Hallo liebe Raben,
ich bin gerade etwas frustriert, weil meine mütterliche Intuition in Frage gestellt wird. Jetzt, wo unser Kleiner zwei Jahre alt ist, werden von ihm vor allem von kinderlosen Pädagoginnen Verhaltensweisen verlangt, die er meiner Meinung nach noch nicht bringen kann. (Als er noch ein richtiges Baby war, war das ja cool, daß wir ihn auf jede Party mitnehmen konnten und er irgendwann im Tragetuch oder auf dem Arm oder in der Ecke im Kinderwagen geschlafen hat.)
Eine Freundin hat mal einen Erdbeerkuchen auf einem Stuhl abgestellt, woraufhin ich meinte:"Den Kuchen müssen wir hochstellen, da kommt der Kleine dran." -- "Das darf der nicht, da kriegt er auf die Finger!" -- "Das kann der aber noch nicht, da nicht ranzugehen." -- "Dann muß er es eben mal lernen." (Hallo? Wer Diät macht, stellt sich doch auch keine Sahnetorte vor die Nase! Und dann soll sich ein zweijähriges Kind zurückhalten können?)
Mit einer anderen Freundin, Kindergärtnerin, waren wir picknicken. Wir hatten Melonenstücke dabei, die der Kleine auch begeistert gegessen hat, bis er genug hatte und ein Stück ins Gras geschmissen hat. Ich habe ihn sofort angeschimpft, wollte das Melonenstück aufheben und die restlichen Melonenstücke wegpacken, aber meine Freundin meinte zum Kleinen:"Nein, das hebst du jetzt auf, und wenn nicht, halte ich dich solange fest." Das gab ein Riesen-Wut-Geschrei, und nach fünf Minuten habe ich das Stück doch selber aufgehoben, weil mir das zu blöd war. Dem Kleinen hatte der Mittagsschlaf gefehlt, und er kann es sowieso nicht gut vertragen, wenn er in einer Situation als der Verlierer oder der Dumme dasteht. Außerdem wäre es für ihn schon ärgerlich genug gewesen, nicht mehr die Dose mit den Melonenstücken haben zu dürfen, und, falls er doch noch Melone hätte essen wollen, aus Mamas Hand essen zu müssen und nicht das Stück selber festhalten zu dürfen. Meine Freundin dagegen meinte, jetzt hätte er wieder einen Machtkampf gegen mich gewonnen und hätte gelernt:"Ich darf ja alles runterschmeißen, Mama hebt es sowieso wieder auf!"
In der nächsten Situation saßen die Erwachsenen alle am Tisch im Garten, während der Kleine mit zwei achtjährigen Mädchen spielte. Er wollte mit den Barbies mitspielen, und irgendwie durfte er nicht die Super-Barbie haben, aber die Großen haben das echt gut hingekriegt, ihn mitspielen zu lassen. Ich stehe ja dann auch nicht die ganze Zeit daneben, es gab auch keinen großen Streit. Aber irgendwas hat wohl nicht so geklappt, wie er wollte (wie gesagt, ich kannte die Situation nicht), der Kleine kam zu uns an den Tisch gelaufen und wollte zu Mama und Papa auf den Arm, und wir haben ihn natürlich hochgenommen. Eine Minute später wollte er sowieso wieder runter. Jetzt kam die Theorie von unserer Kindergärtnerin-Freundin, daß der Kleine sich schon eine richtige Strategie zugelegt hätte, weil er genau weiß, daß er immer auf den Arm kommt, wenn er will, ohne daß wir nachforschen, warum er denn nun hoch will. "Ich weiß, das fällt dir als Mama schwer, den Kleinen dann nicht auf den Arm zu nehmen!" -- "Warum sollte ich denn ihn nicht auf den Arm nehmen? Ich habe doch aufgegessen, der Kleine stört nicht, und daß er nicht an Papas Bierglas geht, darauf passen wir auf."
Kurzum: Wir wären zu wenig konsequent, und in fünf Jahren würde uns der Kleine auf der Nase rumtanzen, und im Kindergarten und in der Schule würde er mal viele Probleme bekommen.
Einzig positiv fand ich eigentlich die Situation bei der U7 beim Kinderarzt: Der Kleine wollte eine Schranktür aufmachen, ich habe gerufen:"Halt! Laß den Schrank zu!", und der Kinderarzt meinte:"Da müssen Sie ihn festhalten! Auch wenn er weiß, daß er da nicht dran darf, kann er da noch nicht wegbleiben." Ich weiß jetzt nur nicht mehr, in welchem Alter Kinder das können. Mein Gefühl sagt mir aber, daß unser Zweijähriger das wirklich noch nicht kann.
Als letztes nervt die Oma: Der Kleine hat mittlerweile genaue Vorstellungen, wie zum Beispiel die Duplo-Steine zusammengebaut werden sollen, aber oft klappt das nicht, wie er will, dann brüllt er frustriert und schmeißt sein ganzes Bauwerk auf den Boden. Ich bin ja schon froh, daß er nur das entsprechende Bauwerk zerstört und auch sonst die Bausteine nicht gegen irgendwelche Möbel, sondern nur runter, wirft und sich auch schnell wieder abreagiert, und finde das Verhalten für einen Zweijährigen völlig normal. Die Oma meint, diese Wutanfälle müßten wir ihm schnellstens abgewöhnen.
Unser Kleiner spricht schon sehr gut (auch Satzgefüge), klettert prima, hat eine blühende Fantasie und ein erstaunlich gutes Gedächtnis, ist aber von der Psyche oft noch ein richtiges Baby. Der ist doch gerade mal zwei!
Mich nerven vor allem diese Machtkampf-Theorien. Mich nervt, daß mir vorgeworfen wird, daß ich versuche, unseren kleinen Sohn zu verstehen. Das heißt doch nicht, daß ich alles nach seiner Vorstellung mache! Es gibt ja oft genug Situationen, in denen ich gegen seinen Willen handeln muß. Aber dann ist es doch trotzdem von Vorteil, wenn ich verstehe, warum er gerade so frustriert ist, oder? Außerdem kommt es immer noch oft vor, daß ich nicht verstehe, warum er sich gerade so verhält.
Ich habe das Gefühl, mit den pädagogischen Ratschlägen geht es jetzt erst richtig los.
Liebe Grüße