Ich erziehe meine Tochter Viola seit ihrem ersten Tag zuhause (also nicht ganz 24 Stunden nach der Geburt) windelfrei. Ich schreibe diesen Erfahrungsbericht, weil ich ungefähr während der 2-3 Lebenswoche zu zweifeln begann, ob ich wirklich das Richtige tat oder es mit Windeln doch besser wäre und viel im Internet gesucht habe. Ich habe mir sowas gewünscht und leider viel zu wenig Detailliertes gefunden, also vielleicht profitiert jemand davon.
Während der Schwangerschaft erfuhr ich von dem Konzept, von dem ich zuvor nichts gehört habe. Interessiert war ich sofort, überzeugt in dem Moment, als mir meine Nachbarin Folgendes sagte: Der Mensch ist das einzige Tier, das seinen Nachkommen die Scheiße auf den Rücken bindet. Das und die Tatsache, dass 2/3 aller Kinder weltweit nicht einmal Zugang zu Windeln, beziehungsweise kein Geld dafür haben und deshalb selbstverständlich windelfrei erzogen werden, überzeugte mich es auszuprobieren. Wenn es nicht klappen sollte, könnte ich ja noch immer auf Windeln umsteigen, sagte ich mir.
Viola kam leider nicht zuhause auf die Welt, weil die Wehen eingeleitet werden mussten. (Umsonst, wie sich herausgestellt hat, aber das ist ein anderes Thema.) Sie kam um 21.12 Uhr auf die Welt. Aus diesem Grund bekam sie ungefähr um Mitternacht eine Windel an und schlief dann mit dieser ansonsten nackt auf mir. Weil mein Kreislauf noch nicht wieder stabil war, blieben wir noch bis etwa 18 Uhr in der Klinik, bevor wir heimfuhren. In dieser Zeit trug sie eine Windel und füllte sie auch immer wieder fleißig mit Mekonium. Rückblickend kann ich an dieser Stelle sagen, dass es für mich persönlich wesentlich grindiger war ihr das klebrige Kindspech vom Hintern zu wischen, als es aufzufangen oder später angepinkelt oder angespuckt zu werden…
Zuhause blieb sie die ersten drei Wochen ihres Lebens die meiste Zeit über nackt. 10 Tage davon verbrachten wir sowieso im Bett, meistens dicht aneinander gekuschelt. Die ersten Tage versuchten wir jedes Mal, wenn sie lospinkelte ein Signalwort zu geben (in unserem Fall lululululu) und zu erkennen, welchen Gesichtsausdruck, welche Geräusche und welche Zeichen sie machte, um das anzukündigen. Für das große Geschäft hatten wir das Signalwort Gackse, Gackse, Gackse. Weil sie gerade die ersten drei Wochen ihres Lebens täglich, manchmal auch mehrmals gacksen musste, war das recht einfach. Zusammen mit dem eindrücklichen Pressgesicht, bei dem sie rot wurde und sich wirklich angestrengt hat, zeigte sie ab dem 6. Lebenstag zuverlässig Gackse an.
Seitdem ging es einmal daneben, als ich das Gesicht zwar sah, aber beim Spielen nicht richtig deutete, sie fröhlich anfeuerte und sie daraufhin auf meinem Bauch den Anfang machte. Wie schon gesagt empfinde ich persönlich das total harmlos. Sein eigenes Kind finden die meisten sowieso überhaupt nicht grausig. Die volle Windel dagegen finde ich grausig(er). Vielleicht, weil das ganze Abgestanden ist? (Obwohl sie natürlich auch sofort gewechselt wurde? Wahrscheinlich aber, weil es sich ganz anders in den Poren festsetzt, wenn sie die Windel anhat, während beim in den Topf machen 1-3-mal drüberwischen ausreicht, um wieder sauber zu sein.)
Am Anfang hielt ich sie in den Standardsituationen ab. Das heißt, dass sie nach dem Aufwachen, nach dem Stillen und zwischendurch auch während des Stillenes, wenn notwendig auf den Topf gesetzt wurde. Dann kam der Standardsatz: Viola, mein Mäuschen, du sitzt jetzt am Topf und wenn du lululululu oder gackse, gackse, gackse machen musst, ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.
Abhalten ist für Babys am Anfang schwieriger, hat uns die Hebamme erklärt, weil sie es erst lernen müssen, trotz der Kälte, die durch die nackte Haut kommt, zu entspannen und loszulassen. Windelkinder haben dieses Problem nicht. Deshalb hat sie anfangs immer wieder geweint, wenn sie auf den Topf kam. Manchmal funktionierte es problemlos, manchmal saß sie lange, bis es klappte, manchmal nahm ich sie herunter und sie machte dann, manchmal setzte ich sie mehrmals kurz auf den Topf und irgendwann klappte es.
Auch dazu muss ich sagen, dass wir uns die schwierigste Variante vorgenommen haben: Es gibt Eltern, die beginnen mit einmal am Tag in der Früh und wenn das Kind das Signalwort erkennt, beginnen sie es langsam auszuweiten. Es gibt auch Eltern, die den Kindern trotzdem eine Windel anziehen, damit nichts daneben geht und sie nur ausziehen, wenn sie es abhalten. Andere beginnen erst, wenn das Kind älter ist.
