Germanisten? wir sind am diskutieren: kann man einen Satz mit

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  • Oh Gott, noch so ein Klugscheißer ^^.*


    * Neben mir.

    Hachja! Wäre Intelligenz tatsächlich vererbbar, bräuchten meine Jungs keine Windeln. #top
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    Zitat

    Du hast nicht genug Tränen für das, was du mir angetan hast.

    (Oomph - "Wunschkind")

  • Ich werfe mal eine andere Sicht in den Raum: Die Fügung "Zum Beispiel" ist analog zu "beispielsweise" (durch das es ja ersetzt werden könnte) zu betrachten. "Beispielsweise" ist ein Modaladverb der Qualität (Quelle: Duden-Grammatik) und wird auch als entsprechendes Satzglied (Modaladverbial) verwendet. Analog zu "beispielsweise" könnte man also davon ausgehen, dass "zum Beispiel" auch als ein syntaktisch für sich stehendes Modaladverbial zu interpretieren ist, was ebenso seine Unabhängigkeit vom Subjekt "Hörschwäche" erklären würde. Denn beide sind im genannten Satz unabhängig voneinander verschiebbar.



    Damit wäre der erstgenannte Satz grammatisch nicht falsch, das Prädikat wäre korrekt an der zweiten Satzgliedstelle, aber aufgrund unserer als "normalen" empfundenen und damit einschränkenden Satzkonstruktion im Deutschen klingt es einfach ungewöhnlich. Meine Studenten jedenfalls sortieren solche Satzbaupläne immer eher als "unzulässig" aus.


    LG
    dovrefjell

  • dovrefjell, genau das war mein empfinden bei dem satz (modaladverb, satz ok), ich hatte es schon geschrieben gestern, aber nicht in adäquat kompetente satzgefüge gepackt und deshalb wieder gelöscht.
    bin jetzt ein bisschen beruhigt, dass das zumindest keine völlig abwegige interpretation ist :) .

  • dovrefjell, genau das war mein empfinden bei dem satz (modaladverb, satz ok), ich hatte es schon geschrieben gestern, aber nicht in adäquat kompetente satzgefüge gepackt und deshalb wieder gelöscht.
    bin jetzt ein bisschen beruhigt, dass das zumindest keine völlig abwegige interpretation ist :) .

    Ja, das schien mir die unmittelbar einleuchtendste Erklärung. Ich finde aber den Hinweis auf die Betonungszusammenhänge auch sehr spannend, weil dadurch die modalisierende Funktion des "zum Beispiel" so schön deutlich wird:


    (1) Besonders oft tritt zum Beispiel Hörschwäche bei älteren Menschen auf. (Es kann aber auch Sehschwäche auftreten)
    (2) Hörschwäche tritt zum Beispiel oft bei älteren Menschen auf. (Aber es gibt sie auch bei jungen Menschen)
    ...


    LG
    dovrefjell

  • Auch richtig, dovrefljell. Hier vermischen sich eine alte und eine neue Sichtweise auf die deutsche Grammatik. Ich will jetzt keine Vorlesung halten, daher die Superkurzfassung: Man hat ursprünglich versucht, die lateinische Grammatik, die fast bis ins letzte Fitzelchen logisch ist, auf die deutsche Sprache zu übertragen und hier und da etwas nachgebogen. Es haut nicht ganz hin, dazu kommt: Dummerweise verändert(e) sich das Deutsche ja durch Gebrauch, wohngegen das Lateinische ... ne? Also hat man einen modernen Ansatz versucht, mit dem heute alle modernen Sprachen grammatikalischer erklärbar werden. Und hält es aus, dass es Ungereimtheiten und Doppelungen gibt. Das kann man gut sehen am (in der lateinischen Grammatik logischerweise nicht existenten) Präpositionalobjekt, das nicht immer trennscharf vom Adverbial, speziell vom Adverbial des Mittels, zu trennen ist. Da stehste dann.


