Gender-Kacke in Schule und Alltag 2.0

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  • Und da liegt des Pudels Kern: glaubt man diesem Mythos, bestand Deutschland über viele Jahre quasi nur aus Bürgertum ;)

    In der Realität war das ein verschwindend kleiner Teil. Und historisch gesehen bleibt auch wenn man die Gründerzeit noch dazu rechnet nur ein sehr kurzer Abschnitt für dieses Bürgerideal.

  • Ich habe dazu gerade mal gegoogelt...

    Das Thema ist spannend...

    und hängen geblieben ist das "Ideal" der Hausfrau aus den 50er Jahren.


    Zumindest in der frühen Industrialisierung haben viele Frauen gearbeitet.



    Arbeiterinnenbewegung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert
    Ungeachtet rechtlicher Beschränkungen schlossen sich Arbeiterinnen im 19. Jahrhundert in Vereinen zusammen, um für ihre Rechte und bessere Lebensbedingungen zu…
    www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de


    Frauen-Erwerbstätigkeit - der lange Weg zur Anerkennung

    LG paulina mit paula (11.05)
    + paul (04.08)

  • Im Familienrecht waren die Geschlechterrollen sogar festgeschrieben: § 1354 Absatz 1 BGB a.F. wies „[d]em Manne […] die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu". Selbst das Vermögen der Frau war, soweit es sich nicht um sogenanntes Vorbehaltsgut handelte, der Verwaltung und Nutzung ihres Ehemannes unterworfen (§ 1363 BGB a.F.). Diese Vorschriften wurden jedoch durch das Gleichberechtigungsgesetz 1957 gelockert: Frauen brauchten seitdem nicht mehr die Erlaubnis ihres Ehemannes, um einen Job anzunehmen. Arbeiten war jedoch weiterhin nur gestattet, wenn es mit den Pflichten als Haus- und Ehefrau vereinbar war (§ 1356 Absatz 1 BGB a.F.).

    Wie es war, seinen Mann fragen zu müssen, ob man arbeiten gehen darf
    Freie Liebe und Hippie-Romantik? Die Realität für viele Frauen in den 70ern, die nicht länger nur Hausfrau sein wollten, sah ganz anders aus.
    www.vice.com

  • Spinosa

    Kannst du deine Kritik erläutern?

    Mir sagte Lilith gar nichts. Zum Wikipedia-Eintrag sehe ich keine großen Diskrepanzen.

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Lilith (besonders Abschnitt zu rabb. Judentum und Kabbala).

    Erklärtes Ziel dieser Reihe ist es ja, unsichtbar gemachte Frauen wieder bekannter zu machen. In der Bibel gibt es passend dazu einige sehr interessante Frauen zu entdecken. Im Alten Testament würden mir dazu als erstes Miriam (die Schwester von Moses), die Hebammen Pua und Shifra, und die Richterin Deborah einfallen, und vielleicht noch Yaël, Tamar, Rahab, und einige andere. Im Neuen Testament würde ich an Maria Magdalena denken, an die Gemeindeleiterinnen Lydia und Phöbe, an die Apostelin Junia, und noch andere. Die passen alle zu der These, dass die Leistungen von bedeutenden Frauen im Laufe der Geschichte klein geredet und Frauen unsichtbar gemacht wurden. Ich kann mir nicht erklären, warum die Macher:innen dieser Reihe, wenn sie schon eine Frau aus dem Bereich Bibel/ Religion vorstellen wollten, keine von diesen Frauen ausgewählt haben. Sondern ausgerechnet Lilith, die gerade ein Beispiel für das umgekehrte Phänomen ist: Eine Frau, deren Legende im Laufe der Zeit immer mehr aufgebauscht wurde.