Mir persönlich widerstrebt es meiner Tochter länger als nötig Plastik anzuziehen (obwohl ich Öko-Biowindeln verwende, wenn es notwendig ist.) Deshalb probieren wir es und nehmen es im Gegenzug dazu locker, wenn Unfälle passieren.
Das Schöne ist: Babylulu stinkt normalerweise nicht (fast immer, außer wenn es zu konzentriert ist, z.B. nach dem Aufstehen) und trocknet einfach, ohne Spuren zu hinterlassen.
Nach 2-3 Wochen, in denen sie bei der Verdauung noch immer kämpfte, bekam ich meine Zweifel. (Auch hierzu hat uns die Hebamme erzählt, dass Babys Verdauung noch nicht selbstständig arbeitet und sie das Essen wirklich selbstständig weiterschieben muss und das extrem anstrengend sein kann. Deshalb auch aufgeregtes Strampeln oder Weinen.) Ich begann zu recherchieren und fand viele Hiobsbotschaften. Anstrengend, frustrierend, Kind verweigert … Kind wird nur konditioniert… Zwischendurch war ich natürlich verunsichert. Auf der anderen Seite hatte ich ein Kind, das im Alter von eigentlich wenigen Tagen begonnen hat ihre Bedürfnisse auszudrücken.
Wenn wir rausgegangen sind, war sie zuerst noch am Topf und dann habe ich ihr eine Windel angezogen, die die ersten 6 Wochen immer trocken geblieben ist. Sobald wir zuhause waren und sie wieder am Topf saß, machte sie schon wieder Lulu. Das hat mich sehr bestärkt, wie auch meine immer wieder aufflammende Abneigung gegen Windeln.
Ihr Papa hat erst nach ungefähr 2-3 Wochen begonnen sie auch auf den Topf zu setzen. Anfangs auf meine Anweisung hin, in der 3-4 Woche dann auch selbstständig. Er hat seinen eigenen Spruch, aber die gleichen Schlüsselworte. Er wurde in den nächsten drei Wochen viel öfter angepinkelt als ich, die ich einfach mehr Routine hatte und die Signale so besser erkennen konnte.
Wenn etwas daneben geht, wird Viola umgezogen, die Kleidung meistens am Heizkörper getrocknet oder in die Wäsche gegeben. Das hängt von der Menge, der Farbe und dem Geruch ab. Wir Eltern ziehen uns selten um, meistens trocknet es einfach und man sieht und riecht nichts davon. Gott sei Dank habe ich einen Mann an meiner Seite, der bereit ist, da mitzumachen. Es würde zwar auch anders funktionieren, also Teilzeit windelfrei, je nach Betreuungsperson, würde mich persönlich aber langfristig stressen.
Wir machen Scherze, wenn etwas daneben geht und sagen zum Beispiel, dass Viola uns markieren will, vor allem Papa, weil er arbeitet und folglich den Tag über nicht da ist, damit er weiß, dass er uns gehört.
In der Nacht haben wir Inkontinenzunterlagen vom Hofer im Bett verteilt und oft lege ich noch ein Handtuch darüber, weil die Unterlagen sonst in der Nacht, wenn ich mich umdrehe, verrutschen. Zusätzlich habe ich in den ersten 6 Wochen immer eine zusammengefaltete Mullwindel unter ihren Hintern gelegt und die in der Nacht ausgewechselt. Ja – auch in der Nacht kommt sie ohne Windel aus. Wenn sie dann in der Nacht gemacht hat, habe ich die Windel einfach auf den Boden geworfen, eine neue hingelegt und diese am nächsten Tag gewaschen oder getrocknet. In den ersten 6 Wochen habe ich nachts und tagsüber ungefähr je 5 Mullwindeln gebraucht. Das hat sich dann schnell auf 1-2 Windeln reduziert, mittlerweile (sie ist knapp 10 Wochen alt) brauchen wir 0-1, meistens aber wirklich keine.
Viola schläft bei uns im Bett, meistens zwischen uns, wobei ich die Seiten wechsle, je nachdem auf welcher Seite ich stille. Meistens schläft sie dann wirklich in meiner Armbeuge unter meiner Decke. Mit ihrem Papa kuschelt sie meistens in der Löffelchenstellung, auch da unter seiner Decke. Momentan trägt sie dafür meistens ein Oberteil oder einen unten offenen Body und Socken. Manchmal auch nackt, Haut an Haut mit uns. Dadurch, dass sie in der ganzen Nacht wahrscheinlich keine halbe Stunde alleine liegt, sondern wirklich immer irgendwie Kontakt hat, schläft sie nicht nur sehr gut, sondern sie kühlt auch nie aus.
Dass während des Schlafens und in der Nacht nicht Pinkeln beginnt seit der 8. Lebenswoche schleichend. Letzte Nacht mit 9,5 Wochen hat sie zum ersten Mal von 24 Uhr bis 9.30 Uhr überhaupt nicht gepinkelt. Dafür hat sie in der Nacht auch fast nicht getrunken, eher lustlos zwischendurch wirklich kurz genuckelt. Dafür hat sie nach dem Aufstehen drei Mal gegessen und dann auch drei Mal gepinkelt. Übrigens jedes Mal mit Ansagen und in den Topf.