Polio-Dilemma - impfen für den Herdenschutz?

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    • Offizieller Beitrag

    Ja oder Nein? 73

    1. Ja (39) 53%
    2. Nein (34) 47%

    NIE hätte ich gedacht, dass ich hier mal eine Impfdiskussion eröffnen würde, aber es geht um eine konkrete Entscheidung, die mir aktuell sehr schwer fällt. Ich versuche mein Dilemma kurz zu umreißen:


    Seit einigen Monaten werden/wurden in unserem Land immer wieder Polioviren im Abwasser gefunden, die vermutlich über Ägypten oder Nordafrika zu uns gelangt sind. Akute Krankheitsfälle sind jedoch bis heute nicht bekannt. Als ich im Mai zum ersten Mal davon hörte, sprach ich unseren KiA darauf an, der meinte, es bestünde kein Handlungsbedarf, da unsere Tochter durch die - seit 2004 hierzulande empfohlene und übliche - IPV-Impfung (4 x im Rahmen der Fünffachimpfung) geschützt sei. Erwachsene seien, sofern sie in der Kindheit die Schluckimpfung erhalten hätten, ebenfalls prinzipiell nicht gefährdet.


    Längere Zeit hörte man kaum etwas, in den betroffenen Gebieten wurde wohl teilweise nachgeimpft, sonst passierte nichts weiter, bis Mitte August das Gesundheitsministerium eine großangelegte Kampagne ausrief, um alle bereits mit IPV geimpften Kinder unter 9 Jahren, zusätzlich mit einer neuen (bisher weitgehend ungetesteten) Schluckimpfung zu immunisieren. Die Kampagne richtet sich dabei ausdrücklich an Kinder, die bereits immun sind/sein sollten und daher ein minimales Risiko haben, durch die Impfung an Polio zu erkranken. Das heißt auch, dass diese zusätzliche Schluckimpfung primär dem Herdenschutz dient, da die geimpften Kinder über Wochen das abgeschwächte Virus ausscheiden und so auch ihre Umgebung einen gewissen Impfschutz aufbauen soll (wie das medizinisch funktioniert ist mir zwar immer noch nicht ganz klar, aber so wird es uns hier erklärt). Man setzt also ganz bewusst auf ein "Heer" von Kindern, um die ungeschützte Bevölkerung zu schützen und die Ausbreitung des neuen wilden Poliovirus einzudämmen.


    Tja. Und das ist genau mein Dilemma. Ginge es nur um mein eigenes Kind, würde ich auf die zusätzliche Impfung (und ihre Risiken und Nebenwirkungen) getrost verzichten und auf die IPV-Immunisierung vertrauen. Aber mein soziales Gewissen meldet sich seit ein paar Tagen vehement. Will ich das theoretische Risiko eingehen, dass mein Kind zum Überträger wird, obwohl es selbst nicht erkranken kann? Ginge es nur um ideologische Impfverweigerer fiele mir die Entscheidung leichter (#angst) , aber die potenzielle Ansteckungsgefahr betrifft auch Säuglinge, immunschwache Menschen, etc. - lohnt es sich dafür nicht, mein Kind zwei Tröpfchen Polioviren schlucken zu lassen, quasi seine Bürgerpflicht am Volk zu leisten?


    Wie seht ihr das?


    Was würdet ihr tun?


    Sonstiger Input?

  • Puh, ich verstehe dein Dilemma. Es tönt reichlich mysteriös. Ich persönlich würde wohl ohne genauere Infos, wie das Ganze medizinisch funktionieren soll, nicht impfen. Evtl. auch abwarten, bis erste Resultate vorliegen: gibt es Nebenwirkungen? Funktioniert es wie erhofft?
    Wegen potenzieller Ansteckungsgefahr für Säuglinge etc: versteh ich das richtig, ihr seid alle regulär geimpft? Dann ist anzunehmen, dass ihr niemanden ansteckt, die Impfung wäre für diesen seltsamen Herdenschutz? Hm. Wohl eher nicht impfen.

    • Offizieller Beitrag

    Ja, regulär mit IPV geimpft. Bis auf Bevölkerungsschichten, die aus welchen Gründen auch immer nicht impfen. Aus Mangel an Interesse oder aus ideologischer Überzeugung.. Nur die werden jetzt auch nicht geimpft, weil die Schluckimpfung für ungeimpfte nicht risikofrei ist.