    Der Duden ist übrigens eine beschreibende Instanz, der reagiert auf das, was gesprochen bzw. in den Referenzmedien geschrieben wird. Er ist (GsD) nicht normativ. Und auch nicht unbedingt aktuell oder gar in sich schlüssig.


    Und ich bin nicht davon überzeugt, dass man beispielsweise und zum Beispiel aus grammatikalischer Sicht gleichsetzen kann. Muss ich nochmal drüber nachdenken.


    Übrigens enthält der Titel des Threads eine grammatische Struktur, die ich nur aus dem nördlichen Rheinland kenne. Hermine wohnt weiter südlich und ich freue mich, dass das Kölsche Present Continuous sich auch in Richtung Weißwurschtäquator aufmacht, die Sprache zu erobern. ^^

    • Offizieller Beitrag

    Süße, das kommt raus, wenn ein Kind westfälischer Eltern in Bayern sozialisiert einen Kölner heiratet :D


    ich lese übrigens sehr interessiert mit.

    Hermine und drei Jungs (04, 07 und 09)

    ---

    demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen

    Willy Brandt, 1969

  • Der Sinn ergibt sich.

    Wundert nicht, da die Weisheit den Löffel gefressen hat.



    Spaß beiseite: Mit steigendem Alter nimmt das Akzeptanztempo für Veränderungen ab. Seit gut 10 Jahren kann ich tatsächlich sogar schwer bis überhaupt nicht mit Überraschungen aller Art (positiv wie negativ) umgehen. (Ich sag ja immer: Spontanität will wohl überlegt sein.)


    So ist es auch mit der deutschen Sprache. Zwar bin ich durchaus nachsichtig mit regionalen Unterschiede und finde diese zuweilen sogar recht "hübsch" ("Und? Wie war dein Urlaub?" - "Ach hör uff! Ick war mit die Kinder bei die Hitze in die Berje."), mache mir aber tatsächlich Sorgen um den Genitiv (Des Genitivs Tod ist dem Dativ egal. Oder wie ich es verpacken würde: Genitiv ins Wasser, wenn's Dativ ist! #love )


    Bei einigen Floskeln der der "sprachlichen Unterschicht" rollen sich mir regelmäßig die Zehnägel hoch - das ist die quietschende Tafelkreide nix gegen. Ganz vorn weg dieses Überfluss-tu: "Tu mir mal die Butter reichen!", "Ich tu mal einkaufen gehen. Soll ich dir was mitbringen?" u.ä.


    Auch die Rechtschreibreform war für mich nicht gerade perfekt. Nachdem es nun "Delfin" heißt, sah ich (war da nur eine Frage der Zeit) eine "Füsiotherapie"-Praxis.


    Grammatikalisch herrscht bei mir schon länger enormes Entsetzen. Wenn ich schon allein an die kack Tusse (oh, sorry! Kaktusse) denke, wird mir unwohl. Und "Atlasse" sind Maschine oder "so Roboter", aber keine Kartenwerke.


    Einzig sinnvoll, weil vollkommen schlüssig, war für mich die Doppel-s-ß-Regelung: langer oder Doppelvokal = ß, kurzer Vokal = s_s. Leider vergaß man bei dieser Regelung mir einen Kompromiss zu dieser Erkenntnis zu bieten. Insofern ist es eine halbbackene Verbesserung.

    Süße, das kommt raus, wenn ein Kind westfälischer Eltern in Bayern sozialisiert einen Kölner heiratet

    Da brennt mir eine Frage auf der Seele: Hat dieses Kind gesessen, oder ist dieses Kind gesessen?


    Einer der wenigen regionalen Unterschiede, mit dem ich mich nur schwer anfreunden kann. Oder... Zeit zum Uhrenvergleich: Ist es "viertel nach / viertel vor", oder einfach mathematisch "viertel / dreiviertel"? :stupid:

    Zitat

    Du hast nicht genug Tränen für das, was du mir angetan hast.