    In dem kurzen Clip wird die Existenz einer ersten Frau Adams, die ihn und das Paradies verlassen haben soll, aus den Widersprüchen zwischen dem ersten und dem zweiten Schöpfungsbericht abgeleitet. Das ist hochgradig unseriös. So gehen viele Evangelikale an den biblischen Text heran, aber keine wissenschaftlich arbeitenden Exegeten. In der wissenschaftlichen Bibelexegese ist es Konsens, dass die beiden Schöpfungserzählungen unabhängig voneinander entstanden sind und erst in einer späteren Redaktion zusammengeführt wurden - wobei der Bruch zwischen beiden Texten nach wie vor erkennbar ist. Es handelt sich um zwei verschiedene Blickwinkel auf die Schöpfung mit jeweils eigenständiger Theologie. Außerdem ist es wissenschaftlicher Konsens, dass der zweite Schöpfungsbericht (der, wo Eva aus einer Rippe Adams erschaffen wird) deutlich älter ist als der erste Schöpfungsbericht (der, wo Mann und Frau gleichzeitig aus dem Nichts erschaffen werden, als Abbild Gottes). In der heutigen Gestalt der Bibel ist der jüngere Schöpfungsbericht dem älteren vorangestellt, sodass beim Lesen der Eindruck entsteht, der zweite (ältere) Schöpfungsbericht sei eine nachträgliche Ergänzung zum ersten (jüngeren). Davon darf eine Wissenschaftlerin sich aber nicht verwirren lassen.


    Und dann wird in dem Clip auch noch auf den sehr alten Gilgamesch Epos verwiesen, und so der Eindruck erweckt, dort würde man etwas über Lilith als die emanzipierte erste Frau Adams erfahren. Das ist aber nicht so, sondern in der babylonischen Überlieferung ist Lilith eine Dämonin, die Neugeborene tötet. Die Interpretation von Lilith als moderne, emanzipierte Frau entspricht eben genau nicht der ursprünglichen Bedeutung dieser Frauengestalt, sondern geht auf eine sehr viel jüngere Legende zurück.


    Und dann stört mich auch noch, dass Lilith heute gerne als das emanzipierte Gegenbild zur braven Eva dargestellt wird. Dabei erscheint Eva in dem biblischen Text weder als besonders unterwürfig, noch als angepasst oder passiv. Sie hat sogar eine aktivere Rolle als Adam. Das lohnt es sich meiner Meinung nach, genauer anzusehen. Ich sehe deshalb keine Notwendigkeit, Adam eine emanzipierte Ex anzudichten (und damit wieder eine andere Frau, nämlich Eva, abzuwerten).

    Machen ist wie Wollen, nur krasser.

  • Und da liegt des Pudels Kern: glaubt man diesem Mythos, bestand Deutschland über viele Jahre quasi nur aus Bürgertum ;)

    In der Realität war das ein verschwindend kleiner Teil. Und historisch gesehen bleibt auch wenn man die Gründerzeit noch dazu rechnet nur ein sehr kurzer Abschnitt für dieses Bürgerideal.

    Ist die historische Entwicklung nicht (ganz grob) eher so:

    - ca 19. Jh. eine immer breiter werdende Arbeiterschicht, wo Männer und Frauen in Fabriken geschuftet haben und eine sehr kleine bürgerliche Schicht, wo die Männer gearbeitet haben und die Frauen zu Hause waren und keiner bezahlten Arbeit nachgegangen sind.

    - im Laufe des 20. Jahrhunderts werden es tendenziell immer weniger Arbeiter:innen in Fabriken und immer mehr "saubere Bürojobs"/ Angestellte wobei sich vor allem Leute mit den gehobeneren "Bürojobs" zunehmend an das Bürgertum anpassen

    - in den Nazijahren eine Verklärung der Frau als Mutter, die sich möglichst um den Nachwuchs kümmern soll ohne ihn zu sehr zu verhätscheln. Erst gg. Ende der Nazizeit müssen Frauen zunehmend die Arbeit der Männer mit übernehmen.

