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  • Dass die Syrer vor allem ein Ende des Krieges wollen ist absolut klar und nachvollziehbar. (Dennoch gab es gestern/ vorgestern in Damaskus und sogar Latakia (da lebt Familie Al AAssad mit seinen größten Anhängern) Solidaritätsdemos für die Leute in Aleppo.) Dass Frieden unter einer Assad-Regierung möglich ist, ist ziemlich unwahrscheinlich. Der wird auch nach der Übernahme weiterer Städte - Aleppo ist nicht die letzte! - nach seinen Gegnern suchen und wohin das wiederum führt, dürfte klar sein.

    Ich bin mir nicht sicher, ob Frieden ohne eine Übergangsregierung mit Assad möglich ist. Ich denke das Vakuum wird groß sein und ob es besser ist eine Regierung zu haben die evtl sogar mit dem IS sympathisiert?
    Ich denke das Thema ist komplex und schwarz / weiß gibt es nicht. Aber alle Schuld Assad und Russland zu geben ist zu einfach. Da ist Krieg und alle Beteiligten haben Blut an ihren Händen.
    Aber das sind nur meine Gedanken, die ich mir so machen. Ob das so richtig ist? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur das dieser verdammte Krieg endlich aufhören muss!

  • Hm. Ich denke, man muss differenzierter hinsehen.


    Mich macht dieses Schwarz/Weiß extrem misstrauisch. Hat hier jemand "Wer Wind sät wird Sturm ernten" geslesen oder sich sonst schon mit der Vertrickung westlicher Geheimdienste in die "Nahost-Politik" beschäftigt? "Der Westen" hat hier soviel Blut an den Händen, mischt sich seit Jahrzehneten aus den falschen Gründen mit noch falscheren Mitteln in politische Entwicklungen ein, unterstützt immer wieder Terror-Organisationen in der Hoffnung damit Machtverhältnisse im Sinne seiner machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen verschieben zu können.


    Man liest aber in "unseren" Medien gar nichts darüber.


    Ich lese ausschließlich "unsere" Medien. Und ich lese viel davon.
    Dass es dort kein schwarz/weiß gibt, bzw. nicht mehr gibt, falls es das je gab, ist für mich so derart selbstverständlich geworden, dass ich es kaum einer Erwähnung wert finde.
    Das sieht man allein an den Geflüchteten hier - da haben wir bis ins Mark brennende Assadgegner und Befürworter von einer säkulären Demokratie - die vor den oppositionellen Truppen geflohen sind. Nicht nur, weil diese, seit der Beteiligung Russlands immer wieder gemeinsame Sache mit Islamisten machen sondern auch, weil es im Krieg nicht ausbleibt, dass die Kämpfer zu Monstern werden.


    Aber was bleibt da übrig?
    Weiterhin beim Kampf gegen Terror weiteren gewaltigen Kollateralschaden hinnehmen - und weiteren Terrorismus züchten?
    An den Toren selektieren? "Oh, du siehst aus wie ein Terrorist - erschießen wir dich und deine Familie mal besser. ... Du bist bestimmt okay, du darfst weitergehen."


    Es bleibt einfach überhaupt nichts übrig.
    Man muss das Kriegstreiben stoppen - man muss den Waffenhandel stoppen. Man muss aber auch Gewaltdiktaturen stoppen und nicht motivieren. Auf friedlichen Wegen. Über Handel und Wirtschaft - auch wenn dann mal bei uns der Sprit teurer wird.


    Oh, wehe uns, wenn im Jemen jemand anfängt, emotional zu twittern ...

    Es gibt überall auch Gutes in der Welt.
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  • Also zur Verteidigung der nachdenkseiten die nachdenkseiten zu verlinken find ich jetzt nicht besonders überzeugend...


    Ich habe sie nicht verteidigt, sondern eine Frage dazu gestellt.

    Viele Grüße
    Elena mit Mini1 (*2004) und Mini2 (*2006)

  • :/ Vom Jemen vernimmt man immer am Rande was. Warum eigentlich? Vielleicht weil die Leute von dort es nicht schaffen zu uns zu flüchten?

