Wie bringt ihr euren Kindern bei, auf "Hänseleien" zu reagieren? Wegstecken? Wehren? Und wenn ja wie? Situationsbedingt?
Sich zu "Necken" gehört ein Stück weit natürlich zum Leben dazu. Insgeheim hatte ich gehofft, das würde meine Tochter im Kindergarten ganz von alleine lernen, denn da foppen sich die Kinder durchaus auch mal gegenseitig und sind nicht immer nur nett und freundlich zueinander. Allerdings gehen die Erzieherinnen auch mal dazwischen, wenn sie was mitbekommen. In den Elterngesprächen hieß es, dass meine Tochter durchaus auch ganz gut austeilen und umgekehrt auch was wegstecken kann. Das beruhigt mich. Trotzdem erlebe ich im Alltag immer wieder Situationen die mir zeigen, dass sie sich mit den Hänseleien anderer manchmal überfordert fühlt.
Mal als Beispiel: In der Strasse gibt es ein paar schon etwas größere Jungs (6 bis 8 Jahre geschätzt), die vor allem in der Gruppe gerne auch mal den Halbstarken raushängen lassen. Kürzlich haben die Jungs meine Tochter als "Baby" bezeichnet und sie ausgelacht. Ist nicht sehr nett, ok, aber eigentlich fand ich das jetzt recht harmlos, Kinder machen so was, wollen provozieren, den anderen aus der Reserve locken. Wenn meine Tochter sich davon ärgern lässt, zurückmault oder gar anfängt zu weinen, dann fühlen die Jungs sich erst recht bestätigt und machen weiter mit ihren Hänseleien. Denn erst wenn der andere sich ärgert, macht es ja überhaupt richtig Spaß. So kenne ich das noch aus meiner eigenen Kindheit. Leider war ich da immer das Opfer, ich konnte mich sehr gut ärgern lassen, und oft hat sich dann eine ganze Gruppe gegen mich verschworen, mich beleidigt, provoziert und ausgelacht. Das reichte von verbalen bis hin zu körperlichen Übergriffen (an den Haaren ziehen, Schuhe oder Schulranzen wegnehmen, Cola über die Hose leeren, usw.). Ich wusste nie, wie ich mich verhalten muss, damit das wieder aufhört. Habe ich mich gewehrt, dann haben sie erst recht weiter gemacht. Und je mehr ich mich aufgeregt habe, desto mehr Spaß hatten sie.
Der Fehler lag nicht bei mir sondern im ungebührlichen Verhalten der anderen, die mich geärgert haben. Trotzdem kann ich "die anderen" nicht ändern, ich habe nur Einfluss auf mein eigenes Verhalten, meine eigene Reaktion.
nachdem ich nun also selbst sehr unangenehme Erfahrungen in der Kindheit gemacht habe und eher der Außenseiter war, würde ich meiner Tochter dieses Schicksal gerne ersparen. Gut, sie ist ganz anders gepolt als ich, hat auch viel mehr Selbstwertgefühl. Trotzdem plagen mich manchmal Zweifel, ob das ausreicht und ich einfach darauf vertrauen soll, dass sie schon alleine zurecht kommen wird.
An dem Beispiel mit den Jungs, die sie "Baby" genant haben: Sie kam daraufhin ins Haus gerannt und hat sich bei mir über die Jungs beschwert. Ich habe ihr dann gesagt, dass die Jungs sie nur ein bisschen liebevoll auf den Arm nehmen wollen und das sicher nicht böse meinen und dass sie es am besten einfach ignoriert. Wenn sie nicht drauf antwortet, wird das Spiel schnell langweilig und sie hören wieder auf. Kurz darauf kam sie wieder reingerannt und beschwerte sich, dass die Jungs immer noch "Baby" zu ihr sagen würden. Ich fragte sie dann, was sie selber denkt. Ob sie glaubt, dass sie noch ein Baby ist. Das hat sie natürlich vehement verneint (sie ist 5). Also habe ich ihr gesagt, dass es sie nicht zu interessieren braucht, was die anderen zu ihr sagen. Wichtig ist, was sie selbst von sich glaubt. Sie ging wieder nach draussen, stemmte die Hände in die Hüfte und brüllte den Jungs entgegen: "Ich bin kein Baby und es ist mir egal was ihr sagt! So!"
Ich fand das sehr mutig von ihr, auch wenn sie von den Jungs natürlich erst mal wieder Gelächter erntete. Sie trollten dann aber von dannen und ließen meine Tochter in Ruhe.