    - nach dem 2. WK zunächst eine Phase, in der Frauen weiter viel Männerarbeit mit machen müssen wg. Männermangel. Im Westen dann aber ab den 50er Jahren ein starker Wirtschaftsanstieg, der sehr rasch dazu führt, dass Frauen regelrecht aus dem Wirtschaftsleben wieder verdrängt werden und wo die Einverdienerehe das Ideal wird, was auch politisch unterstützt wird (z.B. durch das Ehegattensplitting). Dabei wird das ursprünglich bürgerliche Ideal auf immer größere Schichten ausgeweitet und irgendwann als völlig normal empfunden, dass Frauen in der Ehe sich um Haus und Kinder kümmern und keiner außerhäuslichen bezahlten Arbeit nachgehen.

    Im Osten dagegen - im Arbeiter- und Bauernstaat - wird idealisiert, dass alle Erwachsenen arbeiten sollen und es werden entsprechende Strukturen sehr bewusst und zielgerichtet aufgebaut, vor allem Kinderbetreuung und eine Schule, die ohne größere Mitarbeit der Eltern funktioniert. Dieses Ideal ist auch ein Grund, warum die Arbeitslosigkeit nach der Wende für viele ganz dramatisch ist, weil davor quasi der ganze Sinn des Daseins auf die Arbeit ausgerichtet war.


    Ich würde also gar nicht mal sagen, dass Deutschland nur aus Bürgertum bestand - aber ursprünglich bürgerliche Ideale und Lebensformen wurden im Westen zunehmend von anderen Gruppen übernommen.

  • Ich empfehle auch an dieser Stelle das Sachbuch „Die Erfindung der Hausfrau“ von Evke Rulffes. Da ich es ausgelesen habe, kann ich es gern jemand Nächstem zusenden und dann bilden wir uns alle damit fort ;)

  • Ja, genau, historisch gesehen ein sehr kurzer Zeitraum.

    Im Westen dann aber ab den 50er Jahren ein starker Wirtschaftsanstieg, der sehr rasch dazu führt, dass Frauen regelrecht aus dem Wirtschaftsleben wieder verdrängt werden und wo die Einverdienerehe das Ideal wird, was auch politisch unterstützt wird (z.B. durch das Ehegattensplitting). Dabei wird das ursprünglich bürgerliche Ideal auf immer größere Schichten ausgeweitet

    Und da eben: das Ideal wurde ausgeweitet, nicht die Realität. Ich kenne in meiner und der Familie meines Mannes (immerhin etwas wohlhabendere bäuerlich-handwerkliche Schicht in Süddeutschland - im Gegensatz zu meinen mausarmen Berglervorfahren) keine einzige "Hausfrau" im Sinne von reiner Haushaltsarbeit und Kinderbetreuung. Und das drei Generationen zurück. Von meinen Schulkolleginnen war da auch keine Handvoll Mütter ohne "Aussenerwerb".


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Nee. Ich weiß noch, dass ich als Kind angemacht wurde, weil meine Mutter ja "Männern den Job wegnimmt" (West-Deutschland), weil sie arbeitete und auch meine Großmütter haben beide lange gearbeitet. Die eine als Buchhalterin, die andere als Filialleiterin im Einzelhandel. Und ich bin Team 70er Jahre, insofern auch schon recht betagt.

  • Ich sage ja, das Ideal war in den Köpfen - aber das hiess halt nicht, dass dieses Ideal für alle Frauen erreichbar war. Und wie gesagt, im eher nicht so wohlstandsverwöhnten Berggebiet, war es quasi unerreichbar - geändert hat sich das mit Einführung der Karenz (=Elterngeld), da konnten sich mehr Frauen längere Erwerbspausen leisten.


    Ich wurde übrigens bedauert, weil meine Mutter auswärts arbeitete - dass mein Vater seine Werkstatt im Haus hatte, zählte nicht #rolleyes - und dass meine Freundinnen ihre Mütter in der Touristensaison eh nie sahen, war auch egal.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Nach meinem Kenntnisstand war es zumindest im Bürgertum auch vorher schon üblich, dass nur unverheiratete Frauen (außerhalb von Familienunternehmen) gearbeitet haben.