    Manche sagen, weil wir es sind, die eine Menge Waffen liefern, mit denen da ... Rundumschläge betrieben werden.
    Oder weil da unsere wirtschaftlichen Bestfriends agieren, auf die wir äußert angewiesen sind, solange wir billig Auto fahren wollen. (Wenn wir da mucken, kommt eben wieder eine "wirtschaftliche Unfreundlichkeit" zum Tragen. Das IST ein mächtiges Mittel.)


    Ich nehme aber wirklich an, dass uns da einfach die Flüchtlinge fehlen (ich meine das exakt so, wie ich es sage - keine Ironie). Es liegt in der Natur der Sache, dass man sich erst betroffen genug für unschöne Informationen fühlt, wenn man eine emotionale Bindung eingeht. Sobald die da ist - durch Kontakt - kommt es zu Interesse und infolge von Interesse wird berichtet und verbreitet.

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    Einmal editiert, zuletzt von Ohnezahn ()

  • ...It is always a weakness of journalists that they pretend to excavate the truth when in fact they are the conduit rather than the originator of information produced by others in their own interests. Reporters learn early that people tell them things because they are promoting some cause which might be their own career or related to bureaucratic infighting or, just possibly, hatred of lies and injustice.
    A word here in defence of the humble reporter in the field: usually, it is not he or she, but the home office or media herd instinct, that decides the story of the day. Those closest to the action may be dubious about some juicy tale which is heading the news, but there is not much they can do about it.
    Thus, in 2002 and 2003, several New York Times journalists wrote stories casting doubt on WMD only to find them buried deep inside the newspaper which was led by articles proving that Saddam had WMD and was a threat to the world.
    Journalists and public alike should regard all information about Syria and Iraq with reasoned scepticism. They should keep in mind the words of Lakhdar Brahimi, the former UN and Arab League Special Envoy to Syria. Speaking after he had resigned in frustration in 2014, he said that “everybody had their agenda and the interests of the Syrian people came second, third or not at all”.
    The quote comes from The Battle for Syria: International Rivalry in the New Middle East by Christopher Phillips, which is one of the best informed and non-partisan accounts of the Syrian tragedy yet published. He judiciously weighs the evidence for rival explanations for what happened and why. He understands the degree to which the agenda and pace events in Syria were determined externally by the intervention of foreign powers pursuing their own interests.
    Overall, government experts did better than journalists, who bought into simple-minded explanations of developments, convinced that Assad was always on the verge of being overthrown.
    Phillips records that at a high point of the popular uprising in July 2011, when the media was assuming that Assad was finished, that the long-serving British ambassador in Damascus, Simon Collis, wrote that “Assad can still probably count on the support of 30-40 per cent of the population.”
    The French ambassador Eric Chevallier was similarly cautious, only to receive a classic rebuke from his masters in Paris who said: “Your information does not interest us. Bashar al-Assad must fall and will fall.”


    http://www.independent.co.uk/v…ld-be-wrong-a7451656.html

  • "Not when the rebels, including al-Qaeda, were bravely defending east Aleppo, we didn’t – because a powerful tale of heroism, democracy and suffering was being woven for us, a narrative of good guys versus bad guys as explosive and dishonest as “weapons of mass destruction”.
    Back in the days of Saddam Hussein – when a few of us argued that the illegal invasion of Iraq would lead to catastrophe and untold suffering, and that Tony Blair and George Bush were taking us down the path to perdition – it was incumbent upon us, always, to profess our repugnance of Saddam and his regime. We had to remind readers, constantly, that Saddam was one of the Triple Pillars of the Axis of Evil.
    So here goes the usual mantra again, which we must repeat ad nauseam to avoid the usual hate mail and abuse that will today be cast at anyone veering away from the approved and deeply flawed version of the Syrian tragedy."
    http://www.independent.co.uk/v…ld-be-wrong-a7451656.html

  • und ich füg nochmal ein, was mir am verlinkten n-tv-artikel wichtig erscheint.