Zum Teil greift bei meiner Tochter auch noch der "Welpenbonus". Gerade ältere Kinder nehmen häufig noch Rücksicht darauf, dass sie doch noch recht klein ist. Anderes Beispiel: Ein größeres Mädchen aus der Strasse hat sich mal (wohl ohne zu fragen) im Spiel das Bobbycar unserer Tochter geschnappt und rollte damit weg. Meine Tochter lief ihr brüllend hinterher, dass sie das nicht darf und ihr das Bobbycar wiedergeben soll. Das Mädchen fand das Spiel aber sehr lustig und dachte gar nicht daran, anzuhalten. Nicht böswillig, sondern als Scherz, um mit meiner Tochter Fangen zu spielen. Meine Tochter hat das aber nicht verstanden, sie fühlte sich hilflos dem großen Mädchen ausgeliefert und hatte Angst um ihr Bobbycar. Also fing sie an zu weinen. Das Mädchen gab ihr daraufhin das Bobbycar zurück und entschuldigte sich bei ihr.
So umsichtig reagieren aber nicht alle Kinder und ich würde meiner Tochter auch gerne vermitteln, dass manche Scherze eher harmlos gemeint sind und dass es oft besser wäre, cooler und gelassener zu reagieren. Vermutlich verlange ich da von einer 5jährigen auch wirklich noch etwas zu viel, ich weiß. Ich denke dabei aber auch eher langfristig. Die Art, wie ich jetzt auf solche Zwischenfälle reagiere, wie ich ihr helfe und was ich ihr rate, hat entscheidenden Einfluss darauf, wie gut sie später (insbesondere in der Schule) mit ähnlichen Situationen alleine zurecht kommen wird.
Ich finde es nicht gut, mich in solche Zwistigkeiten zwischen Kindern immer einzumischen, deshalb bin ich auch nicht mit raus gegangen, als sie sich über die hänselnden Jungs bei mir beschwert hat. Ich würde mir wünschen dass sie lernt, mit solchen Konflikten alleine zurecht zu kommen. Durch ein entsprechend dickes Fell, durch ein gesundes Selbstwertgefühl und durch Mut, sich an der richtigen Stelle auch zu wehren.
Ich gebe zu, dass ich vor der nahenden Schulzeit so meine Bauchschmerzen habe. Kinder können ganz schön gemein sein und ich kenne keine Schule, an der es nicht auch Querelen gibt. Und wie gesagt, ich habe ja leider selber schlechte Erfahrungen gemacht. Da ich nie so wirklich gelernt habe, mit solchen Konflikten umzugehen, eigne ich mich vielleicht auch nur bedingt als Ratgeber für meine Tochter ...
Übrigens betrifft das nicht nur Kinder: Meine Eltern finden es bis heute lustig, andere Familienmitglieder zu foppen und durch den Kakao zu ziehen, und auch sie haben es in meiner Kindheit manchmal ein wenig übertrieben. Mein Vater ist ein toller Opa, mit dem man herrlich Quatsch machen kann. Aber ihm fehlt oft das nötige Fingerspitzengefühl, wann er es mit seinen Späßen übertreibt. Er hat meine Tochter damit schon einige male zum Weinen gebracht. Den Opa kann ich aber leider nicht mehr ändern, und meine Tochter liebt ihn auch heiß und innig. Ich kann ihr nur helfen, mit Opas speziellem "Sinn für Humor" besser zurecht zu kommen.
Gilt auch für Freunde von uns, die es anscheinend urkomisch finden, ein kleines Mädchen so lange zu provozieren, bis es heult. Und es dann auch noch als "Heulsuse" zu defamieren.
Er hatte sich zuerst provokativ auf ihren Stuhl gesetzt, ihr dann das Lieblingsbesteck weggenommen (alles im Scherz und deutlich überzeichnet, dass er es nicht ernst meint - aber wie soll eine 5-jährige das unterscheiden), und als sie sich wehrte hat er ihr die Zunge rausgestreckt. Nachdem er sie dann auch noch ausgelacht und als Heulsuse bezeichnet hat, bin ich dann auch dazwischen gegangen und habe meine Tochter in Schutz genommen. "Ist jetzt gut!" zu besagtem Freund gesagt und "Meine Tochter ist keine Heulsuse!" klargestellt.
Ich finde solche "Scherze" auf Kosten meiner Tochter auch nicht gut, aber ich kann die Welt nun mal nicht ändern. Viele Menschen finden es anscheinend "normal" und witzig, so miteinander umzugehen. Wie also kann ich meine Tochter stärken, dass sie sich auch mit "humorlosen Idioten" zurecht findet? Wie macht ihr das in solchen oder ähnlichen Situationen?