Ich denke, die Tatsache, dass bei Homosexuellen Menschen schnell getratscht wird bzw. über sie, liegt u.a. daran, dass diese Menschen anhand eines Merkmals - nämlich ihrer sexuellen Orientierung - zu einer Gruppe zusammengefasst werden. Dieses Merkmal wird als definitorisch betrachtet. Dabei ist es ja nur eines von vielen Merkmalen, das den Menschen ausmacht. So wie bei anderen Menschen eben die Heterosexualität oder die Bisexualität oder die Asexualität etc. eines von vielen Merkmalen ist. Nun ist es bei diesem Merkmal dummerweise so, dass es eine ganz besondere Faszination ausstrahlt. Über Sexualität wird immer wieder gerne gesprochen. Sie ist präsent in Liedern, Bildern, Texten, Werbung, einfach überall, weil sie eben diese Faszination hat.
Und diese Herausstellung eines Merkmales scheint irgendwie dazu zu führen, dass oft unterstellt wird oder mitschwingt (wie Manea ja sagte, in Homosexualität schwingt das Wort Sex mit, und das ist immer für gesteigerte Aufmerksamkeit gut), dass Homosexuelle ständig auf Sex aus sind oder so. Oder wie erklärt sich sonst die Tatsache, dass z.B. im Schuldienst oder bei der Armee vor homosexuellen Mitarbeitern eine besondere Furcht bestand / besteht? Im schulischen Bereich also die Angst, ein schwuler Lehrer könnte sich an den Schülern vergreifen?
In Anbetracht dessen, dass die Zahl der Lehrer, die mit Schülerinnen anbändeln (von Lehrerinnen habe ich jetzt noch wenig gehört und in meinem Umfeld kenne ich nur Beispiele mit Lehrern, insofern kann ich dazu nichts sagen), deutlich höher ist, und niemand daraus abzuleiten scheint, Heteromänner seien untragbar im Schuldienst, ist das nachgerade absurd. Und wenn ich an die Skandale bei kirchlichen Institutionen über die Länder hinweg denke - waren die Täter (Priester etc.) alle schwul? Ich glaube das nicht. Ich vermute da auch ganz viel in Richtung Machtausübung, und da scheinen die Täter in Bezug auf das Geschlecht ihrer Opfer relativ flexibel zu sein.
Ich finde es übrigens auch interessant, wenn mich z.B. ein Mann darauf aufmerksam macht, dass ein Kellner schwul ist. Mir fällt so was meist gar nicht auf und ich frage mich dann, woran der Mann das erkannt hat. Ich vermute, bessere Antennen als ich, die ich ja nicht zum "Beuteschema" gehöre. Oder er irrt sich einfach, kann ja auch sein. Und dann gibt es Fälle, das ist es so eindeutig, dass sogar ich es sehe. Ich finde daran auch nichts Schlimmes. Also daran, dass es mich interessiert. Allerdings tratsche ich nicht oder beurteile den Menschen negativer. Da tue ich mir z.B. bei politischen Einstellungen schwerer. Was ja streng genommen auch fragwürdig von mir ist.