    N-TV:
    Es scheint ein Bedürfnis zu geben, Kriegsparteien in "gut" und "böse" einzuteilen. Für manche sind Russland und Assad die Bösen, für manche sind die Anti-Assad-Kämpfer die Bösen, aus Sicht einiger Republikaner in Washington ist das Vorgehen der US-Regierung zu lasch. Aber alle können sich darauf einigen, dass der IS gefährlich ist.
    Leukefeld:
    Als Journalistin kann ich mit solchen Kategorien nichts anfangen. Es gibt auf den unterschiedlichen Seiten sicherlich Interessen, für die Akteure eintreten. Solche Interessen muss man benennen. Dann gibt es noch Syrien, das Land, wo alles stattfindet. Dieses Land ist ein souveräner Staat, Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, der Präsident ist gewählt, ob man ihn nun mag oder nicht. Es gab dort einen Aufstand von Menschen, die das Land verändern und die Regierung stürzen wollten. Erst haben sich die Regionalstaaten eingemischt, dann die internationalen Staaten, und so ist dieser Konflikt immer komplizierter geworden. Längst geht es nicht mehr um ein besseres Leben für die Syrer, um mehr Rechte und Demokratie, sondern um die Interessen anderer Staaten.
    N-TV:
    Wie, glauben Sie, wird die Situation in ein oder zwei Jahren sein?
    Leukefeld:
    Ich hoffe, dass die Waffen so schnell wie möglich schweigen. Die Vereinten Nationen sagen, wenn es keine Einmischung von außen mehr gäbe, wären die Syrer in der Lage, die Situation in sechs bis zwölf Monaten zu befrieden. Dann könnte man mit dem Wiederaufbau und mit der Versöhnung beginnen. Da aber die Regionalstaaten – die Türkei, Saudi-Arabien, der Iran, auch Israel – ihre Interessen in Syrien weiterhin vertreten sehen wollen durch verschiedene bewaffnete Gruppen, und weil auch die USA und Russland sich nicht einigen können, befürchte ich, dass die militärische Auseinandersetzung mindestens noch einige Monate dauern wird.
    N-TV:
    Zwischen Russland und den USA gibt es erhebliche Unterschiede, was die aktuelle Lage in Aleppo angeht.
    Leukefeld:
    Am Dienstagnachmittag wurde bekannt, dass die bewaffneten Gruppen eingewilligt haben, Aleppo zu verlassen. Das kam wohl durch den Einsatz von regionalen und internationalen Akteuren zustande. Bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates gab der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin bekannt, dass die Kämpfer mit ihren Familien und Verletzten durch selbst gewählte Korridore die Stadt verlassen würden, auch in Richtung der Provinz Idlib. Diese Provinz steht in weiten Teilen unter Kontrolle der Nusra-Front. Westliche Vertreter im UN-Sicherheitsrat, wie die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power, beschuldigen Russland und das "Assad-Regime", wie Power sagte, auf der gewaltsamen Rückeroberung von jedem Zentimeter der Stadt zu beharren, "egal wie viele unschuldige Tote sich vor ihnen stapeln". Der britische UN-Botschafter Matthew Rycroft ging noch weiter und sprach von einem "dunklen Tag für die Menschen in Aleppo". Die syrische Armee – mit Unterstützung Russlands – würde nun "die Belagerung durch Massaker ersetzen".
    Man hört daraus ganz deutlich, wie unterschiedlich die Entwicklung im Sicherheitsrat bewertet wird. Weitere Kämpfe im Umland von Aleppo, in Idlib, aber auch im Nordosten Syriens sind zu erwarten. Doch Kämpfe auf dem flachen Land haben eine andere Qualität, als Kämpfe in dicht bewohnten Städten. Wir werden abwarten müssen, ob es mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump möglicherweise eine Kehrtwende geben wird. Er hat ja einen neuen Außenminister ernannt, der als Geschäftsmann gute Kontakte nach Russland haben soll. Vielleicht kommen die USA jetzt neu ins Gespräch mit Russland, was eine Voraussetzung wäre, um den Konflikt zu befrieden.
    N-TV:
    Sie sehen die Verantwortung für den bisher ausbleibenden Erfolg der Genfer Gespräche eher auf der amerikanischen Seite?
    Leukefeld:
    Ich glaube, das Problem der US-Regierung in den letzten Jahren war, dass sie nicht einer Meinung war. Es gab den Präsidenten, der offensichtlich nicht militärisch eskalieren wollte, und es gab das Pentagon, das eine andere Position vertrat. Die amerikanischen Geheimdienste haben sogar unterschiedliche Gruppierungen unterstützt, die in Syrien gegeneinander gekämpft haben. Das hat die Lage der Opposition zusätzlich verschärft.