    (Oomph - "Wunschkind")

  • Luxx, ich hatte eine lange Antwort fertig. Und ich hab sie wieder verschluckt, weil ich gemerkt habe, dass ich am Feierabend meine Arbeit tue (oberste Schulaufsicht Gymnasien, Fachaufsicht Deutsch).


    Du kannst die Sprachvarietäten, seien sie dialektaler oder sozialer Art, finden, wie du willst, und schreiben, was du magst. Und ich geh jetzt meine Kinder ins Bett bringen. Hier haben die Kinder übrigens am Abendbrottisch gesessen.

  • Aoide, als (wenn auch ehemalige) deutsche Grammatikerin kann ich Deinen Analysen nicht zustimmen. Das so unkommentiert stehen zu lassen, ginge gegen meine Berufsehre ;) Allerdings bin/war ich auch eindeutig eine "moderne deutsche Grammatikerin" und lieber deskriptiv als präskriptiv.


    1.)


    Dieser Satz ist grammatikalisch gesehen falsch,

    Ich denke der Satz ist nicht ungrammatisch. Aber die Mittelfeld-Wortstellung ist "nicht normal". Besser wären z.B. (je nach Kontext und intendierter Bedeutung):


    Zum Beispiel tritt Hörschwäche oft bei ÄLteren auf. (Betonung auf "Älteren")
    Zum Beispiel tritt bei Älteren oft HÖRschwäche auf. (Betonung auf "Hörschwäche")


    Und dann darf "zum Beispiel" ganz prima alleine im Vorfeld (also vor dem Finitum in der linken Satzklammer) stehen. (Ich setze jetzt mal voraus, dass Du das Stellungsfeldermodell für das Deutsche kennst.) Ich würde diese Sätze ich aber immer noch eher als gesprochene Sprache werten wollen.


    Dass der Ursprungssatz "komisch klingt" hat also - glaube ich - also erst mal nichts mit der Position von "zum Beispiel" zu tun, sondern mit der Reihenfolge der Satzglieder im Mittelfeld. Dafür spricht, dass auch der entsprechende Satz ohne "zum Beispiel" markiert wirkt:


    "dass Hörschwäche bei Älteren oft auftritt."


    Es sei denn das "oft" wird intonatorisch (und damit informationsstrukturell) hervorgehoben:


    "Ich bin mir sicher, dass Hörschwäche bei Älteren OFT auftritt."



    2.) Im Deutschen ist das Subjekt dasjenige Satzglied, das in Numerus und Person mit dem finiten Verb kongruiert.


    denn "zum Beispiel Hörschwäche" ist ein einziges Satzglied. Das Prädikat gehört nicht dazwischen. "Zum Beispiel Hörschwäche tritt bei Älteren oft auf" wäre korrekt und wirkt, alleine stehend, dennoch etwas wirr, man würde den Satz formulieren als "Es tritt bei Älteren oft zum Beispiel Hörschwäche auf".
    Im ersten Satz ist "zum Beispiel Hörschwäche" das Subjekt, im zweiten das "es". "zum Beispiel Hörschwäche" ist dann ein Gleichsetzungsnominativ.

    Deshalb ist das "es" im 2. Satz auch nicht das Subjekt. Das Subjekt ist in beiden Sätzen dasselbe: "(zum Beispiel) Hörschwäche". Das dieses "es" nicht das Subjekt sein kann, lässt sich an parallelen Sätzen mit pluralischen Subjekten zeigen:


    "Bei Älteren treten oft Hörschwächen auf."
    "Es treten bei Älteren oft Hörschwächen auf".


    Hier kongruiert nur "Hörschwächen", nicht aber das "es" im Numerus mit dem finiten Verb.


    Das "es" dient hier lediglich als
    Vorfeldfüller (das darf nämlich nicht leer sein in Hauptsätzen, Du schreibst ja selbst weiter unten, dass die Position des Finitums an 2. Stelle fix ist).