  • Was für eine schräge Theorie 8I In Deutschland wurde die Schluckimpfung abgeschafft, weil es viele Fälle von Impfpolio gab. Die dadurch entstand, dass die geimpften Kinder Impfviren ausgeschieden haben.


    Wenn das Trinkwasser mit Polioviren "verseucht" ist, was ist dann der Unterschied zwischen diesem angeblich verseuchten Trinkwasser und den ausgeschiedenen Viren, die ja anscheinend auch ins Trinkwasser gelangen? Oder sollen sich alle Kinder anschliessend gegenseitig ablecken?
    Niemals würde ich das machen.

    • Offizieller Beitrag

    Kannst du nicht einfach den Titer messen lassen? Theoretisch müsste es sowohl gesellschaftlich als auch rein für sie alles im grünen Bereich sein, wenn ein Poliotiter vorhanden ist. Oder kann man den aus irgendeinem Grund nicht messen?

    • Offizieller Beitrag

    Im Abwasser? Und es sind die "echten" Viren, nicht die abgeschwächten? Sprich: könnte es nicht durch bereits Schluckgeimpfte ins Abwasser gekommen sein? Hast du Infos darüber, welche Viren genau gefunden wurden?

  • da wäre ich auch skeptisch.....


    warum versucht das gesundsheitsamt denn nicht erst mal die bevölkerungsgruppen zu erreichen deren kinder nicht geimpft sind mit verstärkten kampagnen? herrscht denn generell eine große impfsekepsis vor?


    lg

    • Offizieller Beitrag

    Wildviren seien im Abwasser gefunden worden.


    Titerbestimmung könnte man wohl machen, aber es ist wohl so, dass die IPV-geimpften Kinder trotzdem noch Überträger sein können, weil die IPV primär das Nervensystem immunisiert, während die OPV im Immunität im Verdauungstrakt schafft. So habe ich das jedenfalls verstanden.

    • Offizieller Beitrag

    warum versucht das gesundsheitsamt denn nicht erst mal die bevölkerungsgruppen zu erreichen deren kinder nicht geimpft sind mit verstärkten kampagnen?


    das verstehe ich auch nicht, es könnte aber u.a. daran liegen, dass man im zugzwang ist und daher versucht, schnell eine weitere ausbreitung des wildvirus zu verhindern.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe es eben noch mal nachgelesen. Der Unterschied zwischen IPV und OPV ist tatsächlich, dass IPV-geimpfte Kinder im Gegensatz zu OPV immer noch (Über)träger des Wildvirus' sein können, während es bei OPV nur noch zu einer temporären Ausscheidung von Impfviren über einen Zeitraum von 6 Wochen kommt. Was auch ziemlich unangenehm klingt, aber in der Risikoabwägung wohl weniger bedenklich, als die Ausbreitung der Wildviren lediglich weiterhin zu beobachten und auf akute Krankheitsfälle zu "warten". #weissnicht #weissnicht

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe es eben noch mal nachgelesen. Der Unterschied zwischen IPV und OPV ist tatsächlich, dass IPV-geimpfte Kinder im Gegensatz zu OPV immer noch (Über)träger des Wildvirus' sein können, während es bei OPV nur noch zu einer temporären Ausscheidung von Impfviren über einen Zeitraum von 6 Wochen kommt. Was auch ziemlich unangenehm klingt, aber in der Risikoabwägung wohl weniger bedenklich, als die Ausbreitung der Wildviren lediglich weiterhin zu beobachten und auf akute Krankheitsfälle zu "warten". #weissnicht #weissnicht


    Irgendwie fällt es mir schwer, das zu glauben.

  • Nehmen wir mal an, deine tochter hat durch die ipv-impfung keinen schutz aufgebaut und ihr packt nun die- für ungeimpfte ungeeignete- schluckimpfung drauf?



    Wie stellt man sich die Immunisierung der Ungeimpften vor? Die geimpften und mit schluckimpfung geboosterten kinder sollen quasi den rest immunisieren. Aber wodurch? Dadurch dass sie viren ausscheiden? Und diese gelangen dann... vermutlich ins Abwasser?!?
    Wenn aber nun ungeschützte kinder sich an diesem abwasser immunisieren sollen, würden sie sich doch vermutlich vorher oder gleichzeitig am abwasser mit den wildviren anstecken?!?


    Und andersrum, wenn die Gefahr durch das Abwasser als so gross angesehen wird, dass dringend eine immunisierung der ungeimpften erforderlich wird, dann könnten sich die geimpften kinder ja genauso gut auf diese weise anstecken, boostern und ein abgeschwächtes virus ausscheiden, dass dann die ungeimpften schützt???