  • Viva, kannst du das übersetzen, wenn es dir wichtig ist?


    Bei "Dieses Land ist ein souveräner Staat, Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, der Präsident ist gewählt, ob man ihn nun mag oder nicht." muss man eigentlich schon aussteigen, denn das scheint so einfach nicht gegeben.

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  • dafür reicht meine zeit (heute zumindest) nicht. könnte es höchstens bei google translate reinkopieren, aber das ist meist schlechte qualität.


    ich will auch niemanden von meiner sicht überzeugen, nur eben zeigen, dass kritik am gängigen narrativ auch von etablierten westlichen medien kommt.

  • Ich bin aufm Sprung, aber eine Freundin - die hoffentlich ihre Quellen prüft, ich kenne das Blatt nämlich nicht - hat gerade diesen Artikel hier verlinkt und ich halte den für übersichtlich und recht gut erklärt. Ein gemeinsamer Freund - übrigens Assad-Anhänger aus bestimmten Gründen - hat den auch abgenickt und findet es zutreffend.


    https://cms.falter.at/falter/2…n-syrien-krieg-verstehen/

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  • das ist übrigens der grund, warum ich andere quellen verlinkt habe. der independent ist eine klassische britische tageszeitung, die inzwischen vollständig auf online-publikation umgestellt hat.



    (die debatte um fake news (und die frage, in welchen ländern man sich informieren darf und in welchen offenbar generell nicht) ist in meinen augen um einiges komplexer als die tagesschau mitteilt, aber das gehört in einen separaten thread.)

  • "Für seine Luftangriffe auf Aleppo und die Blockade im UN-Sicherheitsrat wird Russland heftig kritisiert. Nahost-Experte Günter Meyer macht im heute.de-Interview aber vor allem die USA für die Not der Menschen in Syrien verantwortlich. Und Deutschland? "Hat de facto keinen Einfluss auf die Lage."


    heute.de: Die Hilfsorganisation World Vision vergleicht Aleppo mit Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen spricht von einem "kompletten Kollaps der Menschlichkeit" in Aleppo. Und der UN-Generalsekretär gibt zu: "Wir alle haben die Menschen in Syrien bislang kollektiv hängenlassen."
    Herr Meyer, was hat die Welt in Syrien falsch gemacht?


    Günter Meyer: Die Welt hat in Syrien sehr vieles falsch gemacht, aber wir müssen auch sagen, wer was falsch gemacht hat: Und hier liegt die Hauptverantwortung bei den USA. Nach Aussagen des ehemaligen Oberkommandeurs der NATO, General Wesley Clark, begann die US-Regierung bereits unmittelbar nach den Terrorschlägen am 11. September 2001 mit den Planungen des Regimewechsels in sieben Ländern, die von den USA als Gegner angesehen wurden, darunter Irak, Libyen und auch Syrien.Um dort dieses Ziel zu erreichen, haben die USA seit 2005 die Rahmenbedingungen geschaffen. Dazu gehörte neben zahllosen medialen Propagandaaktionen gegen das Assad-Regime die Finanzierung und Ausbildung einer Armee von Terroristen gemeinsam mit Israel und Saudi-Arabien. Diese Truppen sollten für den Sturz der Regierungen in Damaskus und Teheran eingesetzt werden, wie der renommierte Journalist Seymour Hersh 2007 aufdeckte.

    heute.de: 2011 begann der Krieg in Syrien. Welche Fehler wurden da gemacht?

    Meyer: Der Westen, also insbesondere die USA, hat die aufständischen Dschihadisten mit Waffen versorgt und teilweise auch ausgebildet. Die materielle und personelle Logistik wurde vor allem von der Türkei abgewickelt, während die finanzielle Unterstützung zum größten Teil aus Saudi-Arabien und Katar kam. Saudi-Arabien hat dabei salafistische Extremisten gefördert, um in Syrien eine radikal-islamistische Regierung zu etablieren. Hier war die Eroberung von Aleppo 2012 für die Dschihadisten ein wichtiger Schritt.

    heute.de: Mal abgesehen von den USA. Was muss sich Russland an der Situation in Aleppo vorwerfen lassen?