    War es auf jeden Fall. Aber es gab halt viel weniger Bürgertum, das sich das leisten konnte als nach 1945.

    Hermine und drei Jungs (04, 07 und 09)

    ---

    demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen

    Willy Brandt, 1969

  • Dann lasst es mich paraphrasieren: Dass das Bürgertum sich so sehr als Ideal durchsetzen konnte. Die Arbeiterschaft hätte ja auch viel mehr sagen können: "Legt euch gehackt, mit euren komischen Ehr- und Moralbegriffen." (Also mir ist schon klar, dass das so nicht funktioniert, aber das Bürgertum hat sich ab einem bestimmten Punkt ja auch klar vom Adel (verkommen, unsittlich, arbeitsscheu) abgegrenzt.


    Wobei @sileca auf einen wichtigen Punkt hinweist - der Verrechtlichung bürgerlicher Vorstellungen im Bürgerlichen (sic!) Gesetzbuch.

    Hermine und drei Jungs (04, 07 und 09)

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    demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen

    Willy Brandt, 1969

  • schaue gerade GNTM....da sind jetzt auch Männer dabei...und die Frauen rücken in die zweite Reihe...Redezeit und überhaupt 75% Männer...25 % Frauen

    Wie halt oft im Leben könnte ich mir vorstellen, dass die Männer in den nächsten Jahren ganz übernehmen

    LG paulina mit paula (11.05)
    + paul (04.08)

  • schaue gerade GNTM....da sind jetzt auch Männer dabei...und die Frauen rücken in die zweite Reihe...Redezeit und überhaupt 75% Männer...25 % Frauen

    Wie halt oft im Leben könnte ich mir vorstellen, dass die Männer in den nächsten Jahren ganz übernehmen

    Das ist etwas, wo ich sagen würde: Können sie gerne haben.

    Liebe Grüße

    Sabine mit T. 10/02 und Q. 11/05

  • Spinosa, vielen Dank für deine letzten Beiträge, das ist sehr spannend. Kennst du zufällig ein Buch (außer der Bibel ;) ), in dem diese Frauen (die Richterin Deborah etc.) porträtiert werden?

  • Zum Gendern: Na klar benutze ich nicht das generische Maskulinum, sondern beide Formen. Ich habe jetzt schon ein paarmal die Erfahrung gemacht, dass die Kinder von heute sonst gar nicht merken, dass ich auch Frauen meine. Falls das generische Maskulinum also jemals mitmeinend gewesen sein sollte, ist es das wohl heutzutage nicht mehr, zumindest nicht bei der jungen Generation #cool

  • Spinosa, vielen Dank für deine letzten Beiträge, das ist sehr spannend. Kennst du zufällig ein Buch (außer der Bibel ;) ), in dem diese Frauen (die Richterin Deborah etc.) porträtiert werden?

    Dorothee Sölle: Gottes starke Töchter

    Machen ist wie Wollen, nur krasser.

  • schaue gerade GNTM....da sind jetzt auch Männer dabei...und die Frauen rücken in die zweite Reihe...Redezeit und überhaupt 75% Männer...25 % Frauen

    Wie halt oft im Leben könnte ich mir vorstellen, dass die Männer in den nächsten Jahren ganz übernehmen

    Für GNTM kann uns das letztlich egal sein.

    Deine Sorge um die gesellschaftliche Entwicklung, die sich hier so beispielhaft zeigt, teile ich.

  • schaue gerade GNTM....da sind jetzt auch Männer dabei...und die Frauen rücken in die zweite Reihe...Redezeit und überhaupt 75% Männer...25 % Frauen

    Wie halt oft im Leben könnte ich mir vorstellen, dass die Männer in den nächsten Jahren ganz übernehmen

    Das wahrscheinliche Szenario ist doch, dass die Männer den Rede- und Deutungsanteil übernehmen, aber zwischendurch muss natürlich noch regelmäßig eine hübsche Frau und deren Geschlechtsteile gezeigt werden. Dann haben wir die gewohnte Aufteilung.

    <X