    Also so richtig kann ich das mit meinem Laienwissen nicht nachvollziehen, wie das mit der Schluckimpfung als Schutz für die Ungeimpften funktionieren soll. Weiterhin finde ich es suspekt, dass da eine Impfung gegeben wird, die ungeimpften nicht gegeben werden darf, man verlässt sich also darauf, dass es keine Impfversager gibt.


    Mein Fazit (mit einer eher impfkritischen Einstellung)
    Ich würde es nicht machen.

    Was macht ihr eigentlich, ihr flinken Sekundenhorter, mit all der Zeit, die ihr spart, wenn ihr "lg" tippt statt lieb zu grüßen?

    - aus einer Berliner S-Bahn-Station -

  • wenn ich richtig verstanden haben, wollen die dadurch die zahl der möglichen überträger verkleinern.
    wäre ja noch überlegenswert, aber das hier:


    Weiterhin finde ich es suspekt, dass da eine Impfung gegeben wird, die ungeimpften nicht gegeben werden darf, man verlässt sich also darauf, dass es keine Impfversager gibt.


    das wäre für mich auch das ausschlusskriterium. ich würde es nicht machen.

  • manches klingt komisch. z.b. dass die opv geimpften gegeben werden soll. mit der opv wurde jahrelang geimpft mit den opv spezifischen nebenwirkungen. sie jetzt auf die ipv draufzusetzen ist komisch meine ich. wenn dann sollte das normale impfprogram auf opv umgestellt werden.


    mehr dazu hier was die opv "mehr" leisten kann ist folgendes:

    • besserer schutz des geipften weil schutz auch im darm aufgebaut wird, anstatt "nur" im blut
    • zufaellige aber gewuenschte mitimpfung anderer personen die vom impfling mit der impfpolio angesteckt werden


    durch diese ansteckung mit der impfpolio wird das wildvirus an der zirkulation gehindert- weil es keine wirte mehr findet da die impfpolio sich"epedemieartig ausbreitet"

    • Offizieller Beitrag

    sie wollen Übertrager eliminieren und durch Kontaktimmunisierung (im Familienkreis) auch nicht- oder ungenügend immunisierte Personen erreichen. Das Risiko für gesunde Menschen, durch ausgeschiedene Impfviren an Impfpolio zu erkranken, soll minimal sein.


    Die Schluckimpfung ist auch nicht per se ungeeignet für Ungeimpfte, birgt aber eben das Risiko, an Impfpolio zu erkranken, weshalb man sie ausschließlich bereits geimpften Kindern verabreicht. Impfversager sind in der Gleichung aber tatsächlich nicht berücksichtigt. Hm...


    Mit IPV nachzuimpfen bringt deshalb nichts weil man auch dann noch theoretisch Überträger sein kann, wenn Wildviren in den Darm gelangen. Die IPV verhindert den Ausbruch der Krankheit dadurch, dass der Virus in den Blutkreislauf gelangt, die Darm"schranke" kann er wohl passieren. Das habe ich jetzt in verschiedenen Artikeln so gelesen. Suche aber noch nach einem unabhängigen nicht-Wiki-link auf Deutsch dazu.

  • Hast du das interview im scientific american gelesen?


    http://www.scientificamerican.…id=does-israels-new-polio


    Das bezieht sich mehr auf den effekt auf die ausrottungskampagne, aber erklaert auch einiges. Ich denke mal, du hast da aber eh deutlich mehr einblick als die leute hier im forum.


    Im endeffekt ist es halt wirklich die entscheidung, ob du ein extrem geringes risiko fuer deine tochter zugunsten des landes bzw anderer menschen die willentlich oder unwillentlich nicht geschuetzt sind, eingehen moechtest.
    Einen kleinen vorteil hat deine tochter davon auch, da die opv (meine ich) effektiver ist als die ipv. Vor allem (!!!) Falls sie zu den ipv versagern zaehlen sollte. Dann muesste sie unbedingt geimpft werden.


    Es gab dieselbe situation in israel schonmal mit klinischem fall ... daher gab es dort wohl ueber jahre die ipv/opv kombo .. ich schaetze ipv vor allem als schutz gegen impfpolio. Gab es denn in israel faelle von impfpolio in den 90ern bis 04? Falls nicht, scheint diese strategie erfolgreich zu sein.

    Einmal editiert, zuletzt von belleamie ()