    Meyer: Ohne die militärische Intervention Russlands im September 2015 wäre inzwischen nicht nur Aleppo komplett von den Dschihadisten erobert worden. Auch das Assad-Regime wäre längst zusammengebrochen. Damit hätten die Assad-Gegner unter Führung der USA ihr Ziel des Regimewechsels zwar erreicht. Die Macht hätten jedoch die stärksten militärischen Kräfte an sich gerissen. Und das wären die islamistischen Extremisten, wie die zum Al-Kaida-Netzwerk gehörende Nusra-Front und der von der internationalen Allianz unter US-Führung bekämpfte Islamische Staat (IS). Wem, wie israelische Politiker erklärten, eine solche Terrorherrschaft lieber ist als das Assad-Regime, der kann Putin vorwerfen, dass er dies verhindert hat.

    heute.de: Also geht ohne Assad jetzt erstmal nichts mehr?

    Meyer: Es gibt niemanden, der gegenwärtig Assads Position und auch das funktionierende staatliche Ordnungssystem in Syrien ersetzen könnte. Es ist davon auszugehen, dass mehr als die Hälfte der syrischen Bevölkerung das Regime unterstützt. Das gilt nicht nur für die religiösen Minderheiten wie Christen, Alawiten und andere schiitische Gruppierungen, die unter der Herrschaft sunnitischer Extremisten keine Überlebenschance in Syrien hätten - die Forderung "Christen nach Beirut, Alawiten ins Grab" wird von den Dschihadisten nach wie vor erhoben. Doch auch ein Großteil der Sunniten, insbesondere aus der städtischen Mittelschicht, steht immer noch auf der Seite von Assad.

    heute.de: Was ist mit gemäßigten Rebellengruppen?

    Meyer: Die USA betonen immer, dass sie gemäßigte Rebellengruppen unterstützen. Die spielen aber keine Rolle mehr. Diejenigen, die von den USA ausgebildet und mit Waffen ausgestattet wurden, sind größtenteils zu den radikalen Dschihadisten übergelaufen, weil sie dort wesentlich besser bezahlt werden. Dabei haben die USA 2003 durch die völkerrechtswidrige Invasion im Irak nicht nur die Rahmenbedingungen für die Entstehung des IS geschaffen. Wie Michael Flynn, der ehemalige Leiter des militärischen Geheimdienstes DIA (Defense Intelligence Agency) erklärte, ist auch "die Unterstützung und Expansion des Islamischen Staates auf eine bewusste Entscheidung der amerikanischen Regierung zurückzuführen". Die von dieser Terrororganisation ausgehende Gefahr war 2012 durchaus bekannt, wurde aber ignoriert vor dem übergeordneten Ziel, Machthaber Assad zu stürzen.

    heute.de: Wenn man mal an eine gemeinsame Lösung denkt, also ein UN-Mandat. Welche diplomatischen Hebel hätte der Westen in Bewegung setzen können, um Russland zum Einlenken zu bewegen?

    Meyer: Alle diplomatischen Initiativen der Vergangenheit sind vor allem daran gescheitert, dass der Westen politisch vor allem auf die syrische Auslandsopposition gesetzt hat, obwohl diese keinen Rückhalt in Syrien hat. Dagegen liefen die Forderungen Assads darauf hinaus, einen innersyrischen Dialog zu führen. Dieses Thema war jetzt wieder Gegenstand der jüngsten Verhandlungen zwischen US-Außenminister Kerry und dem russischen Außenminister Lawrow. Ein solcher innersyrischer Dialog mit der Zielsetzung einer politischen Lösung könnte tatsächlich eine Chance für den Frieden sein - allerdings müssten in diesem Fall wohl größtenteils die Bedingungen akzeptiert werden, die Assad stellt, da er nach den militärischen Erfolgen über die stärkste Position in Syrien verfügt.

    heute.de: Welche Fehler hat Europa aus humanitärer Sicht gemacht?

