„Acht Uhr dreiundzwanzig“ – eine tiefe Stimme ruft laut in den Raum – und dann sehe ich mein Baby das erste Mal. Ein kleines Wesen, welches blutverschmiert laut und heftig gegen die unerwartete Entbindung protestiert. Ich frage mich, ob die bisher unerträglichen Schmerzen jetzt endlich weggehen und warte gemeinsam mit meinem Mann auf meinen Sohn. Dann kommt unser prächtiger Sohn ohne Namen schreiend auf meine Brust und beruhigt sich sofort . Überwältigt und voller Freude liege ich da und doch bin ich froh darüber, dass er mir nach einer Minute wieder abgenommen wird. Tief im unteren Rücken verspüre ich einen noch schlimmeren Schmerz als zuvor, der mir fast den Atem nimmt. Die aufsteigende Übelkeit ist dagegen nebensächlich.
Die Schmerzmittel greifen nicht schnell genug und der Operateur entscheidet „Frau S., ich unterbreche jetzt erst mal die OP, bis die Schmerzen weniger werden“. Ich weine fast vor Schmerzen und versuche die Augen zu schließen. Wenn ich sie öffne sehe ich einen blauen Vorhang mit einigen Blutspritzern. Die Anästhesistin ist freundlich, aber viel zu weit weg. Manchmal spüre ich ihre Hand während ich langsam in einen Zustand der geistigen Anwesenheit aber körperlichen Abwesenheit drifte. Die Schmerzen halten für mich eine gefühlte Ewigkeit an. Ein wahnsinniges Hungergefühl weckt auch meinen Körper wieder auf, ich kann die Augen öffnen und höre, dass die OP sich dem Ende neigt.
Die Tür öffnet sich und wir hören ein unbändiges Schreien – das kann nur mein Sohn sein! Um 9.15 Uhr darf ich meinen ganz niedlichen und entzückenden Schatz endlich in die Arme schließen. Wütend über meine lange Anwesenheit schreit er mich an, aber nach wenigen Worten und Kuscheleinheiten findet er den Weg zu Brust, welche er in den nächsten drei Stunden nicht loslassen wird. Emil Laurin ist versöhnt und wieder komplett mit mir verbunden.
Die nächsten Tage verbringe ich zwischen der tiefen und innigen Liebe, dem Veratmen der Nachwehen und der überwältigenden Freude meiner Familie und Freunde. Emil ist ein sehr entspanntes Kind, welches am liebsten auf meiner Brust, sein Kopf an mein Kinn mit mir kuschelt. Damit kompensiert er sicherlich die zwei Wochen, die er zu früh auf die Welt kam. Aber ansonsten ist ihm der Kaiserschnitt nicht anzumerken. Wir sind am dritten Tag auf eigenen Wunsch nach Hause gegangen und geniessen das Wochenbett.
Der Kaiserschnitt war notwendig aufgrund einer Myom-Op vor 2 Jahren, welche ein 8*4*4 cm großes Narbengewebe auf der Gebärmutter hinterlassen hatte. Im Nachgespräch mit den Ärzten wird deutlich, dass sie die nicht richtig wirkende Narkose für niemanden zu erklären war. Es könnte sein, dass die Spinalanästhesie nicht richtig gesetzt war oder nicht richtig wirkte. Es könnte auch sein, dass ich an einer Stelle besonders empfindlich bin oder noch was ganz anderes. Aber das Interesse der Ärzte war eher gering, hier Ursachenforschung zu betreiben.
Die Erfahrung, dass eine Narkose nicht richtig wirken kann war völlig neu für mich und ich werde sicherlich Zeit brauchen, um das zu verkraften.