen Buch ohne Bezug auf die Geschichte passieren und
    der Satz besteht einzig aus der Beschreibung, wie sich die Kinder
    verkleiden. Keinerlei Bewertung ersichtlich, weder negativ noch positiv."



    Die Kommtare gehen von "Ach herrje, was ist denn das für ein Buch" über "Das soll bestimmt Arielle heißen" bis zu "Altpapier-Kontainer"
    Und das von Leuten, die sich schrecklich über die Neuauflage der kleinen Hexe echauffieren. Offenbar ohne den Text je gelesen zu haben. #warte

  • Ich finde wirklich, dass das mit Sexismus und Rassismus schwierig ist. Es gibt da ja auch geschlechtsspezifische Rassismen... (Schwarze Frauen werden nochmals anders sexualisiert diskriminiert als Schwarze Männer oder Weiße Frauen)
    Mein konkretes Problem ist: Die Auswahl an nicht sexistischen Kinderbüchern ist total gering. Die Auswahl an nicht rassistischen Kinderbüchern dagegen ist (wenn ich nicht grade Bücher über Afrika oder Asien vorlesen möchte) groß. Im schlimmsten Fall kommen einfach keine nicht-Weißen Kinder vor (das ist durch Exklusion genaugenommen auch rassistisch, die Schwarzen sind nicht repräsentiert), aber ein offen rassistisches Buch (wie den Struwwelpeter) lese ich eben einfach nicht vor. Meine Suche nach Büchern ohne sexistische Rollenklischees dagegen war nicht besonders erfolgreich (einige erinnern sich vielleicht an meinen diesbezüglichen Suchthread). Daher ändere ich hier durchaus Namen und Geschlechter, was leider nichts daran ändert, dass in meiner Umgebung die Hausmänner deutlich in der Unterzahl sind. Und das finde ich so als Ganzes doch ziemlich massiv als Einflussfaktor auf mich und mein Kind.

    • Offizieller Beitrag

    merin, kirsten boie spielt oft mit den klischees und bricht sie auf. bei seeräubermoses ganz stark, beim "nix" (nicht "nixe" ;)) auch oder in "kann doch jeder sein, wie er will".


    ansonsten habe ich hier mehr überflogen - ich schließe mich talpa an und frage mich, ob irgendwer echt den untergang des abendlandes fürchtet, nur weil ein paar rassistische begriffe aus kinderbüchern ersetzt werden.
    meistens scheint mir in der debatte unterzugehen, dass nicht nur "wir" die bücher (vor-)lesen und es "unseren" kindern erklären, wie das gemeint ist, sondern eben auch "die", die damit diskriminiert werden. gerade deshalb finde ich den brief des mädchens gut.