    (Nebenbei halte ich das Beispiel "Es tritt bei Älteren oft zum Beispiel Hörschwäche auf" für sehr markiert. Viel akzeptabler klingt doch: "Es tritt bei Älteren zum Beispiel oft Hörschwäche auf". Ist aber eigentlich auch nebensächlich.)


    [...]

    Auch dieser Satz ist aufgrund der Satzstellung und nicht aufgrund des"zum Beispiel" am Anfang falsch, denn das Subjekt ist hier "zum Beispiel" und im Hauptsatz gehört das Prädikat an die 2. Position, eine der wenigen fixen Lokationen im Deutschen. Muss also heißen: "Zum Beispiel wird der Genitiv nach "wegen" sicher irgendwann aussterben". Die Befremdung ob des fehlenden Gleichsetzungsnominativs in der Schriftsprache aber bleibt.


    Mein Wort zum Sonntag.

    Auch hier: "Zum Beispiel" kann überhaupt nicht Subjekt sein, weil es keine einzige relevante Eigenschaft von Subjekten im Deutschen hat. Und natürlich macht genau die Position von "zum Beispiel" den Satz ungrammatisch. Eine Erklärung hierfür wäre etwa, dass "zum Beispiel" keine Konstituente zusammen mit dem Subjekt "der Genitiv nach "wegen"" bilden kann. In der Regel darf im Vorfeld aber nur eine Konstituente stehen (damit - wie Du selber schreibst - das Finitum die obligatorische 2. Position im Hauptsatz hat).


    Liebe Grüße
    mafalda.


    P.S. Mit den traditionellen Schulgrammatiken bin ich aber nur rudimentär vertraut. Als "Gleichsetzungsnominativ" kenne ich nur die klassischen Prädikativkonstruktionen à la "Luise ist eine engagierte Lehrerin."

  • mafalda, ich hatte auch über das Feldermodell nachgedacht und keinen Grund gefunden, weshalb "zum Beispiel" hier nicht im Vorfeld stehen können sollte...


    Der Satz klingt für mich auch ein Wenig ungewöhnlich, aber er scheint mir doch grammatisch wohlgeformt zu sein.


    Da ich noch studiere und in Sprachwissenschaft schon lange nichts mehr gemacht habe, war ich mir aber aufgrund der vielen anderslautenden Meinungen hier zu unsicher #angst

    "Eigentlich weiß man nur, wenn man wenig weiß. Mit dem Wissen wächst der Zweifel." (Goethe)

  • Mafalda, ich ziehe den Hut. Ein einziges Grammatikmodell kohärent zu verfolgen ist mir nicht gegeben, ich neige, wie ich drüberlesend wieder merke, zu pädagogischen Antworten mit politisch-ball-flachhaltender Grundnote in diesen Dingen. das untere Beispiel von Trüffel, das du mit meiner erklärung zitiert hast, hatte ich allerdings schon korrigiert. Nevertheless: Keine Einwände.

  • Lux:

    Zitat

    Einzig sinnvoll, weil vollkommen schlüssig, war für mich die Doppel-s-ß-Regelung: langer oder Doppelvokal = ß, kurzer Vokal = s_s. Leider vergaß man bei dieser Regelung mir einen Kompromiss zu dieser Erkenntnis zu bieten. Insofern ist es eine halbbackene Verbesserung.

    Die Regel ist doch ganz einfach: Nomen, die auf -nis enden, werden immer mit einfachem "s" geschrieben.


    Mafalda, ich stimme dir zu. Da ich aus der sprachpraktischen Seite komme, klinke ich mich nur ungern in solche Diskussionen ein, aber dein Beitrag scheint mir absolut logisch. Noch kurz zum "es": In der DaF-Lehre nennen wir das "s" in dieser Funktion "Pseydosubjekt". Es steht am Anfang des Satzes und betont das eigentliche Subjekt. Das eigentliche Subjekt bestimmt Kasus und Numerus, "es" tut dies nicht.

    Liebe Grüße von Rafiki mit M1(*05) und M2 (*07)

    Einmal editiert, zuletzt von Rafiki ()