    Meyer: Wie unter anderem auch die christlichen Bischöfe in Syrien immer wieder beklagen, war der größte humanitäre Fehler der EU die Verhängung von Sanktionen. Dadurch hat sich die Versorgungssituation der Bevölkerung insgesamt und hier besonders im medizinischen Bereich gravierend verschlechtert.

    heute.de: Mit Blick auf die Zukunft - Was muss getan werden, um die Lage in Syrien zu stabilisieren und welche Rolle spielt der Westen dabei?

    Meyer: In der aktuellen Situation ist die Macht, die den stärksten Einfluss hat, nämlich die USA, wegen des bevorstehenden Regierungswechsels weitestgehend handlungsunfähig. Trump hat erklärt, die bisherige Politik seiner Vorgänger mit dem Ziel, einen Regimewechsel in Syrien herbeizuführen, nicht fortsetzen zu wollen. Sein Ziel ist es, den Kampf gegen den IS und andere islamistische Terroristen zu verstärken. Dazu ist ihm jeder willkommen, der ihn unterstützt. Es deutet also für Damaskus einiges darauf hin, dass der wichtigste Gegner einen Rückzieher macht und man sogar gemeinsam gegen die Terroristen vorgehen kann. Der Gewinner wäre in diesem Fall Assad. Offen bleibt, ob Trump hält, was er im Wahlkampf versprochen hat.

    heute.de: Was können Deutschland und Europa tun, um die Lage in Syrien zu stabilisieren?

    Meyer: Europa mit seinen wichtigsten militärischen Akteuren, Großbritannien und Frankreich, spielt nur eine sekundäre Rolle. Die Entscheidungen werden in Washington getroffen. Deutschland übernimmt dabei in Syrien nur Hilfsfunktionen wie etwa im Bereich der Luftaufklärung. De facto hat Deutschland also keinen Einfluss auf die Geschehnisse in Syrien. Abgesehen von wichtigen humanitären Maßnahmen der Bundesrepublik - insbesondere für Flüchtlinge in Deutschland und den Nachbarländern Syriens. Hier sind die jüngsten Ankündigungen der Regierung, die Unterstützung für UN-Hilfsmaßnahmen für Aleppo auszuweiten, nachdrücklich zu begrüßen. Auch ist es sicher kein Fehler, dass in Berlin eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel eingesetzt worden ist, sich um den Wiederaufbau in Syrien zu kümmern. Wann damit begonnen werden kann, ist allerdings noch völlig offen.

    heute.de: Zurück zu Assads Verbündeten: Was können Russland und die anderen Verbündeten tun, um die Lage schnell zu verbessern?

    Meyer: Da gibt es zwei Wege: Der eine ist die weitere militärische Unterstützung für Assad bis zur Rückeroberung des gesamten Landes. Dabei werden sich nach der Konsolidierung der Lage in Ost-Aleppo die Kämpfe zunächst vor allem auf die verbliebenen Hochburgen der islamistischen Milizen in der Provinz Idlib und im Süden von Damaskus konzentrieren. Der zweite Weg wäre die Aufnahme von innersyrischen Verhandlungen über eine friedliche Lösung. Dass die USA wieder begonnen haben, die "moderaten Rebellen" mit Waffen zu beliefern, ist da wenig hilfreich."



    PROF. GÜNTER MEYER leitet das Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Er ist auch Präsident der European Association for Middle Eastern Studies. Seit fast vier Jahrzehnten hat Meyer wissenschaftliche Untersuchungen zur wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung in Syrien durchgeführt.



    http://www.heute.de/interview-…beim-westen-46114990.html

  • Danke für diese Zusammenfassung. Obwohl bei mir Menschen aus Aleppo wohnen, habe ich noch nicht so ganz begriffen, was dort eigentlich geschieht. Das macht es deutlich transparenter. Scheint auch eine seriöse Quelle zu sein.

  • das ist vom ZDF. datum: 17.12.16.


    worauf ich hinaus will: mich stören die gewissheiten, mit denen seit einiger zeit häufig argumentiert und in gut-böse/wahr-unwahr unterteilt wird. damit konnte ich noch nie was anfangen. das, was im interview gesagt wird, konnte man in anderen medien auch schon lesen, aber die wurden eben häufig als unseriös deklariert.